Wunsiedel
Mit Sophie Scholl und weißen Rosen gegen Nazi-Ungeist
Etwa 230 Neonazis nahmen am Samstag an der jährlichen Veranstaltung der neonazistischen Partei III. Weg in Wunsiedel teil. Im dritten Jahr wird das sogenannte Heldengedenken als Fackelmarsch begangen.
Wenn in Wunsiedel der III. Weg aufmarschiert, dann plant die Stadtgesellschaft ihre Proteste meist so, dass sie selbst die Neonazis nicht zu Gesicht bekommen. Den „Protest“ entlang der Strecke, meist durch ein Wohngebiet im Norden der Stadt, überlassen die Bürger Schildern und Bannern. Das mag mal wie im Falle des Spendenlaufes vor vier Jahren ganz kreativ und wirkungsmächtig sein, meistens stört es den III. Weg beim ritualisierten Gedenken mit reiner Binnenwirkung nicht.
Einige wenige Gegendemonstranten suchten am Samstag dann aber doch den Weg zur Aufzugsstrecke und machten ihren Unmut über die zelebrierte NS-Verherrlichung laut kund. Der Parteivorsitzende des III. Wegs, Klaus Armstroff, unterbrach seine Rede und fragte leicht zerknirscht, ob der Gegenprotest nicht abgestellt werden könnte.
Der stumme Gegenprotest und auch die Veranstaltung in der Stadt stand in diesem Jahr im Zeichen der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Tafeln entlang des Wege waren mit Zitaten von Sophie Scholl bedruckt, vom III. Weg jüngst zur „Kommunistin“ deklariert, oder forderten zum Nachdenken über einen Ausstieg aus der Szene auf. Am Ende der Strecke wartete ein Tisch voller weißer Rosen mit Flugblättern auf die Neonazis.
Loblied auf das NS-Regime samt Judenermordung
Wie viel Ungeist der Nazis im III. Weg steckt, zeigte sich besonders in der zweiten Rede am Startpunkt in der Goethestraße. Julian Bender, „Gebietsleiter West“ des III.Wegs, sprach von Leistungen, zu denen ein Volk fähig sei, wenn es sich „aus der Knechtschaft“ befreien könne. „Klassendenken und Dekadenz“ sei überwunden worden, „soziale Gerechtigkeit für jeden Deutschen, für jeden Volksangehörigen“ sei hergestellt worden. Kennzeichen dieser Zeit sei auch der „Sieg“ über den „Zionismus“.
Diese Aussage ergibt eigentlich nur einen Sinn, wenn „Zionismus“ als Platzhalter für ein anderes Wort gedacht wird, handelt es sich dabei doch eigentlich um die Nationalbewegung mit dem Ziel der Schaffung eines jüdischen Nationalstaats in Palästina. Schon beim Szenecode „ZOG“ für „Zionist occupied goverment“ ersetzt es eigentlich „jüdisch“. Benders Worte sind eine unverhohlene Lobpreisung auf das NS-Regime, die Verfolgung und Vernichtung der Juden ausdrücklich miteinbezogen, zudem durch die Brille der Propaganda.
Bekanntlich war auch die „NS-Volksgemeinschaft“ bei weitem keine klassenlose Gesellschaft ohne Interessengegensätze. Durch die Auflösung des Parlaments, das Verbot anderer Parteien, die Zerschlagung der Gewerkschaften, die Kontrolle der Medien und des öffentlichen Raums unter Drohung mit dem Konzentrationslager wurden diese Gegensätzen nur die Räume genommen, in denen sie sich hätte artikulieren können. Das Regime regiert bekanntlich auf den Unmut der Bevölkerung mit mehreren Kampagnen gegen angebliche Miesmacher und Nörgler.
Daneben versuchte der Redner mit weiteren möglichst martialisch oder mythisch klingenden Sätzen, eine Opferbereitschaft heraufzubeschwören. „Der Hass“ als Gefühl werde laut Bender zu Unrecht als etwas Schlechtes angesehen. Es sei eine Regung des Instinktes und Willensäußerung. Es sei notwendig, „die Feinde der Freiheit unsere Volkes hassen“ zu können, denn nur so lasse sich der Wille zu deren Bekämpfung aufbringen. Wer nicht hassen könne, so Bender, sei gezähmt. Die Ahnen hätten „es gelernt, die Widersacher, Verräter und Vernichter unserer Volkes aus tiefster Seele hassen zu können“ und sie zu „diesen befreienden Taten befähigt“. Wer nicht für Volk streite wolle, verdiene das Leben nicht, so Bender.
Nordische Widerstandsbewegung klebte verbotene Rune ab
An dem „Trauermarsch“ in der vom III. Weg sogenannten Märtyrerstadt, eine Anspielung auf Rudolf Hess, nahmen auch wieder Neonazis aus dem Ausland teil. Besonders begrüßt wurden Teilnehmer aus Ungarn und aus Norwegen. Der III. Weg hat in den letzten Jahren seine Beziehungen zur Nordischen Widerstandsbewegung (NMR) intensiviert. Erst kürzlich scheiterte eine deutsche Delegation beim Versuch, an einem größeren Aufmarsch in Schweden teilzunehmen. Bei den Demonstrationen in Würzburg und Gera sprachen Vertreter des NMR aus Schweden.
In Wunsiedel trat der Vertreter der norwegischen Sektion, Hakon Forwald, bei der Zwischenkundgebung ans Mikro. Gedenkveranstaltungen sollten keinen nostalgischen Charakter haben, sondern immer zum Kampf auffordern, so der norwegische Kader. Die NMR gilt laut der taz als aktivste und gewaltbereiteste Neonazi-Gruppierung Skandinaviens. Im Sommer dieses Jahres wurden drei Männer, die Mitglieder der NMR waren, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie Bombenanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und das Buchcafé einer Gewerkschaft verübt hatten. In Deutschland drohte der NMR bislang nur durch ihr Organisationszeichen, der Tyr-Rune, Ärger. In Wunsiedel wurde das Zeichen, soweit beobachtet, von allen abgeklebt.
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