Löcknitz: Neonazi-Treff wird geschlossen

Im vorpommerschen Löcknitz wurde ein seit etlichen Jahren genutzter Neonazi-Treffpunkt durch die Behörden geschlossen. Rechte hatten zusammenhängende Garagen zu einem großen Saal mit Bühne umgebaut, wo sich für Rechtsrock-Konzerte bis zu 200 Personen trafen. Zuletzt wurden dort Polizisten angegriffen.

Freitag, 06. März 2020
Redaktion
Mehrere Garagen wurden zu einem 150m² großen Saal umgebaut, Foto: privat
Mehrere Garagen wurden zu einem 150m² großen Saal umgebaut, Foto: privat
Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat am Montag eine Ordnungsverfügung für einen Garagenkomplex in der vorpommerschen Gemeinde Löcknitz erlassen, da eine „artfremde Nutzungsänderung ohne Baugenehmigung“ vorgelegen hätte. Konkret soll der Pächter der sieben aneinandergereihten Garagen Trennwände entfernt haben, so dass ein Raum in Größe von 150 Quadratmetern entstand. In diesem sei eine Bühne, eine Schankanlage sowie eine Heizung und eine Kasse installiert worden. Dieser Umbau ermöglichte es Neonazis offenbar über Jahre hinweg, dort Szene-Veranstaltungen mit teilweise dreistelligen Besucherzahlen durchzuführen. In der 3.000-Einwohner-Gemeinde kam es immer wieder zu Konzerten, Geburtstagsfeiern und anderen Events. So fanden sich zu einem angeblichen Geburtstag Ende September 2018 120 Neonazis ein, nur einen Monat später versammelten sich 90 Rechtsextreme für ein Konzert. Im Oktober 2017 kamen dort gar 200 Teilnehmer zu einen Rechtsrock-Konzert zusammen, das in dem Garagenkomplex stattgefunden haben soll. Nicht alle Veranstaltungen können jedoch zweifelsfrei dem umgebauten Saal zugeordnet werden, nach Informationen von ENDSTATION RECHTS. soll es in Löcknitz einen weiteren Treffpunkt geben, der jedoch seltener genutzt wird.

Grundlage für Auflösung doch gegeben?

Von den stets konspirativ organisierten Treffen schien die Polizei allerdings gewusst zu haben und war vor Ort, auch Strafanzeigen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurden aufgenommen. Grundsätzlich hätte für die Polizei allerdings keine Rechtsgrundlage bestanden, um die Szene-Veranstaltungen aufzulösen, teilte eine Sprecherin der zuständigen Polizeidirektion Anklam mit. Der Garagenkomplex befände sich auf privatem Gelände. Zudem seien weder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch Beschwerden über Lärm- oder sonstige Belästigungen von Anwohnern festgestellt worden. Allerdings existiere laut Nordkurier die Grundlage für eine Nutzungsuntersagung bereits seit zwölf Jahren. Bereits damals sei der Landkreis u.a. auf entfernte Innenwände und eine Registrierkasse aufmerksam geworden und hätte eine Ordnungsverfügung erlassen. Weshalb die Polizei somit jahrelang keine Rechtsgrundlage sah und nicht einschritt, bleibt unklar.

Neonazi-Kader in Polizei-Gewahrsam

Medial für Aufsehen gesorgt hatte ein Polizeieinsatz in der Nacht auf den 16. Februar. Einsatzkräfte hätten ein größeres Lagerfeuer in dem Garagenkomplex festgestellt. Mehrere offenbar der rechten Szene zuzuordnende Personen hätten bei einer anschließenden Kontrolle teilweise massiven Widerstand geleistet, drei Polizisten wurden leicht verletzt. Am Ende wurden 19 Streifenwagen benötigt. In der Nacht wurden zwei Männer vorübergehend in Gewahrsam genommen. Bei dem 51-Jährigen soll es sich laut NDR um Dirk Bahlmann handeln. Bahlmann ist in der grenznahen Gemeinde kein Unbekannter – er gilt seit jeher als Dreh- und Angelpunkt der dortigen Neonazi-Aktivitäten.
Dirk Bahlmann, der während eines NPD-Aufmarsches Propaganda-Blätter verteilte Noch bis Mai letzten Jahres saß der Neonazi für die NPD sowohl in der Gemeindevertretung von Löcknitz als auch im Kreistag Vorpommern-Greifswald. Seitdem wird Bahlmann jedoch immer wieder mit den Reichsbürgern in Verbindung gebracht, auf einer der Garagen wurde ein Schild mit der Aufschrift „Deutsches Schutzgebiet“ angebracht. Bahlmann sei mehrfach vorbestraft, laut Spiegel fand sich sein Name auch im NPD-Verbotsantrag wieder. Der Unternehmer soll eine Holocaust-Gedenktafel beschädigt haben, denn diese sei eine „Beleidigung für alle guten Deutschen“. Zudem sei der Holocaust eine jüdische Erfindung, die Juden hätten beide Weltkriege begonnen. Im April 2016 war Bahlmann einer von fünf Rechtsextremen, die einen Infoabend über Asylbewerber massiv störten. Erst die angerückte Polizei konnte die Männer zurückdrängen.

Bürgermeister: „Menschen werden ja nicht angegriffen“

Viele politisch Engagierte sollen eingeschüchtert sein von der seit Jahren vor Ort agierenden Gruppe Neonazis, die der Verfassungsschutz seit einigen Jahren als „Nationales Bündnis Löcknitz“ einordnet. Der Anklamer Polizeidirektor Gunnar Mächler spricht von einer Gruppe von 20 bis 25 Personen, die zu Bahlmanns Dunstkreis zählen würden. Eine eindeutige Positionierung scheint dem amtierenden Bürgermeister, Vorsteher der Gemeinde Löcknitz, die sich aus 13 Mandatsträgern der CDU und einem AfD-Vertreter zusammensetzt, schwer zu fallen. Im Interview mit dem NDR äußert sich CDU-Mann Detlef Ebert – angesprochen auf den letzten Vorfall, bei dem drei Polizisten verletzt wurden: „Die Menschen werden ja nicht angegriffen.“
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