Militante Rechts-Demonstranten

Der Pegida-Aufmarsch in Köln setzte sich zum großen Teil aus Hooligans und extremen Rechten zusammen – einige der Redner schürten die aufgeheizte Stimmung noch an.

Montag, 11. Januar 2016
Tomas Sager

Die Kölner Pegida-Demonstration war gerade erst vor ein paar Stunden aufgelöst worden, da übten sich einige bereits in Verschwörungstheorien: Nicht die Radikalen in den eigenen Reihen hätten den Aufzug am Kölner Hauptbahnhof zum Entgleisen gebracht. Vielmehr sei es ein Journalist gewesen, der angeblich aus der Demo heraus einen Böller geworfen habe, behaupteten in den sozialen Netzwerken einige mit Verweis auf ein 40-Sekunden-Video ohne jede Beweiskraft. Aus dem einen Journalisten wurden in der Folge in weiteren Berichten und Kommentaren dann gleich mehrere, bis aus der Hooligan-Gewalt vom Samstag in einem extrem rechten Internetportal gar die Schlagzeile „Presse wirft mit Böllern“ geworden und die militanten Rechts-Demonstranten quasi reingewaschen waren.

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens – juristischer Vertreter von Rechtsaußen aller Fraktionen – wählte einen anderen Weg, um die Veranstalter von der Schuld am Misslingen ihrer Veranstaltung freizusprechen. Er warf der Kölner Polizei „organisierten Rechtsbruch“ vor. Ohne erkennbaren Anlass hätten die Beamten den Demo-Zug gestoppt, meinte er. Mit Böller- und Flaschenwürfen hätten sich die Demo-Teilnehmer lediglich gewehrt. Clemens: „Während die NRW-Polizei sich in der Silvesternacht zum Helfershelfer organisierter Banden hat degradieren lassen, ist sie am 09.01.2016 mit ihrer Knüppelstrategie in die würdigen Fußstapfen der Schergen von Tscheka, Stasi und Volkspolizei getreten.“

„Die internen Ordner haben völlig versagt“

Freilich gab es auch selbstkritischere Töne. Erstaunlicherweise sogar bei dem islamfeindlichen Internetportal „Politically Incorrect“, das ansonsten allem Verschwörungstheoretischen nicht abgeneigt ist. „Warum ließ man Hogesa die Demo anführen, so ihr Bild prägen – und dieses Bild letztlich zerstören?“, hieß es dort zum Beispiel. „Warum wurde weiter vereinzelt vermummt, nachdem die Polizei es mehrfach verboten hatte? Warum wurde den Anweisungen der Polizei nicht gefolgt?“ Und der PI-Autor fragte auch: „Wo waren die internen Ordner? Sie haben völlig versagt!“ Freilich hatten die Veranstalter nur mit sehr viel Mühe die nötige Anzahl Ordner überhaupt finden können. Immerhin mussten sie einige Voraussetzungen mitbringen: a) das tatsächlich auch zu wollen angesichts einer teils von Beginn an aggressiven Klientel, die erkennbar auf Krawall aus war, b) selbst nicht einschlägig vorbestraft zu sein, c) nicht unter Alkoholeinfluss zu stehen.

Es war der erwartbare Mix, als sich die 1700 am Samstagmittag auf dem Breslauer Platz hinter dem Hauptbahnhof sammelten. Der weitaus größte Teil der Teilnehmer habe aus Hooligans bestanden, resümierte die Polizei am Abend. Hinzu kamen Vertreter rechtsextremer Parteien. Hamburgs NPD-Landeschef Thomas Wulff schlich mit Megafon durch die Reihen; sein nordrhein-westfälischer Kollege Claus Cremer war ebenso mit von der Partie wie dessen Stellvertreter Stephan Haase und Karl Richter, Stadtratsmitglied in München und Mitarbeiter des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt. Von der neonazistischen Konkurrenzpartei „Die Rechte“ waren Gruppen aus dem Rhein-Erft-Kreis, Wuppertal und Dortmund angereist.

„Invasoren, die als Flüchtlinge maskiert waren“

Die rechtspopulistische „Bürgerbewegung pro NRW“ vertraten unter anderem Generalsekretär Christopher von M. und ihr Geschäftsführer, der Ex-NPDler Thorsten Crämer. Deren Konkurrenzpartei „pro Deutschland“ reihte sich mit Landeschef Markus Wiener und Generalsekretär Detlev Schwarz samt Transparent in den Demozug ein. Und auch Republikaner sowie eine Gruppe von AfDlern aus dem Spektrum der „Patriotischen Plattform“ mochten nicht fehlen. Deutlich in der Minderheit blieb das Publikum, das die Pegida-Organisatoren so gerne mobilisieren würde: „Mutbürger“ und „Wutbürger“ ohne Hool-Militanz und (Rechtsaußen-Parteienmief.

Fahnen oder Banner der Parteien waren an diesem Tag verboten. Aber auch so vermittelten die Flaggen, die hinter dem Hauptbahnhof wehten, einen Eindruck davon, wer sich dort versammelte. Schwarz-Rot-Gold wurde in den Himmel gereckt, auch Schwarz-Weiß-Rot mit und ohne Eisernes Kreuz, die so genannten Widerstandsfahnen, sowie Reichskriegsflaggen. Kräftig geschwungen wurde auch ein vereinzelter Union Jack – Reverenz für einen der Hauptredner des Tages: Tommy Robinson, einst Anführer der militant-islamfeindlichen „English Defence League“ (EDL) und inzwischen für den britischen Pegida-Ableger unterwegs. „Der Islam ist das Geschwür und Pegida ist die Heilung!“, donnnerte er seinem Publikum entgegen und wetterte gegen „Invasoren, die als Flüchtlinge maskiert waren“. Der Islam befinde sich „im Krieg mit uns“, rief er seinem Publikum zu.

„Recht zum kollektiven und unbeschränkten Widerstand“

Karl-Michael Merkle, der in der Szene der Islam-Hasser unter dem Pseudonym „Michael Mannheimer“ unterwegs ist, steigerte die ohnehin aufgeheizte Stimmung noch einmal. Die Kölner Ausschreitungen der Neujahrsnacht nannte er in seiner Rede „das erste Pogrom nach 1945 auf deutschem Boden“ und die „Wiederholung der Reichskristallnacht“. Sie seien der „Beginn des Bürgerkriegs“. Merkle: „Der Islam ist eine mörderische, genozidale Ideologie!“ Kanzlerin Merkel, eine „Verbrecherin“, wie er sagte, agiere als „Unterstützerin des internationalen islamischen Extremismus“, die ins Untersuchungsgefängnis gehöre. Die SPD ist für ihn ohnehin „der Feind der Deutschen“. Die Zuhörer waren begeistert. Merkle: „Ich rufe euch Deutsche auf zum Widerstand gegen das verbrecherische Regime!“

Zwar hatte Dominik Roeseler, „pro NRW“-Vize und wegen seiner Hooligan-Kontakte bei manchen NRW-Pegidisten gern gesehen, gesagt: „Wir bleiben heute friedlich“, doch insbesondere bei Teilen seiner „sportlichen“ Klientel kam das nicht an. Schon bei der Ankunft der Hools, noch auf dem Bahnsteig, war der erste Böller geflogen. Mehr als Roeselers Ermahnung dürfte ihnen gefallen haben, dass Merkle in seiner Rede ein Recht zum „kollektiven und unbeschränkten Widerstand“ für die deutschen „Patrioten“ reklamiert hatte. Ein „Recht“, das sie dann auf ganz eigene Art und Weise in die Praxis umsetzten: Kaum war der Demo-Zug gestartet, wurden insbesondere aus seinem vorderen Teil – wo man lauthals „Deutschland Hooligans!“ grölte – Polen-Böller und Glasflaschen in Richtung der Polizisten und der Medienvertreter geworfen. Später flogen vereinzelt auch Steine.

Lautsprecherdurchsagen der Polizei blieben bei den teils vermummten Hools ohne Wirkung. Mehrere Beamte von Bundes- und Landespolizei sowie ein Journalist, der mit dem Rettungswagen in eine Klinik gebracht werden musste, wurden verletzt, ehe die Polizei die Veranstaltung abbrach. Die Organisatoren resümierten am Samstagabend gleichwohl: „Und wieder einmal zeigt Pegida NRW wie es geht.“

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