„Vereinte Patrioten“

Mitstreiterin von Reichsbürger-Truppe bleibt straflos

Mit Sprengstoffanschlägen und der Entführung von Karl Lauterbach wollten die „Vereinten Patrioten“ die Bundesrepublik beseitigen und das Deutsche Reich wiederherstellen. Die Corona-Aktivistin Isabell B. war anfangs dabei, dann verriet sie die Umsturzpläne an die Polizei. Jetzt wurde sie verurteilt, kommt aber ohne Strafe davon – wegen ihrer „tätigen Reue“.

Freitag, 21. März 2025
Joachim F. Tornau
Isabell B. wurde Unterstützung einer terroristischen Gruppe vorgeworfen, Foto: picture alliance/dpa | Christina Sticht
Isabell B. wurde Unterstützung einer terroristischen Gruppe vorgeworfen, Foto: picture alliance/dpa | Christina Sticht

Die Angeklagte ließ es an Schärfe nicht fehlen. „Das war völliger Wahnsinn“, sagte Isabell B. „Die sind völlig gewissenlos gewesen. Denen war egal, dass Leute sterben.“ Es gab Zeiten, da hätte die 39-Jährige so wohl über die Corona-Politik geredet, über Masken und Impfungen – die gelernte Frisörin aus Niedersachsen war tief verwurzelt im Querdenken-Milieu. Als sie diese Worte jedoch im unwirtlichen Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle aussprach, da meinte sie: einstige Gesinnungsgenoss*innen.

Isabell B. musste sich seit Januar vor dem Staatsschutzsenat in Celle verantworten, weil sie Mitglied der „Vereinten Patrioten“ gewesen sein soll. Die Gruppierung aus rechten Reichsbürgern und Corona-Leugner*innen hatte den Umsturz in Deutschland geplant und dafür unter anderem Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen und einen wochenlangen Stromausfall im ganzen Land herbeibomben wollen. Vor zwei Wochen wurden die mutmaßlichen Rädelsführer*innen in Koblenz zu Gefängnisstrafen von bis zu acht Jahren verurteilt.

Verurteilung ohne Geld- oder Freiheitsstrafe

Nun folgte die Verurteilung von Isabell B. Allen ihren Distanzierungen zum Trotz wurde die Hausfrau und dreifache Mutter wegen „mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund“, wie der Vorwurf in der Sprache des Strafgesetzbuchs lautet, schuldig gesprochen. Aber: Eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängte der Senat nicht. Nur die Verfahrenskosten muss die Angeklagte tragen.

Wegen „tätiger Reue“, erklärte der Senatsvorsitzender, habe man von einer Ausnahmeregelung im Gesetz Gebrauch gemacht und auf eine Bestrafung verzichtet. Außerdem seien die Tatbeiträge der Angeklagten „von eher untergeordneter Bedeutung“ gewesen.

Treffen bei Holocaustleugner Rigolf Hennig

Isabell B. hatte im Januar 2022 an einem Treffen der „Vereinten Patrioten“ im thüringischen Schlotheim teilgenommen – ohne zu ahnen, so beteuerte sie jedenfalls, was sie dort erwartete. Nämlich: die Vorstellung eines mehrstufigen Plans, der in die „Reaktivierung“ des deutschen Kaiserreichs von 1871 münden sollte. Minister-Entführung und Sprengstoffanschläge auf die Stromnetze inklusive. „Ich habe vor Ort schon gesagt, dass das völlig bekloppt ist“, sagte die Angeklagte. „Ich fühlte mich wie im falschen Film.“

Trotzdem blieb sie, diskutierte mit, machte Vorschläge, etwa für eine sichere Internetkommunikation. Und auch in der Folge brach sie den Kontakt zu den Verschwörer*innen nicht ab. Doch vier Wochen nach dem Treffen ging sie zur Polizei und verriet die Pläne. „Irgendwann war mein Bauchgefühl, dass die das ernst meinen und dass ich handeln muss“, sagte sie. „Ich wollte meinen Beitrag leisten, dass sie gestoppt werden.“ Als sie danach noch ein weiteres Treffen besuchte, bei dem als Staatsoberhaupt eingeplanten Neonazi und notorischen Holocaustleugner Rigolf Hennig in Verden, geschah das bereits mit Wissen und Billigung der Polizei. Auch wenn die Ermittlungsbehörden ihr offenbar dann doch nicht genügend trauten, um sie offiziell zur V-Frau, zum Spitzel also, zu machen.

„Glorreicher verdeckter Ermittler“

Ursprünglich war der Angeklagten auch vorgeworfen worden, bei dem Treffen in Thüringen Nahkampfschulungen angeboten und Kampftechniken selbst demonstriert zu haben. Das ging zurück auf die Aussage eines verdeckten Ermittlers, den die Polizei in die Gruppe eingeschleust hatte. Der aber hatte seine Angaben zu Isabell B., die sie selbst pauschal als „Quatsch“ vom Tisch wischte, noch vor Beginn der Hauptverhandlung deutlich abgeschwächt. Zum offenen Unmut der Generalstaatsanwaltschaft: In seinem Plädoyer spottete der Oberstaatsanwalt über den „glorreichen verdeckten Ermittler, der in anderen Verfahren für sein fotografisches Gedächtnis gepriesen wurde“. Wie die Verteidigung hielt auch er deshalb sämtliche Vorwürfe für nicht erwiesen und forderte Freispruch.

Stets freundlich und verbindlich hatte sich Isabell B. vor Gericht präsentiert, als personifizierte Harmlosigkeit. Das geriet manchmal fast unfreiwillig komisch. Dass die „Nationale Befreiungsbewegung Deutschland“ (DEU-NOD/NBB), deren Telegram-Kanal sie administriert hatte, rechtsextrem ist? „Das war mir damals nicht bewusst.“ Der kurz nach dem Treffen in Verden gestorbene Rigolf Hennig? „Ein alter kauziger Mann“, sagte Isabell B. „Ich wusste nichts über ihn – als ich seinen Nachruf gelesen habe, war ich erschrocken.“ Der ebenfalls von ihr administrierte „Veteranenpool“, über den ehemalige Soldaten zusammenfinden wollten, um sich auf Corona-Demos der Polizei entgegenzustellen? „Ich fand das total schön, dass sich Menschen wiedergetroffen haben.“

„Vereinte Patrioten“-Komplex: Weiterer Prozess steht wohl bevor

Chats, die ein etwas größeres Engagement für die „Vereinten Patrioten“ nahelegten als von ihr behauptet, konnte sie sich angeblich nicht erklären. Und die Zahl der rechten und verschwörungsideologischen Telegram-Kanäle, denen sie folgte, versuchte sie mit dem Verweis zu relativieren, dass sie auch bei Antifa-Gruppen mitlese. „Das fand ich ganz spannend, was die für Strukturen haben.“

Im Prozess blieben die Erzählungen der Angeklagten weitgehend unwidersprochen. Die bereits verurteilten Gründer und Mitglieder der „Vereinten Patrioten“, die möglicherweise ein anderes Bild hätten zeichnen können, wurden ebenso wenig als Zeug*innen geladen wie der verdeckte Ermittler. Insofern kam es am Ende durchaus überraschend, dass der Senat der Angeklagten ihre Selbstinszenierung als vielleicht etwas unbedarfte, aber durch und durch aufrechte und verantwortungsbewusste Staatsbürgerin dann doch nicht uneingeschränkt abnehmen mochte.

Mit dem Schuldspruch von Isabell B., der allerdings noch nicht rechtskräftig ist, endet bereits der bundesweit sechste Prozess im Komplex „Vereinte Patrioten“. Gegen zwei mutmaßliche Beteiligte – darunter die Tochter eines der verurteilten Rädelsführer, die sich von den bekannten rechtsextremen Szeneanwält*innen Nicole Schneiders und Peter Richter verteidigen lässt – wird noch in Koblenz verhandelt. Und in Thüringen hat die Generalstaatsanwaltschaft kürzlich Peer A. (60) aus Meiningen angeklagt, der unter anderem mehrere Telegram-Kanäle der Umstürzler*innen verwaltet haben soll.

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