Mit Ludendorff gegen Flüchtlinge

Die anhaltende Debatte um Flüchtlinge ruft auch radikale Völkische wie Anhänger der Antisemitin Mathilde Ludendorff auf den Plan.

Donnerstag, 21. Januar 2016
Julian Feldmann

„Wir erleben derzeit einen ungeheuren Zustrom von Menschen fremder Abstammung in unser Land. Dies ist ein geschichtlich einmaliger Vorgang, der das Überleben unseres Volkes schwer gefährdet.“ So begrüßt der rechtsextreme „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff)“ (BfG) die Besucher seiner Internetpräsenz seit einigen Monaten. Die völkisch ausgerichtete Gruppierung will das Flüchtlingsthema offenbar nutzen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Die sonst so verschlossenen „Ludendorffer“ gehen in Baden-Württemberg sogar an die Öffentlichkeit.

Wie zu jedem anderen politischen Thema biete auch hierzu Mathilde Ludendorff (1877-1966) in ihren als „Philosophie“ bezeichneten Ideologieschriften eine Lösung, meinen ihre Anhänger. Auf der Grundlage der tatsächlich rassistischen und antisemitischen Weltanschauung lasse sich ein „friedliches und achtungsvolles Miteinander der Völker“ verwirklichen. „In Zeiten globaler Machtansprüche, Völkerentwurzelung, wirtschaftlicher Ausraubung und imperialistischer oder religiöser Kriege“ sei die „Gotterkenntnis“ Ludendorffs wichtiger denn je, schreibt der BfG in einer Erklärung im Oktober 2015. „Jede Rasse erfasst so auf einzigartige Weise Göttliches, so wie es keiner anderen Rasse und keinem anderen Volk möglich ist“.

Leserschaft vor „steigender Asylantenflut“ gewarnt

„Mathilde Ludendorff erkannte Völker und Rassen als einmalige Ausprägungen der unterschiedlichsten Formen des Gotterlebens“, schreiben die Ludendorff-Fans. „Jedes Rasseerbgut“ weise seine ganz besonderen Stärken und Schwächen auf. Mit solchen Formulierungen versuchen die „Ludendorffer“, die in der völkischen Bewegung verwurzelt sind, sich als harmlose Weltanschauungsgemeinschaft darzustellen. Jedes Volk habe schließlich eine Daseinsberechtigung – nur eine „Rassenmischung“ wird abgelehnt. Also Ethnopluralismus statt knallharter Rassismus? Experten wie die Historikerin Annika Spilker sehen Ludendorffs „Deutsche Gotterkenntnis“ hingegen als rassistisch-religiöse Weltanschauung. Ein Kernelement der Ideologie sei die Unterteilung der Menschen in „Edel- und Niederrassen“, sagt Spilker. „Den ‚deutschen Menschen’, den sie entsprechend damaliger Rassentheorien mit der ‚nordischen Rasse’ identifizierte, stellte sie an die Spitze ihrer Rassenhierarchie“, so die Historikerin.

In der „Ludendorffer“-Zeitschrift „Mensch und Maß“, die auch immer wieder Beiträge von Rechtsextremisten aus anderen Bereichen abdruckt, diskutieren die Völkischen seit Monaten über Flüchtlinge und Migranten. So wurde etwa ein Offener Brief von Gerd Schultze-Rhonhof veröffentlicht (Dezember-Ausgabe), in dem der in geschichtsrevisionistischen Zusammenhängen aktive Generalmajor a.D. die in Deutschland gewährte Gastfreundschaft einen „epochalen politischen Fehler“ nennt. Die „Schriftleitung“ des „Ludendorffer“-Blattes sah sich im Oktober dazu veranlasst, die Leserschaft vor der „steigenden Asylantenflut“ zu warnen.

In einem weiteren Offenen Brief, der ebenfalls in „Mensch und Maß“ (Oktober-Ausgabe) erschien, wettert die Tochter der BfG-Vorsitzenden Gudrun Klink, Sonnhild Sawallisch, gegen die deutsche Asylpolitik. Nicht nur daran, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die randalierenden Rechtsextremisten in Heidenau als „Pack“ bezeichnet hat, stört sich Sawallisch. „Und wieso sollen unsere jungen Soldaten in Ländern eingesetzt werden, deren junge Männer dann ihre luxuriöse Vollverpflegung erhalten?“ Dass „jedes Volk in seiner Heimat nach seiner Art leben kann und Deutschland und Europa vor der drohenden (Bürger-) Kriegsgefahr“ gerettet werde, hofft die Musiklehrerin aus Ingelfingen (Hohenlohekreis).

„Ludendorffer“ agieren im Verborgenen

Doch Sawallisch engagiert sich nicht nur publizistisch. Die zweifache Mutter organisiert die rechtsextremen Aufmärsche des Bündnisses „Hohenlohe wacht auf“ in Öhringen mit, tritt dort mit langem Rock ans Mikrofon. Damit gehen die „Ludendorffer“ in Baden-Württemberg erstmals sogar auf die Straße. Nach einem Zeitungsbericht trat auch Sawallischs Mutter, BfG-Chefin Klink, am vergangenen Samstag in Öhringen auf und erklärte den 130 Demonstranten, dass Ludendorffs Schriften weder antisemitisch noch demokratiefeindlich seien. Ein anderer Redner zitierte einen Franzosen, dass es eine gute Lösung sei, wenn alle Araber ertränken. Davon distanzierte sich Sawallisch. Als Gastredner sprach bei „Hohenlohe wacht auf“ bereits der extrem rechte Islam-Hasser Karl-Michael Merkle („Michael Mannheimer“).

Anfang Januar forderte Sawallisch bei einer Kundgebung dazu auf, Bürgerwehren zu gründen. Laut „Heilbronner Stimme“ ist Sawallisch, die im Internet rechtsextreme Propaganda verbreitet, Mitglied im „Bund für Gotterkenntnis“. Das öffentliche Engagement ist für die „Ludendorffer“, die gerne im Verborgenen agieren und nicht mit lauten Parolen auftreten, einmalig. Zwar stellen die „Ludendorffer“ nicht den überwiegenden Teil der Protestler – der Verfassungsschutz registriert auch zahlreiche Anhänger von NPD und Neonazi-Gruppen bei den Demos –, doch der Südwesten ist seit Jahren ein Schwerpunkt der Ludendorff-Anhänger.

In Herboldshausen bei Kirchberg an der Jagst (Kreis Schwäbisch Hall) betreiben die Völkischen ihr „Jugendheim Hohenlohe“, zahlreiche Funktionäre der unterschiedlichen „Ludendorffer“-Gruppierungen sind in Baden-Württemberg ansässig. Wie viele der insgesamt einige tausend Personen umfassende Anhängerschaft in dem Bundesland wohnen, ist nicht bekannt. In Schleswig-Holstein hatte zuletzt der im Mai 2015 verstorbene ehemalige BfG-Funktionär Gundolf Fuchs Positionen von Pegida und Co. aufgegriffen.

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