Militante braune Knasttruppe

Ins Visier der hessischen Justizbehörden ist ein seit 2012 existierendes bundesweites Neonazi- und Rocker-Netzwerk in Gefängnissen gerückt. Dessen Initiator ist auch auf der Liste der Sicherheitsbehörden zu möglichen Kontaktpersonen zum NSU verzeichnet. Mit freundlicher Genehmigung des "blick nach rechts" übernommen. 

Donnerstag, 11. April 2013
Militante braune Knasttruppe
Seit gestern berichten die Medien über ein von den hessischen Justizbehörden „entdecktes“ Geheimnetzwerk von inhaftierten Neonazis, das streng hierarchische Organisationsstrukturen aufgebaut habe. Initiator der „AD Jail Crew“ („Aryan Division“) ist der langjährig bekannte Neonazi Bernd T. (Jg. 1974) aus dem hessischen Kassel. T., als Nummer 115 auf der 129-köpfigen Liste der Sicherheitsbehörden zu möglichen Kontaktpersonen des NSU, ist unter anderem wegen Tötung eines Obdachlosen vorbestraft und gegenwärtig in anderer Sache im hessischen Hünfeld inhaftiert.

Im Oktober 2012 gab T. – vom Knast aus – in einem Rocker-nahen Szene-Blatt kund: „Wir sind eine wilde Horde aus den verschiedensten Clubs aus dem gesamtdeutschen Raum (mittlerweile auch darüber hinaus), die EINES gemeinsam haben – z. Zt. der staatlichen Willkür ausgesetzt, da ALLE (noch) in Haft sitzen.“ T. weiter: „Da wir die Schnauze voll von sog. Gefangenenhilfsorganisationen haben ... wurde die ‘AD‘ als Alternative von und für Brüder & Schwestern am 20.04.2012 in der JVA Hünfeld ins Leben gerufen.“ Als Kontaktadresse gab T. seine Haftadresse JVA Hünfeld an.

„Drinnen wie draußen – eine Gemeinschaft“

T. zufolge will seine Organisation Kontakt zu Gefangenen in den Haftanstalten mehrerer Bundesländer aufgenommen haben; darunter sind die Städte Kassel, Fulda, Weiterstadt, Frankfurt, Leipzig, Dresden, Tonna, Hamburg, Kiel, Burg, Brandenburg, Magdeburg, Stuttgart. Gelsenkirchen, Butzbach, Torgau und Saarbrücken. Als „Zeichen der Verbundenheit“ dieser Neonazi-Rocker-Melange fungiert ein Adler im Sturzflug, der in seinen Krallen die Szene-Ziffer „14“ hält. Bis „auf ein paar Ausnahmen“ ist bei der Knast-Truppe „jeder willkommen“. In seinem Gründungsaufruf gab sich T. ganz pathetisch: „Drinnen wie draußen – eine Gemeinschaft!“

Der Hardcore-Neonazi T. ist Gründer der gewaltbereiten Kasseler Neonazi-Gang „Sturm 18“. 2002 forderte er auf der Homepage des „Sturm 18“: „Zu den Waffen, Kameraden, und zwar gleich.“ Kurz danach stürmten SEK-Beamte die Wohnung T.s und beschlagnahmten eine Schreckschusswaffe mit durchgebohrtem Lauf und umfangreiches Neonazi-Propagandamaterial.

Die Lücke nach dem Verbot der HNG füllen

Bundesweite Schlagzeilen lieferte der Neonazi erstmals im Februar 2000. Bei einer Wohnungsdurchsuchung bei T., der damals im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg wohnhaft war, entdeckte die Polizei bei dem Aktivisten der „Kameradschaft Nordmark“ neben zum Teil gefährlicher Übungs- und Manövermunition auch ein panzerbrechendes Geschoss, Leuchtspurmunition, diverse Schachteln scharfe Winchester- und Pistolenmunition, einen Bolzenschussapparat sowie zwei Schreckschusspistolen. Ein Teil der Munition stammte aus Bundeswehrbeständen. Zuletzt geriet T. im Zuge der Berichterstattung zu den Mordtaten des NSU in die Schlagzeilen. Am 6. April 2006 wurde in Kassel Halit Yozgat (Jg. 1985) ermordet.

Die „AD Jail Crew“ scheint wie die so genannte „Gefangenenhilfe“ die Lücke füllen zu wollen, die nach dem Verbot der Neonazi-Knasttruppe „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG) im September 2011 entstanden ist. Auch T. wurde nach seiner Verurteilung wegen Tötung eines Obdachlosen von der HNG betreut.

Szene-Kennern ist die von T. initiierte Knasttruppe allerdings schon länger bekannt. So stellte im Februar Kerstin Köditz, Sprecherin der sächsischen Linksfraktion für antifaschistische Politik, eine Kleine Anfrage (5/11087) an den dortigen Innenminister und fragte, welche Informationen über die „AD Jail Crew“, so der Name des Netzwerkes, der Staatsregierung vorliegen würden. Lapidare Antwort der Staatsregierung: Keine.
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