Militante „Kölsche Mitte“

Kölner „Wutbürger“ auf dem Weg nach ganz weit rechts.

Freitag, 21. Dezember 2018
Jennifer Marken

Es waren Szenen, wie man sie von Neonazi-Demonstrationen kennt. Und sie waren für Köln – wenn man von der Demonstration der 6000 teils schwer betrunkenen, höchst aggressiven „Hooligans gegen Salafisten“ vom Oktober 2014 absieht – eher ungewohnt: Mehrfach sind die proletarischen, sich vor allem aus der Türsteherszene rekrutierenden Vertreter der selbst ernannten „Kölschen Mitte“ in den vergangenen sechs Wochen aufmarschiert: Am 4. November versammelten sich 110 Wutbürger aus verschiedenen winzigen Gruppierungen auf dem Kölner Neumarkt im Sperrgitter. (bnr.de berichtete) Als einzige politische „Botschaft“ gelang ihnen das Abspielen von Kölscher Musik.

„Bläck Fööss“ distanzieren sich sehr deutlich

Das allerdings hat die Kölner Zivilgesellschaft endgültig auf den Plan gerufen:  Am 26. November veröffentlichte die in Köln beliebte, traditionsreiche Band „Bläck Fööss“ eine sehr deutliche Erklärung zu den Kölner Ultrarechten. Diese hatten immer wieder ihre Lieder wie den „Stammbaum“ und „En unserem Veedel“ abgespielt. Der Song war Ende der 70er Jahre als Protest gegen städtebauliche Fehlentwicklungen in Köln entstanden. Zusammenhalt, Respekt vor der Vielfalt, das war immer die Grundhaltung von „Bläck Fööss.“ Dementsprechend heißt es im Veedel-Song: „Denn he hält m'r zosamme / ejal, wat och passeet / en unsrem Veedel.“ Die „Bläck Fööss“ distanzierten sich „in aller Form“ von der „Kölschen Mitte“. Letztere hätten nicht um Genehmigung für das Abspielen der Lieder angefragt und sie wäre ihnen auch nicht erteilt worden. Leider würden die Musiker aber keine rechtliche Möglichkeit sehen, dagegen vorzugehen. Aufgeschreckt durch weitere gewaltsame Auftritte der Gruppierung haben sich auch eher bürgerliche Gruppierungen wie die Musikerinitiative „Arsch Huh“ und „Köln stellt sich quer“ den Protesten gegen die Wutbürger angeschlossen.

Am 17. November versammelten sich 450 Rechtsradikale und „Wutbürger“, darunter der „Patrioten NRW“ in Düsseldorf, vorgeblich um gegen den – inzwischen verabschiedeten – Migrationspakt zu protestieren. Darunter war auch eine Gruppierung der von Dennis M. angeführten „Kölschen Mitte“. Es kam zu massiven Auseinandersetzungen und Versuchen, Journalisten und Gegendemonstranten anzugreifen, was durch Videos belegt ist. Auch Mitglieder der „Kölschen Mitte“ waren daran beteiligt. Medial aufgegriffen wurde eine von „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ) filmisch dokumentierte Szene, in der ein Gegenstand, höchstwahrscheinlich ein Messer hieß es, in Richtung der Polizei und Gegendemonstranten geworfen wurde. „Messer-Attacke auf Gegendemonstranten bei rechten-Demo?“ titelte die „Neue Ruhr Zeitung“ daraufhin. Als mutmaßlichen Täter benannte DSSQ eine konkrete Person der „Kölschen Mitte“.

Dauerdemonstrant mit Hitlergruß

Am 9. Dezember ging es weiter. Diesmal meldeten die Begleitschützer der „Kölschen Mitte“ einen Demonstrationszug von der Rückseite des Kölner Hauptbahnhofs hin zum Ebertplatz an. Sie vermochten aber nur 50 Teilnehmer zu mobilisieren. Auffallend war, dass erstmals keine jungen Frauen dabei waren, offenkundig war man auf eine Auseinandersetzung aus. Die meisten „Wutbürger“ trugen gelbe Westen, 200 Gegendemonstranten dominierten akustisch die Atmosphäre. Ein Sprecher der Gegenkundgebung von „Köln gegen Rechts“ machte per Megafon auf die Anwesenheit des durch einen Fernsehfilm bundesweit bekannt gewordenen rechten Kölner Dauerdemonstranten Samy M. aufmerksam. In dem Fernsehbeitrag wurde ein Hitlergruß von M. dokumentiert, den er im März auf einer Demo in Berlin gezeigt hatte. Das Photo wurde von mehreren großen Medien veröffentlicht. Nach nachdrücklicher Aufforderung des Sprechers von KgR nahm die Polizei M.s Personalien auf und erstattete Anzeige. Ein weiterer Rechter wurde von der Kundgebung ausgeschlossen, weil er mit Quartzsand gefüllte Handschuhe dabeihatte.

Aufsehen erregte auch die Festnahme des durch einen Fernsehsender bekannt gewordenen „Kölschen Jung“ Achim v. M., dessen kölsch-proletarische Videoauftritte zum Teil mehrere 10.000 Mal aufgerufen werden. Er wurde für Angriffe gegen Gegendemonstranten verantwortlich gemacht.

Platzverbot auf dem Ebert-Platz

Dennis M., der auf seinem Facebook-Profil einen zu Gewalt ermutigenden Werbefilm der Hooligantruppe „Cologne Streetfighters“ postete, löste  formal die Kundgebung auf und ging mit einer größeren Gruppe zum Ebertplatz. Der war im Oktober 2017 nach einem Mord im Drogenmilieu bundesweit in die Schlagzeilen gekommen, was Rechtsradikale mehrfach zu instrumentalisieren versuchten. Anfang November 2017 versammelten sich dort 60 Hooligans der selbst ernannten „Kölner Bürgerwehr“ unter Anleitung Achim v. M.s. Es kam zu Verfolgungsjagden gegen Dunkelhäutige und ortsansässige Künstler, auch der Hitlergruß wurde gezeigt. (bnr.de berichtete)

Heute hat sich die Situation auf dem Kölner Ebertplatz grundlegend verbessert: Seit zwei Wochen findet eine Eislauffläche gerade bei Familien mit Kleinkindern großen Anklang. Der Betreiber des Glühweinstands weigerte sich gemäß der Kölschen Tradition „Kein Kölsch für Nazis“, den Ultrarechten Glühwein auszuschenken. Es kam zu massiven Beleidigungen und Schubsereien. Die zahlreich vorhandene Polizei schritt ein und erteilte der „Kölschen Mitte“ ein Platzverbot. Der Kundgebungsleiter Dennis M. beschimpfte die Polizei daraufhin in derber Weise. Inzwischen hat Dennis M. überregionale Bekanntheit erlangt: Die „Bild“-Zeitung titelte nach der Kundgebung: „Rechter Demo-Leiter geht auf Polizisten los“. M. sei als Versammlungsleiter „ausgetickt“ und „körperlich wie verbal auf Polizisten“ losgegangen.

Zwei Tage nach der Kundgebung kamen mehrere Bürgerwehrvertreter erneut zum Glühweinstand auf dem Ebertplatz. Die Polizei wurde gerufen und teilte mit, dass das Platzverbot weiterhin bestehe.

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