„Kümmerer“-Partei NPD

Zwei Wochen vor dem Parteitag sollten die NPD-Mitglieder mit sozialen Einsätzen Bürgernähe und Alltagstauglichkeit demonstrieren. Die Aktion lief allerdings ins Leere – ein neuerlicher Misserfolg für die ohnehin unter massiver Kritik stehende Führungsspitze um Holger Apfel.

Dienstag, 26. März 2013
Tomas Sager

So sähe Holger Apfel seine NPD gerne: Mitglieder, die sich einen Tag Zeit nehmen, um Spielplätze oder Bachläufe vom Müll zu befreien, Aufkleber von Laternenmasten abknibbeln, das örtliche Tierheim besuchen und dort auch noch eine Spende fürs Futter hinterlassen. Am vorigen Samstag sollten die NPD-Mitglieder zu ihrem ersten „Sozialen Tag“ ausströmen und dabei beweisen, dass sie nicht nur für radikale Parolen zu begeistern sind, sondern sich auch für ganz alltägliche Probleme und Problemchen interessieren. Die NPD als „Kümmerer-Partei“, der man vertrauen kann, die mehr zu bieten hat als martialische Demonstrationen und pöbelnde Funktionäre – so könnte das von Apfels propagierte Konzept einer „seriösen Radikalität“ aussehen.

Orientiert man sich an den bisher veröffentlichten Aktionsberichten aus den Kreisverbänden der Partei, ist das Interesse vieler NPDler an solcherart vorpolitischer Vertrauensbildung freilich eher gering ausgeprägt. Viele, wenn nicht die meisten Kreisverbände, scheinen bei der Aktion gar nicht erst mitgemacht zu haben. Andere verzichteten auf eigene Aktivitäten und überwiesen alibihaft Spenden an wohltätige Vereine. Wieder andere beschränkten sich ungeachtet des Aufrufs ihrer Parteioberen, an diesem Tag „aktiv und kreativ für die Gemeinschaft“ zu sein, auf die üblichen Demos oder Infostände. Und auch manche, die beim „Sozialen Tag“ mittun wollten, hatten den Sinn des Ganzen nicht so recht verstanden: Eine gute Idee wäre auch, so schlug ein Kommentator auf der Facebook-Seite der Partei vor, „alte Militäranlagen (nach Säuberung) zu reaktivieren“. Man könne sie „dann sinnvoll nutzen, sei es als Wohnhaus, Camp oder sonst was“.

Amtsvorgänger Voigt hält nichts von „Wischi-waschi-Politik“

Dabei war das Timing der Aktion nicht schlecht. 14 Tage vor ihrem Parteitag hätte die NPD das Bild von Bürgernähe und Alltagstauglichkeit abliefern können. Im Kleinen hätte sie zeigen können, wie sich Parteichef Apfel das Auftreten der NPD vor Ort wünschen würde. Doch der Versuch, wenigstens ein kleines Erfolgserlebnis zu organisieren, lief ins Leere – ein neuerlicher Misserfolg der Parteispitze. Sie steht ohnehin massiv in der Kritik. Prominentester Kritiker ist und bleibt Apfels Amtsvorgänger Udo Voigt. Was Apfel mit seiner „seriösen Radikalität“ meine, sei „immer noch nicht konkretisiert“, ließ er erst in der vorigen Woche noch einmal wissen, um schlagwortartig sein Gegenkonzept zu skizzieren: „Mein Motto bleibt beständig: ,Radikal – Sozial – National’ und von einer ,wischi-waschi-Politik’ halte ich gar nichts.“

Beim Parteitag am 6. und 7. April werden solche Töne öfter zu hören sein. Apfels Gegner planen die Abrechnung mit dem Vorsitzenden, der nach der 15-jährigen Regentschaft Voigts gerade einmal 16 Monate im Amt ist. Auf der Habenseite von Apfels Bilanz steht nach diesen nicht einmal eineinhalb Jahren kaum etwas, abgesehen von ein paar Verbesserungen in der innerparteilichen Organisation. Die Partei verliert weiter Mitglieder, Finanzskandale belasten die Kassenlage. Bei Wahlen im Westen hat die Partei nichts zu gewinnen. Zuletzt scheiterte sie in Niedersachsen mit blamablen 0,8 Prozent.

Apfel hat bisher noch nicht „geliefert“

Dabei hat Apfel die meisten Probleme nicht einmal selbst und direkt zu verantworten. Mitglieder- und Wählerschwund begannen bereits vor seinem Amtsantritt. Auch finanziell hat die Partei immer noch mit Problemen zu kämpfen, die schon in der Ära Voigt entstanden sind. Doch seine Gegner scheinen ihm keine Zeit lassen zu wollen. Auch ein NPD-Vorsitzender muss „liefern“ – und das hat Apfel bisher noch nicht getan. Im Gegenteil: Mit seinen Versuchen, der NPD eine gemäßigtere Außendarstellung zu verpassen, sorgte er dafür, dass etwa in Bayern oder Sachsen Vertreter des radikaleren Flügels die Partei verließen und das Spektrum neonazistischer Kameradschaften teilweise wieder mehr Abstand hielten. Es sei bekannt, so stichelte Voigt gegen seinen Nachfolger, dass er selbst „ein starker Gegner von Unvereinbarkeitsbeschlüssen“ sei. Er werde jedenfalls „unbeirrt an dem Zusammenschluss möglichst aller nationalen Kräfte arbeiten“.

Um mehr als ein halbes Jahr hat die NPD die Wahl ihres Parteivorstands vorgezogen. „Wir wollen, dass der Bundesvorstand angesichts der Bundestagswahl und dem Verbotsverfahren gestärkt ist“, begründete NPD-Pressesprecher Frank Franz diese Entscheidung gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Man kann die Vorverlegung aber auch anders interpretieren: Apfel will sich vorzeitig eine Bestätigung für zwei weitere Jahre im Amt holen. Dass die Delegierten ihm dabei im April folgen, ist wahrscheinlicher als bei einer Abstimmung erst im Herbst, nach einer absehbaren, neuerlichen Pleite bei der Bundestagswahl.

Mögliches Duell bei der Wahl noch offen

Ob es bei der Wahl des Parteivorsitzenden am ersten April-Wochenende zu einem Duell Apfel contra Voigt wie im November 2011 kommen wird, ist unterdessen noch offen. Voigt wolle sich nicht zu einer eindeutigen Aussage hinreißen lassen, ob er antreten werde, bilanzierte die „Süddeutsche“ in der vorigen Woche ein Gespräch mit dem Ex-NPD-Chef. Alles, so Voigt, sei von der Stimmung auf dem Parteitag abhängig.

Medien würden versuchen, einen Streit in die Reihen der Partei zu tragen, klagte Voigt kurz darauf auf der Internetseite des nach ihm benannten „Freundeskreises“, ohne aber seine Aussagen gegenüber der SZ zu dementieren. Zugleich versuchte er seine „Parteikameraden“ zu beruhigen: „Eine Spaltung der NPD wird es nicht geben!“ Udo Voigt als Über-Vater der NPD sieht sich womöglich bereits als Gewinner des Parteitags: Verzichtet er auf eine Kandidatur, hätte er sich um die Einheit der Partei verdient gemacht. Würde er von der „Basis“ gerufen und zur Wahl antreten, dann könnten 16 Monate Apfel nur ein unwesentliches Intermezzo in der Geschichte der Partei gewesen sein.

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