Langjähriger Aktivist
Kurpfälzer Neonazi Christian Hehl ist tot
Er war in den 1990er Jahren Deutschlands bekanntester Neonazi-Skin-Hool. Nun ist der einstige NPD-Stadtrat Christian Hehl am Sonntag im Alter von 53 Jahren in einem Mannheimer Krankenhaus verstorben.
Das klischeehafte Konterfei des gebürtigen Ludwigshafener wurde immer wieder auf den Titelseiten bundesweit erscheinender Illustrierten und Wochenzeitungen gezeigt; so ziert der übergewichtige Neonazi mit dem Totenkopf-Tattoo auf dem rasierten Schädel auch die Titelseite des Lagebildes Rechtsextremismus (1999) des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Der Sicherheitsarchitektur war der 1969 geborene Hehl, Spitzname Hehli, seit 1993 als Rechtsextremist bekannt.
Tatsächlich war der Kurpfälzer Hehl seit dem Teenie-Alter in der Neonazi-Szene aktiv. Sein politisches Wirken im Laufe der Jahre reichte von der Funktion des kommissarischen Stützpunktleiters der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) über aktive Mitgliedschaften bei der „Aktionspartei Nationalrevolutionärer Kameraden“ (ANK), der „Nationalistischen Front“ und der „Deutschen Alternative“ (DA). Der Kader der Hooligan-Truppe „The Firm“ (SV Waldhof) fungierte als Sektionsleiter Rheinland-Pfalz der Waffen-SS-treuen Gang „Blood & Honour“, tummelte sich im direkten Umfeld des „Aktionsbüros Rhein-Neckar“ und amtierte als NPD-Landesvorstandsmitglied Rheinland-Pfalz.
Auf illegalem Gedenkmarsch mit Beate Zschäpe
Hehl nahm am illegalen Rudolf Heß-Gedenkmarsch am 17. August 1996 in Worms teil. Unter den Aufmarschierten waren auch Neonazis des Thüringer Heimatschutzes (THS), der Keimzelle des NSU; darunter Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Tino Brandt, Andre Kapke und Ralf Wohlleben. Wegen seiner mutmaßlichen Nähe zum NSU wurde Hehl 2018 als Zeuge vom NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags vernommen. Von der Existenz des NSU will er erst nachträglich erfahren haben: „Es wundert mich ja auch, dass es an mir vorbeigegangen ist.“
Mitte Oktober 1997 eröffnete Hehl in Ludwigshafen einen Verlag- und Versandhandel („Hehls World“), in dem szenetypische CDs, T-Shirts und Fanartikel vertrieben wurden. In den „Nachrichten“ der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG) wurde für den Laden unter der Bezeichnung „Sturm Verlag und Versand“ geworben. Zu diesem Zeitpunkt avancierte Hehl zu einer deutschlandweit bekannten Führungsfigur der Szene. Nach Protesten wurde das Geschäft wenige Monate später von den Behörden geschlossen. Was blieb, war ein Schuldenberg.
Im NPD-Landesvorstand
1998 wurde Hehl in den Vorstand des rheinland-pfälzischen Landesvorstandes der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) gewählt. Im gleichen Jahr biss sein Pitbull-Terrier einem vierjährigen Jungen in den Kopf. Das Augenlicht des Kindes konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Hehls politischen Karriere schadete dieser Vorfall nicht. 1999 wurde er in den rheinland-pfälzischen NPD-Landesvorstand gewählt.
Im Mai 2001 fand im bayerischen Steinach ein als Geburtstagsparty von Hehl getarntes Skin-Konzert statt. Als die Szene-Band „Noie Werte“ gerade auf der Bühne stand, stellte die Polizei den Strom ab und beendete den Spuk. Die Polizisten wurden sodann mit Flaschen und Steinen angegriffen. Mehrere Beamte wurden verletzt, Einsatzfahrzeuge beschädigt.
Rechtsrock-Konzerte
Von 2002 bis 2005 organisierte und veranstaltete Hehl mehrfach Rechtsrock-Konzerte und Feiern im Clubhaus der Rockergang „MC Bandidos“ in Mannheim-Rheinau, die deutschlandweite Aufmerksamkeit fanden. Vor Ort waren Szene-Bands wie „Siegnum“, „Propaganda“, „White Voice“, „Stoneheads“, „Frontalkraft“ und „Jagdstaffel“. An den Veranstaltungen nahmen bis zu 500 BesucherInnen teil. Als Motivation für die Veranstaltung der Konzerte des zuletzt Arbeitslosen notierte der Verfassungsschutz, dass diese „vor allem finanzieller Natur“ sei.
Im August August 2008 war Hehl an Ausschreitungen von gewaltbereiten Waldhof-Anhängern im Mannheimer Carl-Benz-Stadion beteiligt, der Zweitligaspiel SV Waldhof Mannheim spielte gegen 1860 München II. Polizeibeamte wurden mit faustgroßen Steinen beworfen. Mehrere Beamte wurden dabei verletzt.
Wegen Drogenhandels verurteilt
Bei den Kommunalwahlen 2014 wurde Hehl mit über 3.500 Stimmen für die NPD in den Mannheimer Gemeinderat gewählt. Den Sitz verlor er fünf Jahre später.
Der Gewalttäter Hehl ist mehrfach rechtskräftig von Gerichten verurteilt worden; u.a. wegen Raubes, Körperverletzung, Betruges, Sachbeschädigung, Volksverhetzung und schweren Landfriedensbruchs. Das Mannheimer Schöffengericht verurteilte Hehl 2017 wegen Drogenhandels und Verstoß gegen das Waffengesetz. Verteidigerin Nicole Schneiders hatte vergebens auf Freispruch plädiert. Hehl wurde zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt. Laut Anklageschrift hatte sich Hehl spätestens im April 2010 dazu entschlossen, im Raum Mannheim gewinnbringend mit Betäubungsmitteln, insbesondere mit Amphetamin Handel zu treiben, um sich hieraus eine Einnahmequelle zu verschaffen und seinen Eigenkonsum zu finanzieren.
„Der Weiße Wolf“
1997 hatte Hehl noch in seinem Laden Textilien mit dem gewaltdarstellenden Motiv „Drogendealer ins Arbeitslager“ angeboten. Wegen des gewaltdarstellenden Motivs des T-Shirts saß Hehl in der JVA Frankenthal einen Bewährungswiderruf ab. Vom Knast aus ließ er sich von der NS-Postille „Der Weiße Wolf“, in der der NSU Szene-intern auf sich aufmerksam machte, interviewen. Auf die Schlussfrage „Willst Du noch irgendwas loswerden?“, antwortete Hehl: „Du meinst, außer jede Menge Kal. 9mm?“
Ebenfalls 2017 bescheinigte das Landgericht Frankenthal Hehl eine „menschenverachtende Gesinnung“. Während seiner Haftzeiten wurde Hehl von der HNG betreut. In den HNG-Nachrichten meldete sich Hehl auch immer wieder zu Wort und beendete in der November-Ausgabe 2000 sein Schreiben mit den Worten „Mit unserem Gruß“.