Martialisches Neonazi-Event

Am Samstag soll im sächischen Ostritz die Veranstaltungsreihe „Kampf der Nibelungen“ fortgesetzt werden  –  das braune Kampfsport-Spektakel ist über die Jahre erheblich gewachsen.

Mittwoch, 10. Oktober 2018
Horst Freires

Die seit 2013 jährlich im Herbst praktizierte Veranstaltungsreihe unter dem Namen „Kampf der Nibelungen“ (KdN) findet am 13. Oktober im sächsischen Ostritz ihre Fortsetzung. Anfangs wurde lange Zeit nur „Mitteldeutschland“ beworben. Dann sickerte schließlich doch durch, dass der Betreiber des „Hotels Neißeblick“ in dem nicht einmal 3000 Einwohner zählenden Ort im Landkreis Görlitz das braune Kampfsport-Spektakel auf seinem Grundstück möglich macht.

Nach dem gerade erlebten Veranstaltungsdebakel rund um das Rechtsrock-Meeting „Rock gegen Überfremdung“ am vergangenen Wochenende im thüringischen Apolda stehen die Organisatoren aus dem Umfeld von „Hammerskins“ und der Partei „Die Rechte“ unter Druck, um zu beweisen, dass sie eine Großveranstaltung für ihre Szene auf die Beine stellen können. Die hiesigen Anfänge in Sachen Kampfsport wurden anfangs noch belächelt, weil im Ausland schon längst größere internationale Turniere aus der Neonazi-Szene ausgetragen wurden. Pioniergeist auf dem Gebiet ist der beinahe kometenhaft aufgestiegenen russischen „White Rex“-Bewegung zu attestieren, die rund um ihre ursprünglich aus Moskauer Hooligan-Kreisen kommende Führungsfigur Denis Nikitin ihren Namen als etablierte Größe zementiert hat. Vor allem werden über ein gleichnamiges Bekleidungslabel mit Kampfsport-kompatiblen Accessoires im Angebot auch nachhaltig und erfolgreich internationale Geschäftsinteressen verfolgt.

Internationale Schlüsselrolle von „White Rex“

In diesem Jahr ist die im August 2008 gegründete Marke „White Rex“ offiziell mitveranstaltender Partner beim „Kampf der Nibelungen“, im Vorjahr war sie nur Sponsor. Nikitin spricht fließend Deutsch und ist hierzulande sehr gut vernetzt. Er gab im 2017 Kampfsporttraining für den NPD-Nachwuchs in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Kontakte mit rechts gerichteten Fußball-Hooligans pflegt er in Dortmund und Köln. Im Vorjahr hielt er beim „Rock gegen Überfremdung“ in Themar eine kurze Rede und im Herbst tauchte er sogar persönlich im Gasthof des Thüringer Neonazis Tommy Frenck auf. Für das Jahr 2018 ist sein Trainingsangebot für Neonazis im Grevesmühlener „Thinghaus“ (Nordwest-Mecklenburg) bekannt. Der ukrainische Kenner der Hooligan-Szene, Pavel Klymenko, berichtet, dass Nikitin auch bereits Unterricht im Messerkampf gegeben haben soll.

Andere Labels werden aus Merchandise-Gründen aktuell ebenfalls in Ostritz vertreten sein, agieren als Unterstützer oder schicken sogar eigene Kämpfer in den Ring für die MMA-Duelle (Mixed Martial Arts), ins K1-Geschehen oder zum Boxen. Längst hat sich die Szene internationalisiert. Kämpfer aus der Schweiz, Frankreich, Polen, Russland oder Bulgarien stehen auf den Teilnehmerlisten. Regelmäßige Events gibt es in neben den bereits aufgezählten Ländern zudem in Portugal, Italien, Ungarn, Griechenland oder in der Ukraine. Und immer wieder nimmt „White Rex“ eine Schlüsselrolle ein. Egal ob es darum geht, die „Casa Pound“-Bewegung mit ihren Kampf-Veranstaltungen in Rom zu pushen, oder in Lyon französischen „Blood&Honour“-Strukturen zur Seite zu stehen.

MMA-Aktive aus den USA beim „Schild & Schwert“-Festival

Längst existieren Verbindungen zwischen europäischen Neonazi-Kämpfern und ihresgleichen in den USA. Dort gibt es MMA-Aktive aus dem Alt Right-Spektrum, die unter dem Namen „Rise Above Movement“ (RAM) unterwegs sind. Einer der bekanntesten von ihnen ist der 25-jährige Benjamin Drake Daley, der Anfang des Monats wegen Rädelsführerschaft bei den rassistischen Ausschreitungen im Vorjahr von Charlottesville von der Polizei festgenommen wurde. Er begleitete dieses Jahr schon die RAM-Weggefährten Robert Rundo und Robert Smithson, die beide beim Kampfprogramm des „Schild & Schwert“-Festivals am 20./21. April in Ostritz ins aufgebaute Seilgeviert stiegen. Im Übrigen kehrte Rundo von seinem Europa-Trip mit neuen Tattoos in seine kalifornische Heimat zurück, darunter eine „8“-Tätowierung auf jeder Schulter. 

Ihre Teilnahme am 13. Oktober in Ostritz haben auch Kämpfer aus dem Umfeld der in diesem Jahr erstmals stattgefundenen „Tiwaz“-Veranstaltung beteuert. Diese fand am 9. Juni konspirativ vorbereitet in der kleinen Gemeinde Grünhain-Beierfeld im Erzgebirge statt. Beteiligt dort bei rund 250 Anwesenden war  unter anderem auch der Dortmunder Alexander Deptolla für die Interessen von „Kampf der Nibelungen“ sowie Nikitin von „White Rex“.   

KdN-Duelle bereits im April in Ostritz

Trafen 2013 nicht einmal 150 Kämpfer und Besucher beim „Kampf der Nibelungen“ (KdN) zusammen, als der Event-Titel noch „Ring der Nibelungen“ lautete, hat sich die Zahl der involvierten Aktivisten rund um das braune Spektakel mittlerweile mehr als vervierfacht. Jahr für Jahr war es bis dato schwierig, eine konspirativ ausgeguckte Austragungsstätte zu besorgen. Das ist mit Ostritz in diesem Jahr anders, weil dort bereits andere Veranstaltungen der rechtsextremen Szene stattgefunden haben, allen voran das „Schild & Schwert“-Festival von NPD-Bundesvize Thorsten Heise. Eingebettet in das zweitägige Programm dort waren bereits einige ausgewählte KdN-Duelle. Und auch für das abermalige Festival am 2 und 3. November lautet einer der Programmpunkte des ersten Tages: „Kampf der Nibelungen“.

Auf das nun anstehende Kampfmeeting wurde vor einigen Tagen noch durch einen Videobeitrag von Frank Krämer hingewiesen. Der langjährige Rechtsrock-Musiker (unter anderem bei „Stahlgewitter“) besuchte dafür die Kampfsportschule in Vettelschoß (Landkreis Neuwied), in der 2013 und 2014 die „Nibelungen“- Kämpfer erstmals aufeinandertrafen. Einer der dortigen Trainer machte gar kein Geheimnis um seine Gesinnung und trug zum Interviewtermin ein „Stahlgewitter“-Shirt. Krämer tauchte mit seinem „Sonnenkreuz“-Versand zuletzt schon einige Male bei Kampfsport-Events auf. 2015 kamen die Teilnehmer im westfälischen Hamm zusammen, 2016 im hessischen Gemünden und im vergangenen Jahr im sauerländischen Kirchhundem.

Kader von „Die Rechte“ und „Der III. Weg“

Und rund um die wachsende braune Kampfsport-Szene tummeln sich bezogen auf Neonazi-Aktivitäten zum Teil hochrangige Namen. Beim „Kampf der Nibelungen“ war bisher stets die „Hammerskin“-Führungsfigur Malte Redeker als Ringrichter anzutreffen. 2016 und im Vorjahr war Christoph Drewer, Bundesvorstandsmitglied von „Die Rechte“ aus Dortmund, als Kämpfer beim KdN in Gemünden und Kirchhundem zu erleben. In einem unter dem Namen „Kampf der Nibelungen“ angetretenen Team ging im Juni 2017 Kai Zimmermann, hochrangiger Kader der Splitterpartei „Der III. Weg“, bei einem Turnier nahe Genf an den Start. Das wiederum passt offenbar ins Partei-Portfolio, gab es doch beim „Jugend im Sturm“-Treffen des „III. Wegs“ Anfang Juli im thüringischen Kirchheim auch ein kleines Kampfsport-Turnier. Kindern und Jugendlichen wird zudem in eigenen Räumlichkeiten in Plauen ein entsprechendes Training offeriert.

Und immer offenkundiger wird auch das Zusammenwirken zwischen Rechtsrock-Szene und braunem Kampfsport. Das dokumentiert sich am augenscheinlichsten an zwei Beispielen aus dem Bundesland Brandenburg mit Opos Records von Sebastian Raack und seiner Kampfsportmarke „Greifvogel Wear“ sowie Rebel Records von „Hausmannskost“-Sänger Martin Seidel und der Kampfsportmarke „Black Legion“. Einige Rechtsrock-Musiker trifft man inzwischen selbst als Kämpfer an, aber es gibt auch Kampfgruppen, die Security-Dienste bei Konzerten leisten.

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