Kurs auf die Rechtsaußenpartner

Die konservative EKR-Fraktion im EU-Parlament hat den AfD-Abgeordneten Marcus Pretzell aus ihren Reihen ausgeschlossen. Als neue politische Heimat bietet sich die Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) an, zu der die FPÖ, der Front National und die Wilders-Partei PVV gehören.

Mittwoch, 13. April 2016
Rainer Roeser

Am Ende ging alles reibungslos. Nachdem Pretzell und seine AfD-Kollegin Beatrix von Storch vor Wochen noch Zweifel gesät hatten, dass das Quorum für einen Rausschmiss überhaupt zustande komme könnte, erwiesen sich alle derartigen Vermutungen am Dienstagabend als unbegründet. Von 63 anwesenden EKR-Parlamentariern votierten 45 für Pretzells Ausschluss. Nur 13 wollten weiter mit ihm unter einem Dach zusammenarbeiten. Fünf enthielten sich der Stimme.

Von Storch war ihrem Rauswurf per Fraktionsbeschluss am vorigen Freitag zuvorgekommen. Sie ging freiwillig, um sich umgehend der EFDD-Fraktion des britischen Rechtspopulisten Nigel Farage anzuschließen. (bnr.de berichtete) Beiden war der Ausschluss bereits Anfang März angedroht worden – verbunden mit dem Hinweis, sie könnten auch bis Ende des Monats freiwillig gehen, andernfalls würden die konservativen Parlamentarier darüber abstimmen. Die Geduld ihrer Fraktionskollegen hatte das AfD-Duo mit Äußerungen zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an den deutschen Grenzen und mit der Suche ihrer Partei nach neuen Partnern auf dem europäischen Spielfeld überstrapaziert.

Sozialpopulistische Töne in Richtung FPÖ

Pretzell bleiben nun drei Alternativen. Er könnte dauerhaft als fraktionsloser Abgeordneter weitermachen, allerdings mit weniger materiellen Möglichkeiten und weniger parlamentarischem Einfluss – ähnlich wie der NPD-Abgeordnete Udo Voigt. Er könnte – zweitens – wie von Storch bei Farages „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ unterschlüpfen. Das hätte einerseits den Charme, dass die beiden AfD-Vertreter wieder in einer Fraktion vereint wären, andererseits aber den Nachteil, dass ein wichtiger neuer Bündnispartner erst einmal vor den Kopf gestoßen würde. Gerade erst ist die AfD dabei, ihre Kontakte zur österreichischen FPÖ zu intensivieren. Eine Zusammenarbeit mit den österreichischen Rechtspopulisten in der ENF-Fraktion erscheint daher als Pretzells dritte und wahrscheinlichste Alternative.

Seine eigenen Präferenzen hat der Vorsitzende der NRW-AfD noch nicht öffentlich verraten. Der „Bild“-Zeitung sagte er ganz salomonisch vor wenigen Tagen: „Ich lege die Entscheidung über mein zukünftiges Agieren im EU-Parlament in die Hände des nächsten AfD-Bundesparteitages.“ Fraktionsmitgliedschaften seien schließlich „Koalitionsfragen“, die alle Mitglieder beträfen. Wichtig ist die Frage in der Tat, wenn auch nicht als „Koalitionsfrage“. Zunächst geht es darum, wie offen sich die rechtspopulistische Partei dazu bekennt, tatsächlich eine solche zu sein. Und es ist die Frage, ob die Partei sich eher einer wirtschaftsliberalen Klaviatur a la Jörg Meuthen bedienen oder die offen nationalistischen und teils sozialpopulistischen Töne eines Alexander Gauland anstimmen will. Wer „Partei der kleinen Leute“ sein will, wie dies Gauland proklamiert, wird beim Bündnis mit der FPÖ landen.

Ja zur FPÖ heißt auch Ja zum Front National

Dass ein solches Bündnis wahrscheinlicher wird, ist nicht zuletzt Pretzells Verdienst. Damals noch unter dem Label seiner alten EKR-Fraktion – und zu deren hochgradiger Verärgerung – hatte er Mitte Februar in Düsseldorf zu einer Konferenz mit AfD-Sprecherin Frauke Petry und dem FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache geladen. (bnr.de berichtete) Wer die Ovationen für Strache in der Düsseldorfer Messe gehört hat, ahnt, wie rechts auch im Westen der Republik die AfD-Basis tickt. Aus dem Pretzellschen AfD/FPÖ-Gipfel entstand eine „Blaue Allianz“ der Zusammenarbeit.

Eigentlich sollte die Allianz erst einmal in Bayern starten. (bnr.de berichtete) Doch längst hat sie weit nach Norden ausgegriffen. In Osnabrück trat am 8. April die niederösterreichische FPÖlerin und Ex-Bundespräsidentenkandidatin Barbara Rosenkranz bei der AfD auf, um gegen Gender Mainstreaming, die Auflösung der traditionellen Familie und die „Frühsexualisierung“ schon im Kindergartenalter zu wettern. In Nauen war unlängst gar FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky bei der AfD zu Gast und traf dort mit Alexander Gauland, Björn Höcke und André Poggenburg drei Landes- und Fraktionsvorsitzende aus den östlichen Bundesländern. Er würde „sehr dafür plädieren, dass wir gemeinsam in einer eurokritischen Fraktion wirken“, zitierte „Compact“, das Leib-und-Magen-Blatt vieler AfDler, Gauland hinterher. (bnr.de berichtete)

Doch wer Ja zur FPÖ sagt, muss früher oder später auch Ja zum Front National sagen. Das hatte sich die AfD bisher nicht getraut. Auf dem rechten Flügel weiß man um das Problem. Und so wurden am vergangenen Wochenende weitere Lockerungsübungen gestartet. Björn Höcke erklärte die französische Rechtsaußenpartei bei seinem Landesparteitag in Arnstadt zum Teil einer „europäischen Vernetzung“. Er wisse zwar, dass der FN teilweise „ein sozialistisches Gepräge“ und „sicher keine lupenreine Vergangenheit“ besitze, sagte er einem Bericht der „Thüringer Allgemeinen“ zufolge. Er wisse aber auch, dass der FN „gegen den EU-Totalitarismus“ stehe. Das macht aus seiner Perspektive eine Zusammenarbeit notwendig: „Wenn es in Europa um alles oder nichts geht, müssen wir das Gemeinsame herausstellen – und nicht das Trennende.“

„Das hat sich weitgehend entkrampft“

Wo Höcke ist, ist AfD-Bundesvize Gauland seit einigen Monaten nicht fern. Auch diesmal sekundierte er seinem Kollegen aus Thüringen. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sagte er, sollte sich bald eine Europa-Fraktion der EU-Kritiker unter Beteiligung des FN formieren, sollten die AfD-Abgeordneten dieser beitreten. „Man muss den FN ja nicht lieben, aber es kann der Moment kommen, in dem man sagen muss, wir können mit dem FN zusammenwirken, auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind, wofür er steht.“ Und auf die Frage nach den einstigen Empfindlichkeiten des AfD-Vorstandes zu Kooperationen mit andren europäischen Rechtspopulisten: „Das hat sich weitgehend entkrampft.“ Die FAZ titelte: „Die Schmerzgrenze verschiebt sich“.

Dass es weiter und weiter nach rechts geht, hat womöglich auch Jörg Meuthen, Frauke Petrys Ko-Sprecher, eingesehen. In der AfD gilt er manchen als Vertreter eines „liberalen“ Flügels. Noch vor vier Monaten rüffelte er Höcke & Co., die einen Wahlerfolg des FN zu laut bejubelt hatten. (bnr.de berichtete) Nun ließ er die „Schwäbische Zeitung“ wissen, dass Pretzell möglicherweise mit dem FN zusammenarbeite, sei zwar „für die politische Wahrnehmung schwierig“ und bereite ihm „Unbehagen“. Aber: Einer Zusammenarbeit zwischen der AfD und dem Front National werde die Parteispitze nicht im Weg stehen.

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