„Marsch für die Freiheit“

Die rechtspopulistische „pro“-Bewegung verfolgt mit islamfeindlichen Aktionen in verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen nicht zuletzt das Ziel, überregional in den Medien präsent zu sein – an den Aktivitäten beteiligen sich zunehmend auch die Republikaner.

Mittwoch, 06. Oktober 2010
Tomas Sager

Ein Samstagmittag in den ersten Herbsttagen des Jahres 2010 in Leverkusen: Knapp 70 „pro NRW“-Mitglieder und -anhänger ziehen durch die engen Straßen des Leverkusener Stadtteils Wiesdorf. „Wir sind das Volk“, skandieren sie. „Pro NRW“ schreite von Erfolg zu Erfolg, wollen sie suggerieren. Tatsächlich vermittelt die selbst ernannte, rechtspopulistische „Bürgerbewegung“ eher den Eindruck, dass ihr Wachstum erst einmal stagniert. 15 Monate zuvor war sie schon einmal durch Leverkusen gezogen. 55 Demonstranten waren damals gezählt worden. Kaum merklich länger ist diesmal der Mini-Demonstrationszug – und das trotz der Tatsache, dass es „pro NRW“ in der Zwischenzeit gelang, in der Farbenstadt in Fraktionsstärke in den Stadtrat einzuziehen.

Und auch trotz der Tatsache, dass diesmal die Republikaner auf Bundesebene ebenfalls zur Teilnahme an der Demo eingeladen hatten. Bisher steht die vereinbarte Zusammenarbeit mit der REP-Spitze aber mehr oder weniger nur auf dem Papier. Eigentlich war für die Leverkusener Veranstaltung der Auftritt des stellvertretenden Republikaner-Vorsitzenden Stephan Stritter angekündigt worden. Doch der Stadtrat aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt war bei der Demonstration, zu der „pro NRW“ im Vorfeld „wenigstens 200 Teilnehmer“ erwartete, ebenso wenig zu sehen wie die ihn angeblich begleitende „Abordnung aus Mainz“. Eine Begründung dafür wurde nicht geliefert. Vorerst bleibt es dabei: „Pro NRW“ lebt unter anderem von vollmundigen Ankündigungen ohne Substanz.

In weiteren Städten Fuß fassen

So bleibt auch erst einmal abzuwarten, was aus den Plänen wird, in weiteren nordrhein-westfälischen Großstädten durch die Bildung von neuen Kreisverbänden oder durch eine intensivere Arbeit Fuß zu fassen. Vor allem solche Städte gehören dazu, in denen sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat, dass es dort ein für die extreme Rechte ansprechbares Wählerpotenzial gibt.

Dortmund gehört dazu, wo in der vorigen Wahlperiode die DVU in Fraktionsstärke im Rat vertreten war. Herne, lange Jahren die Republikaner-Hochburg in NRW, ist ein weiteres Beispiel. In Mönchengladbach gehörten noch bis zur Kommunalwahl im vorigen Jahr zwei NPD-Vertreter dem Stadtrat an. In den vier Duisburger Landtagswahlkreisen schließlich kam „pro NRW“ bei der Landtagswahl in diesem Mai auf deutlich über dem Landesdurchschnitt von 1,4 Prozent liegende Ergebnisse zwischen 2,9 und 4,6 Prozent – ohne dass es dort einen wirklich funktionierenden Kreisverband gegeben hätte.

Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten

Zugleich hofft die Truppe rund um den Leverkusener Rechtsanwalt Markus Beisicht, in den meisten dieser Städte an Themen anknüpfen zu können, die Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten sein könnten. In Dortmund ist dies der Bau eines islamischen Gemeindezentrums, in Duisburg die Tatsache, dass Oberbürgermeister Adolf Sauerland trotz der Katastrophe bei der Loveparade auf den Chefsessel im Rathaus nicht verzichten mag.

In Mönchengladbach will die extrem rechte „Bürgerbewegung“ von den Sorgen vieler Bürger profitieren, die sich gegen den Umzug einer umstrittenen und vom Verfassungsschutz als gefährlich eingestuften Islamschule in den Stadtteil Eicken wehren. Für den 9. Oktober ist dort eine Demonstration von „pro NRW“ und Bundes-Republikanern angekündigt, bei der auch der REP-Vorsitzende Rolf Schlierer sprechen soll.

Ein Platz in den Schlagzeilen

Als provokativ sollen die Aktivitäten in diesen Städten wahrgenommen werden und den Rechtspopulisten – wenn auch nur für kurze Zeit und lokal begrenzt – einen Platz in den Schlagzeilen verschaffen. Das Ziel, auch für längere Zeit und überregional in den Medien präsent zu sein, verfolgt „pro NRW“ mit dem für den 7. Mai nächsten Jahres in Köln angemeldeten „Marsch für die Freiheit“ gegen „gutmenschliche Meinungsdiktatur, ausufernde Political Correctness, Ausgrenzungen, Denkverbote sowie die schleichende Islamisierung und Überfremdung Europas“.

Der „Marsch“ quer durch die Innenstadt, zu dem „pro“ angeblich „wenigstens 2000 Teilnehmer“ erwartet, werde unterstützt „von erfolgreichen europäischen Rechtsdemokraten aus Österreich, der Schweiz, Flandern, Schweden, Spanien, Frankreich, Dänemark, Tschechien, Ungarn sowie dem europäischen Städtebündnis gegen Islamisierung“, kündigten die Rechtspopulisten an. Bisher sind die Versuche, solche Großveranstaltungen in der Domstadt aufzuziehen, stets gescheitert. Der erste „Anti-Islamisierungskongress“ im Frühjahr 2008 fiel komplett aus, da der Kundgebungsort von Gegendemonstranten blockiert wurde und die Polizei die Veranstaltung letztlich verbot. Zum zweiten „Kongress“ kamen ein Jahr darauf trotz vollmundiger Ankündigungen lediglich rund 200 Teilnehmer.

„Mobbingkampagne gegen die Pro-Bewegung“

Diesmal hat es „pro NRW“ bei der Vorbereitung mit einem Problem in den „eigenen“ Reihen zu tun. Die beiden Kölner „Anti-Islamisierungskongresse“ waren publizistisch durch das Internetportal „Politically Incorrect“ (PI) gepuscht worden. Der antiislamische Blog hat zwar auf die öffentliche Diskussion vordergründig kaum Einfluss, in den Reihen der Rechtspopulisten ist seine Wirkung mit mehreren zehntausend Zugriffen täglich aber nicht zu unterschätzen. PI hat die Unterstützung der „pro-Bewegung“ inzwischen eingestellt und orientiert sich mehr an der Parteineugründung des Berliner Ex-CDUlers Rene Stadtkewitz.

„Pro NRW“ hatte sich bereits im Sommer beklagt, dass „selbst in einigen islamkritischen Internetforen“ das „seriöse und grundgesetzkonforme Pro-Erfolgsmodell pauschal als gescheitert und unseriös abqualifiziert“ werde. „Von interessierter Seite“ werde „nun auch bei uns eigentlich nahestehenden Institutionen eine Art Mobbingkampagne gegen die Pro-Bewegung durchgeführt“, jammerte ihr Vorsitzender Beisicht.

Neuer Mitstreiter Andreas Molau

So ernst nahm man „pro NRW“ den Liebesentzug durch „Politically Incorrect“, dass die beiden Kölner „pro“-Ratsmitglieder Judith Wolter und Jörg Uckermann Mitte September gar einen „Offenen Brief“ an den PI-Gründer Stefan Herre richteten. PI habe „in seiner Berichterstattung die Arbeit der Pro-Bewegung unter die allseits bekannte Schweigespirale gelegt“, klagten sie – und das, obwohl man doch „in allen wesentlichen politischen Fragen immer auf einer Linie gelegen“ habe.

Einer der Streitpunkte in den Kommentarspalten von PI war das Engagement von Andreas Molau in den Reihen der „Bürgerbewegung“. Molau war im Mai als neuer Mitarbeiter der Leverkusener „pro“-Fraktion vorgestellt worden, der die Öffentlichkeitsarbeit „mit neuen Ideen unterstützend begleiten“ werde. Seither produzierte er vor allem Video-Beiträge und Interviews mit „pro“-Funktionären sowie längliche Texte für die Internetseiten der Rechtspopulisten.

An jenem Samstagmittag Ende September in Leverkusen ruft der „pro NRW“-Generalsekretär Markus Wiener den „neuen Mitstreiter“ ans Mikrofon. Er sei „Publizist, Schriftsteller, Journalist und ehemaliger Waldorfschullehrer“, stellt ihn Wiener vor und unterschlägt dabei einige nicht ganz unwichtige politische Stationen im Leben des Ex-NPDlers. „Liebe Freunde“, begrüßt Molau seine Zuhörer in Leverkusen. Jenes Publikum, das Molau bis vor eineinhalb Jahren regelmäßig vor sich hatte, hätte wahrscheinlich auf die Anrede „Kameraden!“ bestanden.

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