Männerdominierter „Frauenmarsch“

In Delmenhorst marschiert AfD-Prominenz Seite an Seite mit Neonazis und Hooligans – die verhalten sich auffällig und pöbeln.

Montag, 07. Mai 2018
Andrea Röpke

Bereits zu Beginn des so genannten „Frauenmarsches“ in Delmenhorst bepöbelten Neonazis den freien Referenten und Präventionsexperten Sebastian Ramnitz. Es sollte nicht die einzige Auffälligkeit der Gruppe bleiben. Der Aufzug von rund100 Teilnehmern unter AfD-Führung zog direkt an dem tätowierten Glatzkopf im „White Power“-Shirt und seinem drohenden Kameraden im karierten Hemd vorbei. „Ich komme vorbei, hast du mich verstanden. Ich mache dich fertig.“  Kein Polizist war in der Nähe. Einzig eine ältere Passantin schritt laut ein. Die Neonazis aus dem Umfeld von „Blood Brother Nation“ und den Hooligans von „Querschläger Vechta“ reihten sich wieder in den Aufmarsch.

Eine AfD-Frau aus Leer in Ostfriesland hatte den „Frauenmarsch“ gegen sexuelle Gewalt in der niedersächsischen Stadt nahe Bremen angemeldet.  2006 war Delmenhorst bundesweit bekannt geworden, weil die Stadt sich erfolgreich gegen den Hotelkauf des Neonazis Jürgen Rieger zur Wehr gesetzt hatte. Der Hamburger Rechtsanwalt wollte dort ein nationales Schulungszentrum errichten. 

Kurz nach 14.00 Uhr am Samstag startete die Veranstaltung am historischen Wollelager. „Kandel ist überall“ stand auf dem Transparent an der Spitze des Marsches. Neun Frauen trugen die Botschaft, die an einen Mordfall Ende 2017 in Rheinland-Pfalz erinnert, unter ihnen war Reisekader Leyla Bilge. Die Mehrheit der Marschierenden stellten jedoch Männer. Seit der Ermordung eines 15-jährigen Mädchens durch einen 20-jährigen Afghanen versuchen verschiedene rechte Organisationen, das Drama politisch zu nutzen.

„Supporter“ der „Hells Angels“ als Ordner

AfD-Prominenz wie der Bundestagsabgeordnete Dietmar Friedhoff, der Bremer Abgeordnete Alexander Tassis und die Delmenhorster Ratsherren Lothar Mandalka und Holger Lüders marschierten in Delmenhorst Seite an Seite mit Neonazis, die sich während des Marsches durch das Wohngebiet der Stadt auffällig verhielten und weiter pöbelten. Tassis, der das Transparent mit der Parole „Kandel ist überall, Gegen Gewalt gegen Frauen“ trug, ließ sich später zudem stolz mit einem Anhänger der extrem rechten Bewegung ablichten.  Als Ordner hatten die Organisatoren gar einen „Supporter“ der Rockergang „Hells Angels“ ausgewählt, er trug die „81“ gut sichtbar. Auch die Frauengruppe der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, „120 db“, war vertreten.

 Als Einpeitscher trat der umstrittene und extrem rechte Landeschef der „Jungen Alternative“ (JA) Lars Steinke auf. Immer wieder wurde „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ gebrüllt, eine Standardparole, bekannt von Neonazi-Demonstrationen. „Es ist bald vorbei – mit der Messerstecherei“, schrieen sie, während Kinder aus Familien von Migranten fröhlich auf dem Rasen nebenan Ball spielten.

Die Stadt an der Delme mit ihren über 77.000 Einwohnern gilt als AfD-Hochburg, 2017 erhielt hier 13,1 Prozent der Zweitstimmen. Die eingesetzte niedersächsische Polizei war sehr zahlreich vertreten. Die Beamten schienen sich voll und ganz auf den Gegenprotest an den Straßen zu konzentrieren. Sie gingen unverhältnismäßig heftig vor.

Selbst ernannte nationale Frauenrechtlerin

Vor dem „Frauenmarsch“ hatte ein Delmenhorster Bündnis zum Gegenprotest aufgerufen. Eine antifaschistische Blockade wurde wenig zimperlich sofort geräumt. Am Busbahnhof ging die Polizei dann besonders rüde vor. Die Beamten machten regelrecht Jagd auf junge Protestierer. Ein junger Mann, der am Rand stand, wurde derartig geschubst, dass er auf den Boden schlug. Lisa Theophil, Sprecherin der Linksjugend „solid“, nutzte kurzerhand die Gelegenheit und stellte sich alleine dem Fronttransparent entgegen. Eine der rechten Frauen stürzte herbei und schlug der 25-Jährigen in den Bauch, wie sie berichtet. Hinzueilende Polizisten nahmen aber nicht sie, sondern die angegriffene Theophil in den Schwitzkasten, um sie wegzuziehen. Ruhig forderten Gegendemonstranten die Beamten auf: „Lasst sie los“, auch die wurden weggeschubst. Ein Video zeigt das Geschehen.

Theophil sagt, die Luft sei ihr kurz weggeblieben, ihr wurde schwindlig. Sie habe sich spontan vor die Demo gestellt und zum Schutz die Arme erhoben, als die Frau auf sie zustürzte.  Als sie nicht gleich ging, habe ein weiterer Polizist sie von hinten geboxt. Kurz nach dem unfreiwilligen Stopp, den Rechte inzwischen als gefährlichen Angriff ihrer Demonstration darstellen, tobte Leyla Bilge wutentbrannt vor dem Transparent herum und schrie die Beamten an. Die Polizei und einer der Ordner mussten die selbst ernannte nationale Frauenrechtlerin mit aller Kraft zurückhalten.

Die Anmelderin postete nach dem Marsch bei Facebook: „Wir lassen uns nicht mehr stoppen – auch nicht von Antifablockaden oder 'demokratischen' Oberbürgermeistern! Wir kämpfen bis zuletzt und werden diesen politischen Wahnsinn niemals widerspruchslos akzeptieren“. Weitere „Frauenmärsche“ sind zu erwarten.

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