Mobilmachung
Vertreter des extrem rechten und rechtskonservativen Spektrums ziehen gegen den NRW-Verfassungsschutz zu Felde.
Seit knapp zehn Jahren nimmt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz jenes intellektuelle oder sich intellektuell gebende Spektrum unter die Lupe, das unter dem Sammelbegriff "Neue Rechte" firmiert. Kampagnen aus dieser Richtung gegen den Verfassungsschutz waren die Folge. Die "Junge Freiheit" beispielsweise, die seit 1994 regelmäßig in den Jahresberichten des Amtes auftaucht, zog gegen diese Erwähnung vor Gericht – und verlor. Überraschend kommt es also nicht, dass auch jetzt wieder – nach der Veröffentlichung der Studie "Die Kultur als Machtfrage – Die Neue Rechte in Deutschland" und nach der Ankündigung einer Fachtagung zum Thema (BnR 16/03) – gegen den NRW-Verfassungsschutz zu Felde gezogen wird. Überraschend ist höchstens das breite Spektrum der Kritiker, das diesmal von ultrarechten Gruppierungen bis hin zu Blättern der Springer-Presse und zu CDU-Bundestagsabgeordneten reicht.
Die "Neue Rechte" unter der Lupe
Den öffentlichen Startschuss zu der Kampagne gab Mitte Mai – wie könnte es anders sein – die "Junge Freiheit" selbst. Unter dem Titel "Eigenartige Extremismus-Experten" bezeichnete sie den Organisator der am 8. Oktober stattfindenden Tagung, den Politikwissenschaftler Thomas Pfeiffer, als "ausgewiesenen Linksextremisten". Die Referentenliste der Tagung sei der "eigentliche Skandal", schreibt JF-Redakteur Manuel Ochsenreiter, um dann fünf Referenten und dem Moderator der Podiumsdiskussion angebliche linksextreme Verstrickungen nachzuweisen. Dabei geht es der "Jungen Freiheit" nicht darum, was Pfeiffer, die Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge (Köln), Wolfgang Gessenharter (Hamburg), Thomas Grumke (Berlin), der Burschenschaftsexperte Dietrich Heither, der freie Journalist Anton Maegerle und Moderator Wolfgang Kapust (WDR) bislang zum Thema "Neue Rechte" publiziert haben. Die Junge Freiheit interessiert vielmehr, wo sie dies irgendwann in der Vergangenheit taten, beziehungsweise in welchem Umfeld sie referierten.
Das Blättchen "eigentümlich frei", das sich früher im Untertitel "Marktplatz für Liberalismus, Anarchismus und Kapitalismus" nannte und sich heute weniger exponiert dem "Freisinn, Eigensinn, Eigentum" verschreibt, legte nach. Die Verfassungsschützer mutieren schon im Titel eines Beitrags von "Kaspar Rosenbaum" – ein Pseudonym, wie der Informationsdienst gegen Rechtsextremismus mutmaßt – zu "Gesinnungsterroristen". Bei den meisten Referenten der Tagung handele es sich um "Rotfrontler mit besten Kontakten zur PDS oder DKP", schreibt Rosenbaum. Wundern kann es nicht, dass "eigentümlich frei" diese Position bezieht, ist das Blatt doch selbst ein Beispiel für die Querfrontstrategie neurechter Kräfte. Abgedruckt wurden in den letzten zwei Jahren unter anderem Beiträge von Manuel Ochsenreiter, Hans-Helmuth Knütter, Claus Nordbruch sowie ein Interview mit JF-Chef Dieter Stein. Und umgekehrt hat "eigentümlich frei"-Herausgeber und Chefredakteur Andre F. Lichtschlag in der "Jungen Freiheit" veröffentlicht und dürfte sich auch persönlich getroffen fühlen, wenn die "Neue Rechte" unter die Lupe genommen wird. Wundern kann es so auch nicht, dass das Blatt seinen Lesern vorenthält, wer außer den inkriminierten "Rotfrontlern" sonst noch in Düsseldorf referieren wird: unter anderem Professor Kurt Sontheimer (München), Armin Pfahl-Traughber, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsschutz, Uwe Backes (TU Dresden) sowie NRW-Verfassungsschutzchef Hartwig Möller.
Knütters Anti-Antifa-Schule
Kritik an der Veranstaltung findet sich auch auf Internetseiten, die eher der nicht-intellektuellen Variante der extremen Rechten zugeordnet werden können. So bei "Pro Köln", einem – laut Verfassungsschutzbericht – "Ableger der in den vergangenen Jahren bedeutungslos gewordenen Deutschen Liga für Volk und Heimat" mit engen Beziehungen zur Neonazi-Szene. Oder bei der "Freiheit Wattenscheid", einem Blättchen, das – wiederum laut Verfassungsschutz – als "Forum für rechtsextremistische Parteien und Organisationen" gilt und unter der Anschrift der NRW-Landesgeschäftsstelle der NPD zu erreichen ist. Nachzulesen ist auf beiden Homepages ein Text von Rebecca Bellano, Autorin des im April in "Preußische Allgemeine Zeitung" umbenannten "Ostpreußenblatts". Sie hat den Eindruck, "dass es sich um eine von ultralinken Kräften dominierte Tagung handelt". Einige der Referenten seien "sogar nahezu Berühmtheiten in der linksextremen Szene".
Den intellektuellen Unterbau für die Verteidigung der "Neuen Rechten" soll das "Institut für Staatspolitik" liefern, das von Personen aus dem Umfeld der "Jungen Freiheit" gegründet wurde. Seit Juli bietet es als Heft 5 seiner "Wissenschaftlichen Reihe" die Untersuchung "Die Neue Rechte – Sinn und Grenzen eines Begriffs" an. Doch nicht diese Broschüre liefert Rechten bei ihrer Kampagne gegen die Tagung die Stichworte. Dies unternimmt statt dessen Sebastian Prinz. Aus seiner Feder stammt ein Dossier, aus dem sich vermutlich die "Junge Freiheit" in ihren Beiträgen zum Thema bedient und das per Internet verbreitet wird. Auch Prinz dürfte sich getroffen fühlen, wenn die Neue Rechte genauer in den Blick genommen wird. Er ist Mitglied der "Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn", die wiederum nicht frei ist von rechten Einflüssen. Auf ihrer Homepage wird berichtet, dass unter anderem Horst Mahler, JF-Chef Dieter Stein und der JF-Autor Klaus Kunze vor den Burschenschaftlern referierten. Nicht zu vergessen Hans-Helmuth Knütter. Der emeritierte Politikwissenschaftler und Kämpfer wider die "Faschismuskeule", wie er eines seiner Bücher betitelte, publiziert in extrem rechten Zeitschriften und Zeitungen und hält Vorträge bei Rechtsaußen-Vereinen wie der Gesellschaft für freie Publizistik. Mit ihm zusammen hat Prinz einen Aufsatz für einen Sammelband verfasst und für Knütters "Handbuch des Linksextremismus" einen Text beigesteuert.
Besonders wichtig: Prinz verfügt über Möglichkeiten, eine Kampagne zu starten, bei der nicht nur Rechtsextreme mitmischen. Er arbeitet als Mitarbeiter im Büro des Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Egon Jüttner. Ein Zufall dürfte es nicht sein, dass sich die "Welt am Sonntag" (WamS) vor allem auf Jüttner stützte, als sie Ende Juli unter dem Titel "Arbeitet Verfassungsschutz mit Linksextremisten?" in die Diskussion einstieg. Der CDU-Parlamentarier sprach laut WamS von handfesten Hinweisen dafür, dass der NRW-Verfassungsschutz mit der linksextremistischen Szene zusammenarbeite. Knütters Anti-Antifa-Schule, so scheint es, ist im Bundestag angekommen. Das NRW-Innenministerium steht derweil hinter dem Konzept für die Veranstaltung am 8. Oktober: "An dieser Tagung nehmen Experten teil, die das gesamte demokratische Spektrum abdecken, sich aber keinesfalls außerhalb dieses Spektrums bewegen", zitiert die WamS dessen Sprecher.