Militante „Freunde“ aus dem „Thügida“-Netzwerk

Bei der etwa einstündigen Kundgebung des „Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen“ in Göttingen standen den anwesenden Neonazis zwölf Mal so viele Gegendemonstranten gegenüber. Im Anschluss versuchten Teilnehmer der braunen Demo in Friedland Personen anzugreifen, die sie dem politischen Gegner zurechnen.

Montag, 03. April 2017
Kai Budler

Seit Ende 2015 macht in Südniedersachsen der rechtsextreme „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ (FKTN) von sich reden. Die Gruppierung mobilisierte anfangs zu Kundgebungen unter dem Motto „Freiheitlicher Bürgertreff“ und wurde schnell zum Anziehungspunkt für Neonazis aus der Region. Inzwischen gelten die Aktionen des FKTN unter Leitung von Jens Wilke fast nur noch dem politischen Gegner – so auch der Aufmarsch unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland“, der am 1. April in Göttingen stattfinden sollte.

Doch wie bereits im letzten Jahr hatte die Stadt Göttingen lediglich eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz genehmigt. Rückendeckung erhielt sie vom Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht, die die Klage der Neonazis abwiesen. So versammelten sich trotz der bundesweiten Mobilisierung nur bis zu 100 Neonazis aus mehreren Bundesländern, die mit Hilfe des „Thügida“-Lausprecherwagens aus dem benachbarten Thüringen bei Laune gehalten wurden. Der FKTN ist seit kurzem Teil des „Thügida“-Netzwerks, Wilke gehört zum „Thügida“-Vorstand.

Journalisten körperliche Gewalt angedroht

Den Rechten standen mehr als 1200 Gegendemonstranten gegenüber, die ihrem Ärger lautstark Luft machten. Zu den Rednern vor dem Bahnhof gehörten Jens Wilke für den FKTN, die Köpfe des Neonazi-Netzwerks „Thügida“, David Köckert und Alexander Kurth sowie Melanie Dittmer, Neonazi-Aktivistin und Initiatorin des extrem rechten Netzwerks „Dügida“ aus dem Rheinland. Dittmer trat in einem T-Shirt der „Identitären Aktion“ (IA) ans Mikrofon, eine von ihr gegründete Abspaltung der „Identitären Bewegung Deutschland“.

Die Reden waren gespickt von Gewaltszenarien, anwesenden Journalisten wurde gezielt körperliche Gewalt angedroht.  Schon nach etwa einer Stunde war die ursprünglich bis 20.00 Uhr angemeldete Kundgebung vor dem Göttinger Bahnhof vorbei und die Neonazis fuhren mit einem Regionalzug ins etwa 20 Kilometer entfernte Northeim, um dort einen Spontanaufmarsch durchzuführen. Nach  etwa 90 Minuten verließ dann ein Großteil der Neonazis Northeim mit dem Zug in Richtung Hannover, der Rest nahm einen Zug nach Friedland, um dort eine weitere spontane Demo mit 25 Teilnehmern zu veranstalten. Dabei versuchten sie unter lautem Schreien mehrere Personen anzugreifen, die sie dem politischen Gegner zurechneten. Die Polizei stellte die Personalien der Angreifer fest, leitete Ermittlungsverfahren ein und sprach Platzverweise für das Stadtgebiet Göttingen und Friedland bis Sonntagnacht um 24.00 Uhr aus.

Thorsten Heise als Redner abgesagt

Am Tag vor der Kundgebung hatte Wilke für den 18. April einen weiteren „Spaziergang in Göttingen“ angekündigt, der bereits angemeldet sei. Der Neonazi sprach von der Universitätsstadt als „ekelhaft rot grün links stinkende versiffte Stadt“ in „einer kranken Republik“. Die Gegendemonstranten nannte er „kleine zugedröhnte Straßenköter“, Ratten und eine „widerliche rote Brut“. Mit den Worten „alles andere ist Verrat am Volk“ warb Wilke weiterhin für ein braunes Netzwerk „über Parteigrenzen und Egoprobleme hinweg“.

Ein deutlicher Seitenhieb gegen den Thüringer NPD-Landeschef und stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Thorsten Heise, der eine Woche vor dem geplanten Aufmarsch als Redner in Göttingen abgesagt hatte. Der „Freundeskreis“ und „Thügida“ machten zwar „schöne Aktionen“, aber „ihr seid nicht überparteilich, da ihr im Grunde die ganze Zeit nur Werbung für die Alternative für Deutschland macht“, so langjährig aktive Neonazi. Damit vergäßen die Organisatoren, „dass es eine wirkliche Opposition gibt für Deutschland, das ist die NPD, das ist ‘Die Rechte‘ und das ist ‘Der III. Weg’“. Noch vor der Kommunalwahl in Niedersachsen waren FKTN-Mitglieder auf der NPD-Liste angetreten, Wilke selbst hatte für die NPD um das Amt als Landrat im Landkreis Göttingen kandidiert. Dabei kam es immer wieder zu Kooperationen mit Heise, der die NPD in Südniedersachsen unterstützte.

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