Militär im Widerstand

Von der Bürgerwehr zum „Veteranen-Pool“: Anhänger der vor allem auf Telegram aktiven Gruppe trafen sich zu einem konspirativ organisierten Biwak in Thüringen.

Freitag, 24. September 2021
Otto Belina und Nils Heinrich

Das Biwak sei ein „voller Erfolg“ gewesen. Begeistert zeigen sich Mitglieder der Telegram-Gruppe „Veteranen-Pool“ nach einem mehrtägigen Treffen unter Gleichgesinnten in der Nähe von Eisenach am letzten Wochenende. Zwischen 30 und 40 Militärfans versammelten sich auf einem Gelände mit Unterständen und Buden zwischen Wandersleben und Wechmar. Einziger Programmpunkt für den Samstag: Erste Hilfe.

Viele trugen Tarnkleidung und reisten mit Wohnmobilen oder Zelten an. Sie kamen aus dem thüringischen Unstrut-Hainich und Meiningen, aus Bayern, Brandenburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Der „Veteranen-Pool“ beansprucht für sich, ehemalige Angehörige der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee (NVA) zu vereinen und sich an die Spitze von Corona-Demonstrationen stellen zu wollen. Ganz so harmlos wie sie erscheinen möchten, könnte es nicht zugehen. Denn der Reservistenverband der Bundeswehr warnte vor dem "Veteranen-Pool“, das Verteidigungsministerium distanzierte sich.

„Soldatisches Bewusstsein“

Ende April 2021 wurde der Aufruf, dem Veteranen-Kanal beizutreten, 210.000 Mal „durch die Kanäle unterschiedlicher Verschwörungsideolog*innen und Querdenken-Gruppen gejagt“ recherchierte das Informationsportal Belltower News. Demnach soll die Mitgliederzahl in nur wenigen Tagen auf über 12.000 Mitglieder angewachsen sein. Die selbsternannten Ordnungshüter wollen bei Demonstrationen von Corona-Leugnern und VerschwörungsaktivistInnen schützend die Vorhut bilden.

Ihr Vorbild sind militärisch geprägte Gegner von Corona-Maßnahmen in den Niederlanden. Nicht alle waren wirklich bei Bundeswehr oder NVA, appelliert wird jedoch an ein „soldatisches Bewusstsein“ und an aktive SoldatInnen. Laut Tagesspiegel trat auch AfD-Politiker Daniel Freiherr von Lützow der Gruppe bei, prahlte mit seiner Bundeswehrzeit.

Organisator zuvor im Fluteinsatz in Rheinland-Pfalz unterwegs

Aufgrund der hohen Nachfrage zu Beginn wurden eiligst Ländergruppen eingerichtet, deren lokale Untergruppen allerdings möchte man nun nach dem Biwak in Thüringen wieder auflösen. Das allzu kleinteilige Agieren deutscher Militärfans scheint sich nicht bewährt zu haben. Warum das Lager dennoch als „Erfolg“ gewertet wird, bleibt offen. Organisiert wurde das Camp rechter Militärfans von Tobias Sch. Sch. war im Fluteinsatz in Rheinland-Pfalz, das postet er bei Facebook. Dort sorgte der „Veteranen-Pool“ für Empörung, weil sie die Notlage viele Menschen für politische Zwecke zu nutzen drohten.

Der Mann, der sich als Security-Mitarbeiter präsentiert und gerne gespiegelte Sonnenbrillen trägt, trat bereits 2018 als Administrator einer dubiosen Facebook-Gruppe in Erscheinung, die für Beschäftigung im thüringischen Innenressort sorgte: „Sicherheit für Eisenach“. Diese Gruppe scharte bis 2019 über 2.000 virtuelle Mitglieder um sich und wurde medial sogar als Bürgerwehr gewertet. „Von Reaktionen im Notfall“ war die Rede. Es hieß: „Wir wollen euch die Unsicherheit nehmen und aufmerksam machen auf die Misstände unserer Stadt, die wir nur gemeinsam in den Griff bekommen. Habt ihr Probleme die ihr nicht der Polizei melden wollt aus zb. Angst, dann schreibt uns privat an und vielleicht schaffen wir zusammen eine Lösung.“

Anhänger der „Nationalen Befreiungsbewegung“ vor Ort

Weitere Besucher des Biwaks des „Veteranen-Pool“ sind Anhänger der „Nationalen Befreiungsbewegung“ aus Russland (DEU-NOD). Zu den Putin-Fans zählt „Sven Georg“, wie sich der Mann mit Brille und Igelhaarschnitt im Netz nennt. Die Großdemonstration aus dem „Querdenken“-Spektrum besuchte er mit schwarz-orange-farbenen Flaggen und einer Gruppe von Anhängern.

Beim Lager trägt auch er Tarnkleidung.„Guten Morgen Kameraden, (…) habe gedient 86-90 OHS Zittau. (…) Veteranen stehen zu ihrem Vaterland“, schrieb „Georg“ in dem Telegram-Kanal und ergänzte: „Dies ist der Rekrutierungspool für unsere Garde. Es kommt nur weiter, wer gedient hat.“ Blogger der „Nationalen Befreiungsbewegung“, Markus Lowien, hatte sich frühzeitig für den „Veteranen-Pool“ interessiert und immer wieder thematisiert. Die DEU-NOD klinkt sich bei regionalen „Querdenken“-Spaziergängen ebenso ein, wie bei Protestenfahrten von Landwirten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung.

Über Inhalte der „vielen Unterhaltungen“, die in Thüringen geführt worden seien, schweigt sich die Gruppe aus. „Natürlich verzichten wir auf Fotos von Personen und nicht bereits bekannten Fahrzeugen“, heißt es und als Ergänzung: „Der neugierigen Polizeistreife nochmal ein Dankeschön für die unkomplizierte Kommunikation.“

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