Marine Le Pen steht nicht über dem Recht

Laut einer Gerichtsentscheidung darf Marine Le Pen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht antreten. Ein Gericht macht deutlich: Sie steht nicht über dem Recht. Ausnahmen darf es auch für bekannte Politikerinnen in einem Rechtsstaat nicht geben. 

Ein Kommentar von Armin Pfahl-Traughber 

Mittwoch, 02. April 2025
Armin Pfahl-Traughber
Marine Le Pen und der Parteivorsitzende des RN, Jordan Bardella, als Kandidaten der letzen Europawahl. (c) O1559kip-stock.adobe.com
Marine Le Pen und der Parteivorsitzende des RN, Jordan Bardella, als Kandidaten der letzen Europawahl. (c) O1559kip-stock.adobe.com

Wie reagieren angebliche Anhänger von Law and Order, wenn sie selbst als Brecher von Law and Order überführt werden? Anschauungsmaterial dazu liefert der Blick nach Frankreich, wo Marine Le Pen eine Verurteilung wegen Veruntreuung erhielt. Sie gehört bekanntlich dem früheren „Front National“ und heutigen „Rassemblement National“ an. Für ihre Partei wollte sie 2027 zu den Präsidentschaftswahlen antreten. Nach einem aktuellen Gerichtsurteil wird daraus indessen nichts, denn sie erhielt eine Haftstrafe von vier Jahren, davon zur Bewährung zwei Jahre. 

Darüber hinaus verlor Le Pen das passive Wahlrecht, zwar nur für die nächsten fünf Jahre, was aber die erwähnten Präsidentschaftswahlen einschließt. Ihr wurde die Beteiligung an illegalen Geldumleitungen nachgewiesen, bestand doch jahrelang bei den EU-Abgeordneten der Partei ein solches System. Mitarbeiter erhielten einschlägige Scheinarbeitsverträge, sie waren dann aber nicht für das Parlament, sondern für die Partei tätig. Der Eurobetrag machte mehr als vier Millionen von Steuergeldern aus. 

Keine Einsicht in Fehlverhalten und Rechtsbrüche

Eine Einsicht in ihr Fehlverhaltens wurde während der ganzen Gerichtsverhandlung bei Le Pen nicht wahrgenommen, vielmehr artikulierte sie vor und nach der Entscheidung gegenüber dem französischen Justizwesen immer wieder ihre Missachtung. Die genaue Begründung hörte sie sich noch nicht einmal an, verließ sie doch vorschnell den Gerichtssaal. Später beklagte Le Pen ein angeblich politisch motiviertes Urteil. Man habe eine „Atombombe“ gegen sie gezündet, es handele sich um eine „totale Vergewaltigung des Rechtsstaats“. 

Ihre Anhänger stimmten einschlägigen Deutungen zu. Jordan Bardella, der Parteivorsitzende, sprach von einer „Tyrannei der Richter“. Aber auch diverse Gesinnungsfreunde aus anderen Ländern kommentierten in ähnlicher Weise: Man habe eine politische Konkurrentin ausschalten wollen, handele es sich doch um Frankreichs gegenwärtig populärste Politikerin. Die einschlägigen öffentlichen Bekundungen reichten von Giorgia Meloni über Viktor Orban, Mario Salvini und Donald Trump bis zu Geert Wilders.

Geringschätzung eines unabhängigen Justizwesens

Bemerkenswert ist bei all diesen Aussagen, dass die eigentlichen Gründe für die Verurteilung nicht relevant waren. Dazu gab es auch eine ausführliche Begründung mit einschlägigen Belegen durch das Gericht, wobei viele Details für den Rechtsbruch und seine Systematik veranschaulicht wurden. Deren inhaltliche Ignoranz steht auch für ein besonderes Rechtsstaatsverständnis. Denn hinter den vorgetragenen Auffassungen lässt sich gegenüber einem unabhängigen Justizwesen eine tiefgründige Missachtung erkennen. 

Diese Grundhaltung wird durch einen Umkehrschluss erkennbar: Nicht das Gesetz sollte über der Politikerin stehen, sondern sich ihr und dem prognostizierten Wählerwillen unterwerfen. Blickt man auf die erwähnten Namen der ausländischen Unterstützer, so ist dies auch deren eigene Grundeinstellung bezogen auf ein autoritäres Staatsverständnis. Bekanntlich ist der erste Angriffspunkt, der die politische Entwicklung hin zur Erosion des demokratischen Verfassungsstaates vorantreiben soll, eine geschwächte unabhängige Justiz.

Gegen eine schleichende Erosion des Rechts

Auch für die gesellschaftliche Debatte wäre dieser Fall ein relevantes Musterbeispiel dafür, dass die Bedeutung rechtsstaatlicher Prinzipien nicht zugunsten politischer Rücksichtnahmen relativiert werden darf. Dies stünde für den Beginn einer schleichenden Erosion des Rechts, die bereits ähnliche Fälle auch von demokratischen Politikern objektiv vorantrieben. Ausnahmen darf es aus rechtsstaatlichen Gründen weder für sie noch für solche extremistischer Parteien geben. Dies gilt bekanntlich gerade für Beispiele aus dem EU-Parlament mit anschließenden Skandalen. 

Auch in Frankreich selbst kam es mehrfach zu derartigen Vorkommnissen. Ebendort erfolgten jüngst Haftstraften aufgrund von Korruption gegen bekannte ehemalige Politiker (Francois Fillon, Nicolas Sarkozy). Angesichts von noch früheren Erfahrungen, wobei es um das illegale Abgreifen öffentlicher Gelder ging, forderte 2013 in einem Interview eine französische Politikerin ein rigides Vorgehen: deren lebenslangen Ausschluss von Ämtern und Kandidaturen. Ihr Name lautet Marine Le Pen.  
 

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