Militante Strukturen

Verbotene ungarische Neonazi-Organisation tritt weiterhin öffentlich in Erscheinung.

Donnerstag, 19. März 2009
Andre Aden

Die Zusammenkunft erinnert an längst vergangene Zeiten. In schwarze Uniformen gehüllt, angetreten in militärischer Marschformation versammelten sich am 7. März Mitglieder der ungarischen „Pax Hungarica“ in Budapest. Nicht nur das äußere Erscheinungsbild erinnert an die „Sturmabteilungen“ (SA) des NS-Regimes oder an die „Squadristi“, faschistische Kampfbünde Italiens vor Beginn des Zweiten Weltkrieges. Verwechselungsgefahr besteht ebenfalls in der ideologischen Ausrichtung. Hintergrund dieser nun durchgeführten Versammlung der „Pax Hungarica“ war eine Sympathiebekundung für die antisemitischen Verlautbarungen des weltweit in die Kritik geratenen Bischofs Richard Nelson Williamson.

Eine weiß-rote Fahne flattert unruhig im Wind. Die Blicke der hier Versammelten verharren an diesem Samstag auf einem hageren, alten Mann, dessen wache Augen über ein Blatt Papier wandern und der in wenigen Minuten eine vorbereitete Petition verlesen wird. Eine Formation junger Männer in schwarzen Uniformen nimmt Haltung an, Stiefel werden zusammengeschlagen, Kommandos ertönen um sogleich von einem dumpfen Gesang abgelöst zu werden. Es ist der militärische Appell der „Pax Hungarica“, der „Ungarischen Friedensbewegung“. Die Namensgebung der Organisation wirkt irreführend. Hinter der unverdächtig klingenden Bezeichnung „Friedensbewegung“ verbirgt sich eine neonazistisch und antisemitisch agierende Gruppierung in dem mitteleuropäischem Staat. „Pax Hungarica“ gilt als militante Nachfolgestruktur des im Dezember 2004 in Ungarn verbotenen und im Oktober 2005 rechtskräftig aufgelösten Netzwerkes von „Ver es Becsüle“ besser bekannt als „Blood&Honour“. Der Ableger „Division Deutschland“ wurde im September 2000 in der Bundesrepublik verboten.

Ein Verbot mit nur geringer Wirkung, zumindest in Ungarn. Auf Veranstaltungen, wie dem jährlich mit Beteiligung von bis zu 1000 Neonazis in Budapest stattfindendem „Tag der Ehre“ tritt die Organisation weiterhin offen in Erscheinung, ebenso wie auch auf eigens organisierten Konzerten. So auch am 27. September 2008, als mit den Musikern der „Lunikoff Verschwörung“ um den Neonazi Michael Regener, früherer Sänger von „Landser“, ein „Blood&Honour“-Konzert durchgeführt wurde. Im Jahr 2006 wurde „Pax Hungarica“ auf Druck der ungarischen Behörden rechtskräftig aufgelöst. Dies hindert die militante Neonazi-Gruppierung um den ungarischen Neonazi-Funktionär Endre János Damonkos nicht daran, auch weiterhin öffentlich in Erscheinung zu treten. Als Führungskader von „Blood&Honour – Hungaria“ und Anmelder des „Tages der Ehre“ konnte Damonkos bereits ausreichende Erfahrungen im Umgang mit den ungarischen Behörden sammeln.

Nationalhymne und gemeinsames Gebet

Als Redner der „Pax Hungarica“ war am 7. März in Budapest der als Theologe vorgestellte János Tudós-Takács in Erscheinung getreten. Die grauhaarige Eminenz der ungarischen Neonazi-Szene begründete seinen Redebeitrag weniger mit christlicher Nächstenliebe. Vielmehr bestimmte ein tief verwurzelter Antisemitismus und Sympathie mit den Ansichten des in die Kritik geratenen Bischofs die martialische Versammlung. Auch Endre János Damonkos, Vorsitzender der „Pax Hungarica“ ergriff während der Kundgebung das Wort. Der langjährige Neonazi-Kader solidarisierte sich mit Williamson. Die internationale Aufmerksamkeit welche die Äußerungen Williamsons hervorgerufen hatten, seien seinen Worten folgend, der „gewaltsamen, jüdischen Meinungsunterdrückung und Lügenverbreitung in Ungarn und anderen Teilen Europas“ geschuldet.

Die rund 40 Anhänger der faschistischen Organisation, welche sich vor der apostolischen Nuntiatur, inmitten der ungarischen Hauptstadt versammelt hatten, stimmten zum Abschluss die obligatorische Nationalhymne an. Wohl in Anbetracht des religiösen Hintergrunds untermauerten die Neonazis ihr Anliegen anschließend mit einem gemeinsamen Gebet. Zwar konnten Neonazis in den vergangenen Jahren unentwegt Einfluss in der ungarischen Gesellschaft geltend machen, doch auch dadurch konnte kein Vertreter der Nuntiatur bewogen werden, die vorbereitete Petition entgegen zunehmen. Daran änderte auch der religiöse Schlusspunkt wenig. Das Schriftstück musste schließlich im Briefkasten zurückgelassen werden.

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