Mehr rechte Gewalt in Berlin
Opferberatungsstelle, Berliner Register und die Polizei haben ihre Zahlen für 2016 vorgestellt. Übereinstimmend wird von einer Zunahme rechter Gewalt in der Hauptstadt berichtet.
Die Opferberatungsstelle ReachOut präsentierte am heutigen Donnerstag die von ihr erfassten rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Gewalttaten in Berlin für das Jahr 2016. Die Einrichtung verzeichnete einen Anstieg rechter Gewaltdelikte und massiver Bedrohungen um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Erfasst wurden insgesamt 380 Angriffe und damit 60 Fälle mehr als 2015. Dabei wurden mindestens 553 Menschen verletzt, gejagt oder massiv bedroht. Das mit Abstand häufigste Motiv bei den Taten sei Rassismus mit insgesamt 233 Vorfällen gewesen.
Im Berliner Bezirk Mitte gab es demnach die meisten Gewalttätigkeiten (68 Fälle), gefolgt von Marzahn-Hellersdorf (50 Fälle) und Friedrichshain-Kreuzberg (40 Fälle). In Neukölln haben sich die Übergriffe im Vergleich zum Vorjahr mit 38 Vorkommnissen fast verdoppelt, was auch auf die rechte Anschlagsserie auf politische Gegner zurückzuführen sei. (bnr.de berichtete) „Es werden gezielt politisch engagierte Menschen durch Angriffe, Brandanschläge, Drohungen und Sachbeschädigungen eingeschüchtert“, stellt das Register Neukölln fest. Nicht nur die Gewalt im Bezirk nehme zu, sondern es sei mit 265 Vorfällen ein genereller Anstieg rechter Aktivitäten um 24 Prozent zu verzeichnen.
Zunehmende Radikalisierung der organisierten rechten Szene
Die Berliner Registerstellen, die neben direkten Angriffen auch alle anderen rechtsextremen Aktivitäten wie Veranstaltungen, Beleidigungen und Propagandavorfälle dokumentieren, haben ebenfalls ihre Ergebnisse am Donnerstag vorgestellt. Im Gegensatz zur Polizei erfassen die zwölf Einrichtungen auch Vorfälle jenseits der Strafbarkeitsgrenze in den jeweiligen Bezirken. Berlinweit wurden insgesamt 2677 Vorfälle mit rassistischen, extrem rechten und anderen diskriminierenden Hintergründen dokumentiert, 2015 waren es noch 1820. Bis auf Pankow sind demnach in allen Berliner Bezirken die entsprechenden Vorkommnisse angestiegen. Das Register Treptow-Köpenick hat mit 360 gemeldeten Vorfällen einen neuen Höchststand seit seinem Bestehen erfasst und sieht eine zunehmende Radikalisierung der organisierten rechten Szene. Ausschlaggebend dafür sei nicht nur eine Vielzahl neonazistischer Propaganda, sondern auch, dass die rassistischen Übergriffe „zum Teil noch brutaler waren als im Vorjahr“.
Bereits am Montag hat der Berliner Innensenator Andreas Geisel neben der polizeilichen Kriminalstatistik die Zahlen des Landeskriminalamts zu den rechtsextremen Straftaten präsentiert. Demnach gebe es bei den Gewalt-, Propaganda- und sonstigen Delikten mit 1588 Vorfällen einen leichten Rückgang um fünf Prozent, demgegenüber sei allerdings bei den Gewalttaten – insbesondere Körperverletzungen – mit 158 Delikten ein Anstieg um 10 Prozent zu verzeichnen. ReachOut begründet die Differenzen zu den polizeilichen Angaben zum einen durch unterschiedliche Einschätzungen der Tathintergründe, aber auch, weil die Beratungsstelle von Fällen erfährt, die nicht angezeigt werden.
Über 40 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte
Von der Berliner Polizei und der Beratungsstelle wurden im vergangenen Jahr über 40 Angriffe auf Asylsuchendenunterkünfte registriert, darunter ein Brandanschlag. Laut ReachOut seien oft die Bewohner der immer gleichen Unterkünfte Opfer von Anschlägen, Gewalttaten und Bedrohungen. Die zivilgesellschaftliche Organisation verweist auf die Unterkunft am Glambecker Ring in Berlin-Marzahn, wo ein Bewohner sogar mit Schusswaffe bedroht worden war.
Offenbar um auf solche Angriffe aufmerksam zu machen, haben unbekannte Aktivisten in der Nacht zu Mittwoch an zahlreichen Tatorten rechter und rassistischer Gewalt Plakate angebracht, die auf die Vorfälle hinweisen.