„Maximale Provokation“ im Wahlkampf

Mit Islamhetze konkurrieren „pro NRW“ und NPD um Wählerstimmen im Rechtsaußen-Spektrum. Bessere Chancen, die finanziell attraktive Ein-Prozent-Hürde zu überwinden, hat wohl die selbst ernannte „Bürgerbewegung“, die mit ihren „Mohammed-Karikaturen“ plangemäß für Aufmerksamkeit sorgt.

Freitag, 11. Mai 2012
Tomas Sager

„Pro NRW“ war dank der tätigen Mithilfe gewalttätiger Salafisten fast eine Woche lang in den Schlagzeilen, da dämmerte es den Verantwortlichen der nordrhein-westfälischen NPD offenbar, dass sie im Wahlkampf aufs falsche Thema gesetzt hatte. Mit einem Aktionstag unter dem Motto „Raus aus dem Euro!“ war die Partei in die heiße Wahlkampfphase gestartet. Fürs Fernsehen hatte sie einen Spot gegen die Währungsunion produziert. Mit Eselsmasken liefen Mitglieder durch die Fußgängerzonen, vor sich ein Plakat: „Ich Esel glaube, dass der Euro uns Deutschen nutzt.“ „Wir arbeiten – Brüssel kassiert“, hieß es auf einem Transparent, das bei Kundgebungen gezeigt wurde.

Für drei Tage kam Parteichef Holger Apfel ins einwohnerstärkste Bundesland, um die Kampagne zu unterstützen. Bei neun Mini-Kundgebungen trat er zwischen Niederrhein und Ostwestfalen auf. Doch die Resonanz war annähernd null. Einfallslos dümpelte der Wahlkampf der NPD vor sich hin. Nicht einmal in den Internetforen der Szene mochte sich Begeisterung entwickeln. Nur ein einziges Mal gelang es der NPD, die Konkurrenz im Spektrum der extrem rechten Parteien wenigstens etwas auszustechen: als die NPD ankündigte, man könne bei ihr online „Illegale und kriminelle Ausländer“ melden. Doch auch dieser „Coup“ war keiner; anderntags war der Vorstoß schon wieder vergessen.

„Salafistische Gefahr stoppen – Deutschland uns Deutschen!“

Kurzfristig sattelte die NPD thematisch um. Fünf Tage vor der Wahl kündigte sie „großflächige Flugblattverteilungen im Umfeld der Steinzeitislamisten“ an. Den Eindruck, dass sich die NPD an eine Kampagne von „pro NRW“ gegen militante Salafisten anhängte, versuchte die Partei auszuräumen: Schon 2010 habe man doch in Mönchengladbach gegen den Bau einer „sog. ,Islamschule’ der berüchtigten Salafisten demonstriert und vor den drohenden Gefahren gewarnt“, hieß es. Im Wahlkampfendspurt greife die „soziale Heimatpartei“ dieses Thema nun erneut auf. Doch es wirkte wie ein letztes verzweifeltes Aufbäumen gegen die Kontrahenten im eigenen Lager, als die NPD avisierte, in Hochburgen militanter Islamisten wie etwa Bonn oder Solingen Flugblätter mit der Überschrift „Salafistische Gefahr stoppen – Deutschland uns Deutschen!“ verteilen zu wollen.

Dort, in Solingen und Bonn, war die selbst ernannte „Bürgerbewegung pro NRW“ zu diesem Zeitpunkt im Rahmen ihrer „Freiheit statt Islam“-Kundgebungstournee vor 25 nordrhein-westfälischen Moscheen bereits längst zu Gast gewesen. 22 Mal gelang es der Partei bei der Tour, zumindest regional Schlagzeilen zu produzieren. Dreimal gleich schaffte man sogar den Sprung in überregionale Medien. Zu verdanken hatte das „pro NRW“ gewalttätigen Salafisten-Gruppen. In Solingen wollten sie am 1. Mai auf die „pro NRW“-Wahlkämpfertruppe, die mit „Mohammed-Karikaturen“ in ihre Richtung winkte, losgehen. Erwartungsgemäß traf es nicht die Rechtspopulisten, als Steine flogen, sondern Polizeibeamte, die zwischen beide Lager gingen, und einen unbeteiligten Passanten, die verletzt wurden.

Konfrontation mit den Gegendemonstranten gesucht

Das Schauspiel, das wie ein verabredeter Krawall wirken konnte, wiederholte sich am Samstag in Bonn. Zwar hatte die Polizei einiges unternommen, um Auseinandersetzungen zu verhindern. Doch nicht genug, wie sich herausstellen sollte. Fahrzeuge hatten die Beamten zwischen beiden Gruppen platziert – auch als Sichthindernis. Doch davon ließen sich die Wahlkämpfer auf „pro NRW“-Seite in ihrem Bemühen, die Gegenseite bis zur Weißglut zu reizen, nicht abschrecken. Einer von ihnen kletterte auf die Schultern eines anderen, um eine jener „Mohammed-Karikaturen“ über die Fahrzeuge hinweg – triumphal-herausfordernd für die radikalen Salafisten gegenüber – gut erkennbar in die Luft zu recken. Was erwartet worden war, geschah dann zuverlässig. Wieder folgen Steine in Richtung der „pro NRW“-Kundgebung. Wieder traf es Polizisten. Zwei von ihnen wurden gar durch Messerstiche schwer verletzt. „Radikale unter sich“ titelte „Spiegel Online“ mit Blick auf Rechtspopulisten und militante Salafisten.

Das Konzept von „pro NRW“, mit einem Minimum an finanziellem und personellem Einsatz – an den meisten Veranstaltungen der antiislamischen Tournee nahm gerade einmal ein Dutzend Wahlkämpfer der selbst ernannten „Bürgerbewegung“ teil – für ein Maximum an Aufmerksamkeit zu sorgen, ging auf. Zum Ende der Kundgebungsserie am Dienstag in Köln waren rund zwei Dutzend „pro NRW“ler gekommen, aber mindestens doppelt so viele Vertreter von Medien. Beiträge in den Hauptnachrichten von ARD und ZDF, im regionalen Fernsehen ohnehin und in überregionalen Zeitungen: Aus Sicht der „pro NRW“-Oberen um ihren Vorsitzenden Markus Beisicht, Generalsekretär Markus Wiener und „Öffentlichkeitsarbeiter“ Andreas Molau dürfte das Wahlkampfkonzept, das als „maximale Provokation“ und „bis an die Schmerzgrenze“ angekündigt worden war, aufgegangen sein.

Einer, der sich in diesem Wahlkampf nicht nur „bis an die Schmerzgrenze“, sondern auch darüber hinaus hervorgetan hat, war Lars Seidensticker, der Berliner Landeschef und Bundesgeschäftsführer von Manfred Rouhs’ ebenfalls rechtspopulistischer Partei „pro Deutschland“. Er fungierte als einer der Organisatoren und Hauptredner der Antiislam-Veranstaltungsreihe (bnr.de berichtete). Immer wieder suchte Seidensticker unterwegs die Konfrontation mit Gegendemonstranten. Er sei, so lobte ihn der „pro“-Chef Markus Beisicht am Ende in Köln, wohl der „mutigste Mensch Deutschlands“ und ein „Held“. Mindestens das Bundesverdienstkreuz habe er verdient. Gut möglich, dass er sich mit seinem Wahlkampfeinsatz zwar nicht einen Orden verdient hat, aber einen Job bei einer der „pro NRW“-Ratsfraktionen. Er wäre nicht der erste aus den Reihen der „Bürgerbewegung“, der auf diese Art und Weise durch kommunale Mittel alimentiert würde.

NPD vor erneutem Debakel

Von solchen Möglichkeiten, eigene „Aktivisten“ zu belohnen, kann die NPD in NRW aktuell nur träumen. Auch von der Ein-Prozent-Marke, die zur Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung berechtigt, ist sie weit entfernt. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein vor einer Woche hat die NPD mehr als ein Drittel der Stimmen verloren, verglichen mit der vorigen Landtagswahl. Würde sich ein ähnliches Ergebnis in NRW wiederholen, käme die NPD, die 2010 gerade einmal 0,7 Prozent erreichte, nur noch auf ungefähr 0,5 Prozent – ein absolutes Debakel, das die Konflikte in der Partei noch einmal verschärfen und Apfels Konzept einer „seriösen Radikalität“ weiter in die Kritik bringen würde.

„Pro NRW“-Chef Markus Beisicht gibt sich derweil zuversichtlich. 1,4 Prozent holte die Partei 2010. „Ich rechne nun auf jeden Fall mit einer Überraschung nach oben“, erklärte er am Donnerstag im Interview mit Deutschlands größtem Islamhasser-Blog „Politically Incorrect“. Die Chancen seiner Partei, jene Ein-Prozent-Marke zu überschreiten, dürften jedenfalls deutlich besser sein als die der NPD. Das würde „pro NRW“ zumindest jährlich mehr als 100.000 Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung bescheren. 

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