Magdeburg: AfD-Landeschef warnt vor einem Bürgerkrieg in 2016

Die Alternative für Deutschland ätzt gegen die „unkontrollierte Masseneinwanderung“ und verschärft die Spaltung der Gesellschaft. In Magdeburg zeigt sich: Der befürchtete Rechtsruck der Partei hat längst stattgefunden.

Donnerstag, 15. Oktober 2015
Robert Kiesel

Die wichtigste Nachricht des Abends: Magdeburg ist nicht Erfurt. Nachdem die Alternative für Deutschland (AfD) in der Landeshauptstadt Thüringens zuletzt rund 8000 Menschen mobilisiert hatte, landete sie in Sachsen-Anhalt auf dem Boden der Tatsachen. Nur rund 1500 Menschen folgten dem Aufruf von AfD-Landeschef André Poggenburg, am Mittwochabend auf der „Demo gegen Politikversagen“ auf die Straße zu gehen. Mindestens ebenso viele demonstrierten auf der anderen Seite gegen den Aufzug und stellten sich diesem teilweise in den Weg.

Aufgeheizte Stimmung bei AfD-Demonstration in Magdeburg

Was sich beide Seiten über die von der Polizei bewachten Barrieren zu sagen hatten, zeugte von einer durch Beobachter ausgemachten Spaltung der Gesellschaft. Auf „Flüchtlinge willkommen“-Sprechchöre antworteten die AfD-Anhänger mit Parolen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ oder „Merkel muss weg“. Unschwer als Angehörige der rechten Szene auszumachende Teilnehmer der AfD-Demonstration setzten auf Beleidigungen wie „Lumpenpack“ oder „Antifa, Hurensöhne“. Teilweise vermummte Kameradschafter machten deutlich, dass ihnen die körperliche Auseinandersetzung näher liegt als der Austausch von Argumenten.

Überhaupt waren Argumente eher Mangelware an diesem nass-kalten Abend in Magdeburg. In ihren Redebeiträgen beschworen André Poggenburg und sein mitsamt Anhängern aus Thüringen angereister Amtskollege Björn Höcke einen deutschen Volkskörper, der durch die „ungesteuerte Masseneinwanderung“ gefährdet sei. Die „unkontrollierte Masseneinwanderung“ lasse eine „immer tiefer verletzte Volksseele“ zurück, die „nationale Identität Deutschlands“ sei gefährdet, so Poggenburg. Er wetterte gegen die „perversen verbalen Auswüchse“ einer „linksgrünen Sippschaft“, verunglimpfte die lärmenden Gegendemonstranten als „verlogene Lumpen, die unser hart erarbeitetes Sozialsystem plündern lassen wollen“.

Verbale Anlehnung an den Nationalsozialismus erntet Beifall

Das Gejohle und der Applaus der AfD-Anhänger wuchs an, nachdem der laut Beobachtern auch innerhalb der Partei ambitionierte Rechtsaußen Björn Höcke das Mikrofon übernommen hatte. Er dankte zunächst dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban, der mit seiner Politik der Abschottung Europa verteidige. Es folgte eine Episode über die 1000-jährige Vergangenheit Magdeburgs, der eine 1000-jährige Zukunft folgen müsse. Die Anlehnung an Visionen der Nationalsozialisten dürfte kein Zufall gewesen sein, die Zuhörer honorierten die verbale Provokation Höckes mit Applaus.

Dieser wurde eher noch lauter, als sich Höcke über die „steuerfinanzierten Antifaschisten“ ausließ, sie als „gehirnreduzierte Krakeeler“ und „vom Selbsthass zerfressene Deutschlandhasser“ bezeichnete. Als „Führerin der Deutschlandhasser“ machte er „Frau Dr. Angela Merkel“ aus. Ihr und den eigenen Anhängern brüllte Höcke entgegen: „Merkel muss scheitern, damit Deutschland gerettet werden kann“.

Kampf für die „Zukunft dieses Landes, für die Zukunft unserer Kinder“

Zum Abschluss setzte Höcke, der sich Minuten zuvor über die Betitelung als „Angstmacher von Erfurt“ durch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ beschwert hatte, auf eine Prognose:  „Wenn wir diese Entwicklung (Aufnahme von Flüchtlingen, Anm. d. Red.) nicht stoppen, dann prognostiziere ich einen Bürgerkrieg. 2016 wird zum deutschen und europäischen Schicksalsjahr. Kämpfen wir für unsere Zukunft. Kämpfen wir mit aller Liebe und aller Kraft, die wir haben, für die Zukunft dieses Landes, für die Zukunft unserer Kinder.“ Warum die einst als Anti-Euro-Partei gegründete AfD mittlerweile eine politische Heimat für Konservative wie Rechtsextremisten bietet, dürfte spätestens nach diesen Sätzen klar geworden sein.

Überraschend: Mit keinem Wort gingen Höcke und Poggenburg auf den Austritt des Magdebürger Bürgermeisters Lutz Trümper aus der SPD ein. Trümper hatte diesen Schritt ebenfalls am Mittwoch öffentlich gemacht und damit erklärt, sich mit Bezug auf die Debatte zur Asylpolitik „nicht den Mund verbieten lassen“ zu wollen.

AfD-Mann: Wer „Völkerwanderung fördert, gehört an die Wand gestellt“

Die Zurückhaltung der AfD könnte aber auch Folge des Ausfalls eines Vertreters aus den eigenen Reihen sein. Mit René Augusti hatte ein Mitglied des Vorstands im AfD-Kreisverband Salzwedel zuletzt im Internet gefordert: „Die Völkerwanderung muss aufgehalten werden. Die sich Deutsche nennen und dies fördern gehören an die Wand gestellt.“ Nachdem die örtliche Presse den Post öffentlich gemacht hatte und Anzeige gegen Augusti erstattet wurde, legte dieser nach: „Ich stehe zu jedem von mir geschriebenem Wort und werde auch keins zurücknehmen.“ Für ein Schuldeingeständnis sehe er „politische oder moralische Notwendigkeit“, so Augusti weiter.

 

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