AfD scheitert mit Klage

Landtag bleibt Mitglied im Bayerischen Bündnis für Toleranz

Der Bayerische Landtag kann weiterhin Mitglied im großen zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bleiben. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wies am Mittwoch eine Klage der AfD-Landtagsfraktion ab. In der Verhandlung wurde die Fraktion von einem ehemaligen Rapper mit früherer Nähe zur Identitären Bewegung vertreten.

Freitag, 13. August 2021
Thomas Witzgall
2015 Das Bayerische Bündnis für Toleranz feiert zehnten Geburtstag - Der Landtag kann ihm nun auch weitere Jahre angehören
2015 Das Bayerische Bündnis für Toleranz feiert zehnten Geburtstag - Der Landtag kann ihm nun auch weitere Jahre angehören

Es muss der Spruchgruppe um den Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshof Peter Küspert ein Bedürfnis gewesen sein, diese Klarstellung gegenüber der AfD zu treffen: Das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung sind nicht wertneutral. Die Verfassungsorgane sind auf die unabänderlichen Grundrechte, etwa Demokratieprinzip oder Menschenwürde verpflichtet. Setzen sich die Organe des Staates dafür ein, ist das kein Verstoß gegen das freie Mandat oder die Rechte der Opposition, weil diese Werte der parteipolitischen Disposition entzogen sind. Oder - wohl mit Blick auf die AfD - entzogen sein sollten.

Eigentlich hätte es dieser Klarstellung gar nicht mehr bedurft, um die Klage der AfD-Fraktion und der Abgeordneten Ferdinand Mang und Christoph Maier abzuweisen. Die Richter bewerteten die Organklage bereits als unzulässig. Damit konnte die Klage der AfD-Fraktion zwingend nicht mehr erfolgreich sein. Anhören wollte sich das aber niemand von Seiten der Fraktion. Weder die klagenden Abgeordneten noch der Justiziar oder ein rechtlicher Vertreter waren bei der Urteilsverkündung im Justizpalast anwesend.

Hebel „Neutralitätspflicht“

Die AfD versucht es immer wieder, ihnen unliebsame Inhalte etwa aus Schulen oder aus von staatlichen Leistungen abhängigen Einrichtungen zu verbannen mit dem Verweis darauf, die Neutralitätspflicht des Staates werde verletzt oder die Chancengleichheit der Parteien. So war es bereit 2019 dem AfD-Abgeordneten Mang ein Dorn im Auge, dass an einer Berufsschule in Fürth die Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ gezeigt wurde. Die AfD fand sich dort auf den Tafeln zum Rechtspopulismus wieder. Er vermutete „politischen Indoktrination“, so der Titel seiner Anfrage, in der er sich unter anderem auf die Neutralitätspflicht bezog.

Das Ziel dürfte klar gewesen sein: Keine Lehrkraft hätte die Ausstellung mehr guten Gewissens zeigen können, wenn es hier Zweifel gegeben hätte, schon allein aus Sorge vor disziplinarischen Maßnahmen. Aber die gab es nicht. Das Kultusministerium antwortete damals dem Abgeordneten ziemlich klar: Die Ausstellung ist ein Beitrag zur Demokratieerziehung und steht insbesondere vor dem Hintergrund einer durch den Bildungsauftrag veranlassten eindeutigen Positionierung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht im Widerspruch zum Neutralitätsgebot. Und auch nicht zu anderen Prinzipien der politischen Bildung.

Auch das Bayerische Bündnis für Toleranz (BBfT) war seit 2019 immer wieder Gegenstand von Anfragen der AfD. In den Verhandlungen zum Staatshaushalt für das Jahr 2021 gab es jeweils Anträge der Fraktion, dem BBfT die staatlichen Mittel zu streichen. Die wurden von den demokratischen Fraktionen dann auch ablehnt.

Immer wieder Klagen

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sah sich durch das deutliche Urteil bestärkt. „Dass sich der Bayerische Landtag für Demokratie und Menschenwürde stark macht, kann eben kein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht sein! Das ist ganz wichtig, dass das nun ein für alle Mal feststeht“, so Aigner. Die Parlamentspräsidentin sieht sich immer wieder Klagen von Seiten der AfD-Fraktion ausgesetzt, bislang habe sie alle gewonnen.

Auch der rechtspolitische Sprecher der BayernSPD-Landtagsfraktion Horst Arnold begrüßte das Urteil als ein „starkes und beständiges Signal“, dass sich das Parlament „an der Werten, der der Bayerischen Verfassung orientiert, bürgernah und überparteilich gesellschaftlich einbringen“ könne. Für Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen stand es außer Frage, dass die Staatsregierung und der Landtag angesichts der wachsenden Gefahr durch rechtsextremes und antisemitisches Gedankengut jede Möglichkeit nutzen müssten, sich gegen die Tendenzen zu stellen und aktiv zu werden. Und diese Möglichkeit biete das Bündnis.

Vertreten durch früheren IB-nahen Rapper

Das BBfT wurde 2005 von den beiden großen christlichen Kirchen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Innenministerium sowie den Israelitischen Kultusgemeinden für München und Oberbayern sowie ganz Bayern gegründet. Der Landtag trat 2009 bei und zahlt einen fünfstelligen Jahresbeitrag für die Arbeit. Die Mitglieder wollen rechtsextreme, rassistische und antisemitischen Einstellungen bekämpfen, nicht die Menschen hinter dem Gedankengut.

Rechts MdL Christoph Maier und Patrick Bass als Rechtsbeistand für die AfD-Fraktion
Rechts MdL Christoph Maier und Patrick Bass als Rechtsbeistand für die AfD-Fraktion

In der mündlichen Verhandlung am 21. Juli versuchten die AfD-Vertreter ein anderes Bild zu zeichnen. Die Rede war davon, das BBfT sei eine „Bekämpfungsorganisation“ und gegen die „freie Parlamentswahl“ gerichtet. Eine aus dem Staatshaushalt finanzierte „Lobbygruppe“, die in den Meinungskampf eingreife. Die Mitgliedschaft übe Druck auf den einzelnen Abgeordneten aus, sich „im Sinne des Vereins zu verhalten“ und sich „der Agenda zu fügen“. Mehrfach wurde der DGB genannt als Organisation, mit dem die AfD-Abgeordneten nun zwangsweise in einem Bündnis sein müssten, ohne gefragt worden zu sein. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Christoph Maier lobte in seinen Schlussworten noch mal ausdrücklich den Umstand, dass sich der Ältestenrat des Landtages nicht dazu durchringen konnte, am Tag des Europameisterschaftsspiels gegen Ungarn die Regenbogenflagge am Landtag zu hissen. Es wäre aus seiner Sicht ein „Angriff auf den gesellschaftlichen Frieden“ gewesen.

Zum Thema der Klage passend wurde die Fraktion in der mündlichen Verhandlung von Rechtsanwalt Patrick Bass vertreten. Er ist in der extrem rechten Szene kein Unbekannter, wenn auch bislang nicht als Jurist, sondern von 2016 bis 2020 als identitärer Rapper „Komplott“.

Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg führte ihn als Beispielsfall, wie sich rechtsextreme Inhalte in Musik niederschlagen können und sie so zum Propagandamedium werden kann. Ein anderer IB-naher Rapper, Chris Ares, deutete im Februar 2020 den Rückzug von „Komplott“ aus dem Musikgeschäft an. Er habe sich für einen anderen Weg entschieden und musikalisch komme da nichts mehr. Bass ist jetzt laut dem Magazin Katapult MV Assessor in der Kanzlei von Dr. Matthias Brauer. Der wurde laut Medienberichten 2007 aus seiner früheren Burschenschaft, der Marchia Bonn, ausgeschlossen, weil er im Garten des Verbindungshauses unter „Hail White Power“-Rufen ein Holzkreuz angezündet hatte. Nach seinem Wechsel zur Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks gilt er als einer der Protagonisten im Streit um den „Arierparagraphen“ / Abstammungsnachweis innerhalb der Deutschen Burschenschaft. Das Magazin verortet auch Brauer „ganz rechts außen“.

Kategorien
Tags