Dritter Weg
Minuskulisse beim neonazistischen „Heldendenken“ in Wunsiedel
Mit rund 120 Teilnehmenden kamen dieses Jahr erneut weniger Anhänger der neonazistischen Kleinstpartei Dritter Weg zu deren Novemberaufmarsch in die bayerische Stadt im Fichtelgebirge. Der als Schweigemarsch durchgeführte Aufzug steht damit in Reihe mit einigen anderen früheren „Trauermärschen“, die an Bedeutung verloren und teilweise ganz eingestellt wurden.
Letztes Jahr hatten sich bereits nur 160 Personen beteiligt, die Jahre davor marschierten häufiger mal 250 oder mehr Anhänger mit Fackeln durch ein Wohngebiet am Rande der Stadt.
Eingespielt wirkte dieses Jahr auch das Hin und Her zwischen Neonazis und Versammlungsbehörde. Wie in früheren Jahren wurde den Teilnehmenden per Auflage jeder Bezug auf den früher in Wunsiedel begrabenen Kriegsverbrecher und einstigen Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß, verboten.
Ebenso eingespielt sind die Wege, mit denen die Redner diese Verbote umgehen. Noch bevor die Auflagen verlesen wurden, sprach ein Redner etwa von „Märtyrerstadt“. Auf einem Banner führt der Dritte Weg Jahr für Jahr den Slogan „Dein Heldengrab ist überall“ durch die Nacht, Refrain des Stahlgewitter Liedes „Deine Asche - dein Grab“, das unzweifelhaft Rudolf Heß und den Kontroversen rund um die Auflösung des Grabes gewidmet ist.
Gedenken an Waffen-SS und verstorbenen "Zeitzeugen
Ebenso offen konnte am Ende des Marsches der SS und der Waffen-SS gedacht werden, nur marginal codiert als „Freiwilligenverbände und ihre europäischen Freiwilligen“.
Szenekader Thomas Wulff („Steiner“) rückte dieses Jahr noch den verstorbenen ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS, Herbert Bellschan von Mildenburg, ins Zentrum, der zu einer Gruppe von die NS-Zeit glorifizierenden Zeitzeugen gehörte. Ein parteinaher Liedermacher „Der Wegbereiter“ spielte live noch einige Lieder, darunter eines, das der wichtigen NS-Propagandafigur Albert Leo Schlageter gewidmet ist.
Letztes Jahr war der Dritte Weg nach dem „Heldengedenken“ noch an ein martialisch gestaltetes Kriegerdenkmal gezogen und hatte eine weitere Versammlung abgehalten. Das wurdes Jahr durch einen Beschluss des Stadtrates verhindert. Statt der Neonazis mit ihre Fackeln und Fahnen standen dort dieses Jahr 203 Holzkreuze, die an die Toten rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung erinnerten.
Versammlungsleiter und Anmelder Tony Gentsch ging kurz darauf ein. Etwas resignierend raunte er in der Wunsiedler Nacht, wenn sie nicht an das Denkmal dürften, würden sie halt weiter ihr Heldengedenken abhalten. Auch die Zeiten scheinen vorbei zu sein, wo der Dritte Weg und andere Neonazis Kommunen mit monatlichen oder gar wöchentlichen Aufmärschen drohen konnten, um Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben.
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