Vereinsinterne Querelen
Michael Stürzenberger droht der Rauswurf
Der islamfeindlichen „Bürgerbewegung Pax Europa“ droht die Zerreißprobe. Es geht um nichts Geringeres als um die Frage, ob es mit ihrem bekanntesten Akteur weitergeht oder nicht. Der Vorstand soll mehrheitlich das Aus von Michael Stürzenberger in die Wege leiten. Der wiederum will die erst im Dezember gewählte Vereinsspitze absetzen. Eine erste Kraftprobe am Wochenende wurde abgeblasen.
Alles schien wie sonst. Als in Würzburg bekannt wurde, dass die islamfeindliche „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) für den vergangenen Samstag einen Saal im Congress-Centrum Würzburg (CCW) angemietet hatte, riefen zivilgesellschaftliche Gruppen zum Protest gegen die Veranstaltung auf, mit den üblichen fragenden Blicken, warum überhaupt an die in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation vermietet wurde. Draußen vor der Tür wäre also alles wie üblich gewesen. Nur im Saal wäre es nicht um die einseitige Sicht auf die Weltreligion gegangen, sondern es wäre eine Krisensitzung gewesen. Verhindert wurde sie schließlich durch den Verein selbst.
Wie Irfan Peci, selbsternannter „Islamistenjäger“ und Kian Kermanshahi, wie Peci Ex-Muslim, vergangene Woche in Videos öffentlich machten, war die Veranstaltung in Würzburg als außerordentlichen Mitgliederversammlung der BPE gedacht gewesen, initiiert von Michael Stürzenberger. Der soll sich mit dem erst am 3. Dezember vergangenen Jahres gewählten Vorstand zerstritten haben. Die Mehrheit in der Spitze des Vereins – genannt werden hier als Gegenspieler Günter Geuking und Michael Höhne-Padberg, soll den Ausschluss Stürzenberger aus dem Verein im Sinn haben. Damit würde er auch den Zugriff auf das über die Organisation beschaffte Demonstration-Equipment verlieren. Grund dafür soll ein Richtungsstreit um das zukünftige Auftreten der BPE sein. Peci wirft der Vereinsspitze vor, sich mit der Organisation aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und ganz auf interne Veranstaltungen, Flyer und Broschüren setzen zu wollen. Stürzenberger setzt dagegen auf seine aggressiv-kämpferischen Straßenkundgebungen.
„Hate-Speech“-TV
Diese Auftritte sind geprägt von direkten Angriffen auf das Selbstverständnis von Muslimen und Gegendemonstranten aus dem politisch linken Spektrum, etwa, indem er den Begriff „Sozialisten“ im Wort „Nationalsozialisten“ besonders betont. Zudem reklamiert Stürzenberger die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ für sich. Er bezeichnet öffentlich den Koran als schlimmer als „Mein Kampf“. Sein Ziel ist es dabei, die aufgebrachten Gegner in Diskussionen zu verwickeln und im Livestream vorzuführen. Dabei hilft ihm seine jahrelange Erfahrung, die Herrschaft über das Mikro und die vorherige Emotionalisierung der Diskutanten. Steigt vor Ort niemand auf seine Provokationen ein, beschimpft er schon mal schnell vorbeigehende Passanten für ihr Desinteresse. Der Schwerpunkt der Agitation liegt dabei nicht auf dem Publikum vor Ort, sondern im stets angebotenen Livestream. Die Kundgebungen betreibt er mit Hilfe eines Kernteams, das ihn quer durch die Republik begleitet. Die BPE soll aktuell angeblich über 1.600 Mitglieder verfügen, der Jahresbeitrag für Erwachsene beträgt 50 Euro.
Neben Stürzenberger sollen wohl auch Irfan Peci und weitere Mitstreiter Stürzenbergers ausgeschlossen werden. Denen wird zur Last gelegt, sich negativ über die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien geäußert zu haben, was bestritten wird. Ein Artikel im rechten Hetzblog „PI News“ nennt weitere Personen, die den Verein angeblich verlassen sollen: der Ehrenpräsident Willi Schwendt und der ehemalige Vorsitzende René Stadtkewitz, zuvor aktiv in der CDU und Die Freiheit.
Markus Haintz involviert?
Um den wohl drohenden Ausschluss abzuwenden, lud Stürzenberger angeblich zusammen mit vier Landesverbänden zu eben jener außerordentlichen Mitgliederversammlung nach Würzburg ein. Ziel war es, den erst am 3. Dezember letzten Jahres gewählten Vorstand abzusetzen. Schon vorher wurde verbreitet, dass der Vorstand die Mitgliederversammlung nicht akzeptieren würde. Zudem wurden gerichtliche Schritte eingeleitet, die dazu führten, dass die Veranstaltung gerichtlich zunächst untersagt wurde, wie die in Würzburg ansässige Main-Post veröffentlichte. Das Congress-Centrum nahm die Entscheidung des Amtsgerichts Münchens zum Anlass, die Räume wieder zu kündigen.
Wie nun Stürzenberger im Nachgang berichtet, soll der Grund in der für ihn negativen Entscheidung der Münchner Amtsrichter darin begründet sein, dass eine von ihm und seinen Mitstreitern Mitte Februar veranlasste Schutzschrift nicht vorlag. Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung. Sie sind beim zentralen Register am Oberlandesgericht Frankfurt einzureichen und gelten dann für alle deutschen Gerichte. Erstellt wurde diese Schutzschrift wohl von der Kanzlei des bekannten Querdenker-Aktivisten Markus Haintz. Jedenfalls hält Stürzenberger in dem Video ein Schriftstück mit dessen Briefkopf in die Kamera. Warum sie der Richter nicht abrufen konnte, ist Stürzenberger nicht bekannt.
Er behauptet nun weiter, der Münchner Amtsrichter wäre bereit gewesen, auf Basis der Schutzschrift grünes Licht für die außerordentliche Mitgliederversammlung zu geben. Voraussetzung dafür sei aber eine Raumzusage in Würzburg gewesen. Das CCW wollte aber nicht erneut an Stürzenberger vermieten, eine andere Location sprang laut Video wohl zwischenzeitlich auch ab. Nach einer telefonischen Zusage, ein Angebot zu übermitteln, sprangen die Vermieter wohl ab, nachdem sie sich im Internet über die BPE und deren Zielrichtung informiert hatten. Dies sei mit ihren Ansichten und Überzeugungen nicht vertretbar, zitiert Stürzenberger das Telefonat. Orte außerhalb der unterfränkischen Universitätsstadt kamen nicht in Frage, weil die Einladung vom Januar sonst anfechtbar gewesen wäre und alle gefassten Beschlüsse damit nichtig. Stürzenberger traf sich dann wohl mit laut eigenen Angaben 70 Gleichgesinnten zum informellen Austausch in Wertheim. Die Auseinandersetzung ist somit nur aufgeschoben. Vier der sechs überhaupt noch aktiven Landesverbände aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und „Nord“ sollen angeblich auf Stürzenbergers Seite stehen.
Ausweitung auf Österreich, nur radikaler
Inzwischen kündigt der in Wien lebende Peci an, das aggressiv-kämpferische Kundgebungskonzept nach Österreich übertragen zu wollen und wirbt dafür um Spenden. Er sieht in der Alpenrepublik angeblich bessere Bedingungen als in Deutschland. Die dortige Bevölkerung sei, so Peci, ganz in der Diktion der extremen Rechten, nach 1945 nicht so stark „umerzogen“ worden und „patriotischer“. Zudem rechnet er mit weniger Verfolgungsdruck aus Politik und Justiz. Inhaltlich sind ihm die Stürzenberger-Themen noch nicht radikal genug. Er will generell über „Massenzuwanderung“ reden, nicht nur die aus mehrheitlich islamischen Ländern und über den „Bevölkerungsaustausch“, wohl anknüpfend an die Verschwörungserzählung des „Great Replacements“, die vor allem von der Identitären Bewegung im deutschsprachigen Raum verbreitet wurde und auf die sich Rechtsterroristen häufig beziehen.
Ziel sei, so Peci weiter, mit Druck von der Straße die FPÖ in die Regierung zu bringen und den „Durchbruch“ zu erzielen: ein „Verbotsgesetz gegen den politischen Islam“. Dem sollten dann „De-islamisierungmaßnahmen“ folgen. Das erinnert stark an Stürzenbergers frühere Losung von „abschwören oder auswandern“, eine Forderung, von der er abgerückt sein will, weil sie stark vom Verfassungsschutz in Feld geführt wurde, als es um die Frage der Beobachtung ging. Wie üblich geht es bei solchen Bewegungsunternehmern nicht ohne Spendenaufruf.
Update 02.03.23
Mittlerweile kursiert ein Schreiben des Vereins „Bürgerbewegung Pax Europa“, das auch ENDSTATION RECHTS. vorliegt. Demnach betrafen die erwähnten Ordnungsmaßnahmen nicht die Ausrichtung, sondern die angeblichen Ungereimtheiten beim Vorstandswechsel. So sei im Zuge dessen eine interne Telegram-Gruppe zur Kommunikation des Bundesvorstands gelöscht worden. Der Verein betrachtet Stürzenberger als formal ausgeschlossen, würde seine Kundgebungen aber weiter unterstützen.