Langjährige Haftstrafen für Drogennazis

Das Landgericht Aachen hat am Freitag drei Rechtsextremisten wegen Drogenhandels in nicht unerheblicher Menge beziehungsweise Beihilfe zu Haftstrafen verurteilt.

Montag, 11. März 2019
Michael Klarmann

Der Prozess gegen die zuerst fünf Angeklagten, die laut Staatsanwaltschaft von Aachen aus bandenmäßig einen Drogenhandel über das Darknet betrieben haben sollten, hatte im Februar 2018 begonnen und sich aus unterschiedlichen Gründen ungewöhnlich lange verzögert. Gehandelt worden war vom November 2015 bis zum Mai 2017 mit Amphetamin, Marihuana und Ecstasy im Kilobereich. Kunden bestellten die Waren über einen „German Shop“ im anonymisierten Teil des Internets. Nachdem im Dezember zwei Rechtsextremisten freigesprochen worden waren (bnr.de berichtete), sprach nach nun 13 Monaten Laufzeit am 8. März die 9. große Strafkammer das Urteil.

Hart traf es dabei zwei Brüder aus einer Familie, deren Mitglieder zum Teil über Jahrzehnte führend in der Neonazi-Szene aktiv waren oder noch sind. Als Haupttäter wurde Karl M. (31) wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt, zudem sollen von ihm 70.000 Euro eingezogen werden, die er laut Kammer illegal erwirtschaftet habe.  Ob es allerdings die Drogenbande gegeben hat, wie von der Staatsanwaltschaft angenommen, bleibt unklar. Bis zu seiner Festnahme bei einem SEK-Einsatz Mitte 2017 war Karl M. Aktivist der „Identitären Bewegung“ (IB) gewesen. Bei ihm beschlagnahmten die Ermittler am Tag jener Razzia Drogen im Kilobereich.

Als „Bewährungsversager“ einzustufen

Karls Bruder Timm M. (35) wurde wegen Beihilfe zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass er seinen Bruder zeitweise beim Einkauf von Verpackungsmaterialien in einem Supermarkt sowie beim Verpacken der Drogenlieferungen geholfen habe. Verschickt worden waren die Drogen per Brief unter Tarnabsendern, die Betäubungsmittel waren dabei in Haushaltshandschuhen eingeschweißt worden. Timm M. war zum Zeitpunkt des SEK-Einsatzes Mitte 2017 Kopf des Aachener Verbandes der Splitterpartei „Die Rechte“ (DR) sowie in der Neonazi-Gruppe „Syndikat 52“ (S52) engagiert. Zudem war er Gastsänger des rechten HipHoppers „Makss Damage“, für den er seinerzeit auch Musikstücke produzierte.

Sebastian L. (25), ebenso bis Mitte 2017 im Umfeld von S52 und der DR aktiv, wurde wegen Beihilfe zum Drogenhandel zu einer Haftstrafe von 20 Monaten verurteilt. Die Kammer blieb in allen drei Fällen hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück, die härte Strafen für das Trio gefordert hatte. (bnr.de berichtete) Da alle Verurteilten seit ihrer Jugend schon mehrfach wegen politischer Delikte, allgemeinkrimineller Taten oder Drogenvergehen vorbestraft sind und laut Gericht als „Bewährungsversager“ eingestuft werden müssten, sollen sie die gegen sie verhängten Haftstrafen auch antreten. Jedoch kündigten die Anwälte von Timm M. gegen das Urteil schon Revision an, die Verteidiger von L. erwägen ebenso Revision einzulegen.

Kritik der Richterin an den polizeilichen Ermittlungen

In einer ungewohnten Deutlichkeit und Schärfe kritisierte die Vorsitzende der 9. großen Strafkammer, Richterin Melanie Theiner, am 8. März die Ermittlungen der Polizei Aachen. Observationsmaßnahmen seien teils „gründlich misslungen“ in einer Weise, die sie „sprachlos“ zurücklasse. Akten seien unvollständig gewesen, die Auswertung abgehörter Telefonate lückenhaft. Bei laufendem Prozess endlich vollständige Akten zu erhalten, habe Wochen gedauert, sagte die Vorsitzende. Einer der im Dezember freigesprochenen Angeklagten habe überdies nie auf die Anklagebank gehört, weil ihn eindeutig entlastende Telefonate nicht berücksichtigt worden seien und später teilweise in den Akten fehlten.

Nicht zuletzt hätten die Ermittler es versäumt, vom Hauptangeklagten DNA-Proben zu nehmen um diese dann mit aufgefundenen Spuren in abgefangenen Drogensendungen abzugleichen. Erst im Prozessverlauf sei dies aufgefallen, weil die Kammer bis dahin davon ausgegangen sei, dass dieser enorm wichtige Ermittlungsansatz durch die Polizei zuvor schon abgeklärt worden sei. Letztlich hätten weit über 80 Zeugen gehört werden müssen, oft um vorangegangene Mängel bei den Ermittlungen aufzuklären. Richterin Theiner kritisierte gleichwohl am Freitag in der Urteilsbegründung auch die „Schärfe und ein teils verachtendes Verhalten“ mancher Verteidiger gegenüber Kammer und Zeugen. Einige der Anwälte standen der rechtsextremen Szene nahe beziehungsweise gelten als „Szene-Anwälte“. 

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