Kriminelle schwarze „Brüder“

Das Schweriner Innenministerium hat am Mittwoch die beiden rechten Rocker-Clubs „Schwarze Schar“ und „Schwarze Jäger“ in Wismar verboten. Das Verbot kam nicht überraschend.

Mittwoch, 08. Januar 2014
Andrea Röpke

Das schicke strahlendweiß getünchte Clubhaus „Zum Schwarzen Herzog“ in Gägelow bei Wismar wurde am Mittwoch leer geräumt. Die Polizeibeamten des SEK aus Schwerin haben ihre Gesichter vermummt, sie tragen Mobiliar und Andenken aus dem Haus im Gewerbegebiet. Tätowierte Rocker schieben einige Motorräder zu einer Biker-Ranch in der Nähe. In das gerade fertig gestellte Privathaus von „Schwarze Schar“-Präsident Philip Schlaffer werden Bierkästen der letzten Party ausgelagert. Es ist groß, weitläufig und repräsentiert Vermögen. Der Ex-Chef der Wismarer Kameradschaft „Werwölfe“ und sein Vize bei der „Schwarzen Schar“, Sebastian Kairies, sind vor Ort.  Die Fahrzeuge der Club-nahen Seestädter Hausmeisterei fahren hin und her. Vor den Tattoo-Läden der Nazi-Rocker in Wismar scheint dagegen alles ruhig, ebenso vor den Modellwohnungen,  in denen Prostituierte für sie arbeiten.

Es ist das erste Verbot eines kriminellen Motorrad-Clubs in Mecklenburg-Vorpommern. Die Erkenntnisse von Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sind nicht neu: Die 25 Mitglieder des „MC Schwarze Schar“ und des „MC Schwarze Jäger“ sollen in diverse Fälle von Gewaltkriminalität verwickelt sein, auch von Drogen und Waffen ist die Rede. Jetzt heißt es im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung, dass es seit Ende 2008 immer wieder zu Angriffen auf Dritte gekommen sei. Zuletzt hatte das rechte „Schar“-Mitglied Christian G. im Juni 2013 beim Stadtfest in Hagenow auf einen Mann eingestochen und einen weiteren niedergeschlagen, wohl weil sich Festbesucher über G.s Kutte lustig gemacht hatten. (bnr.de berichtete)

Enge Verbindung zwischen Rechten und Rockern

Nach aktuellen Erkenntnissen gibt es landesweit 23 Rockerclubs mit zusammen rund 300 Mitgliedern. Erst Anfang 2013 gaben die Polizeibehörden ihre hartnäckige Weigerung auf, eine Verquickung größeren Ausmaßes anzuerkennen. Die Verbindung zwischen Rechten und Rockern sei „enger als angenommen“, erklärte der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, im April dem ZDF und ergänzte: „Wir gehen im Moment von Größenordnungen von fünf Prozent aus, und das sind von etwa 8000 Rockern, die uns bekannt sind, so etwa 400 bis 500.“

Die „Schwarze Schar“  wird zwar seit einigen Jahren von der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern als gewaltbereit eingestuft, doch bezüglich der Verbindung zum rechtsextremen Lager wurde offiziell nur von „Einzelfällen“ gesprochen. Dabei stammen die ursprünglichen „Schar“-Mitglieder eindeutig aus der radikalen Neonazi-Szene der Hansestadt. Als Paradebeispiel gilt Schlaffer, der nach einem Mord und der Auflösung seiner Kameradschaft 2007 den Club gründete. Schlaffers Kameradschaft nannte sich „Werwölfe Wismar“ und betrieb neben Tattoo- und Szeneläden auch eine Neonazi-WG, die „Wolfshöhle II“. Anfang 2007 war nach einer Feier in Wismar ein Bekannter der damaligen „Kameradschaft Werwölfe“ in einer Wohnung ermordet aufgefunden worden. Fünf Neonazis aus Schlaffers Reihen mussten für Jahre ins Gefängnis.

„14 Words“ als Tattoo

Heute fährt der polizeibekannte 34-jährige Glatzkopf Luxuswagen und Harley Davidson (HD). Wie andere Outlaw-Rocker inszeniert die „Schwarze Schar“ den Mythos der Easy Riders, die in einer Parallelwelt nach eigenen Gesetzen leben. Deren „Bruderschaft“ ist der Lebensinhalt, wichtiger gar als die eigene Familie. Denn Frauen gebe es „an jeder Ecke“, heißt es in einem dubiosen Interview mit dem Internet-Portal „Vice“. „Schar“-Mitglieder seien bereit, alles füreinander zu tun, zur Not auch mit Gewalt, erklärte ein Anhänger der Interviewerin ganz offen. Sie seien auch stolz auf ihre „deutsche Herkunft“, tragen „Wolfsangel“ und „14 Words“ als Tattoo. Ihr Clubsong handelt von Stolz und Ehre. 

Auch wenn sich die Rockerclubs unpolitisch geben - dass rechtsextreme Gesinnungen mit dem Wechsel an den Nagel gehängt werden, ist kaum vorstellbar. So waren nach Behördenerkenntnissen 2011 rund 20 Prozent der Delikte, die den „Schwarze Schar“-Mitgliedern bis dahin zugeordnet wurden, politisch motiviert.

Einige weitere Kameraden formieren sich in den unterstützenden MCs „Schwarze Jäger“ oder dem „S 19 Trupp“ (19. Buchstabe = S; ergibt „SS“).  Auf Fotos bei Facebook präsentieren auch sie sich mit befreundeten „Red Devils“ oder „Hells Angels“ aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Bremen.

Neugründung unter „Schwarze Schar Nomads“

Die kriminelle Rocker-Szene bot der Wismarer Gang neue Möglichkeiten, Geld und Macht auszubauen. Der Schritt aus der einen homogenen Hierarchie in die andere ist nicht groß, wenn die Männer vorher zum Beispiel schon als Türsteher oder Tätowierer aktiv waren. 

Diverse Veranstaltungen und Disco-Abende im Clubhaus dienten einerseits dazu, die Vernetzung voranzutreiben, alte Kameraden unauffällig zu treffen, aber auch für eine bürgerliche Tarnung zu sorgen. Offiziell spendeten „Schwarze Schar“ und „Schwarze Jäger“, die den „Hells Angels“ vor allem in Rostock und Schwerin nahe stehen, immer wieder für gute Zwecke und inszenierten Ausfahrten. Doch im Hintergrund sollen sie ihren Rotlichtbereich ausgebaut haben. Es geht die Macht an den Türen, um Security-Dienste, Prostitution und wohl auch Drogen.

Die Rocker gerieten zunehmend ins Visier der Polizeibehörden. Im Juli 2013 wurden die Aktivitäten offiziell eingestellt. Der „MC Schwarze Schar“ gab nach dem Angriff seines Mitgliedes Christian G. vorsorglich zunächst seine Auflösung bekannt – verkündete aber gleichzeitig eine Neugründung unter dem Titel „Schwarze Schar Nomads“. Unter diesem Namen fungiert die Truppe seither – das neue Label und alle Teilorganisationen wie „MC Trupp S 19“ wurden gleich mitverboten.  Bei Facebook verkaufen die Rocker die angebliche Neuausrichtung als „Stärkung der Sozialen Gemeinschaft“, um auch in Zukunft „mit gemeinsamen Ausfahrten, Feiern und wohltätigen Aktionen“ aufwarten zu können. So fand zuletzt anscheinend im Clubhaus in Gägelow die Weihnachtsfeier des „MC Schwarze Jäger“ mit den „Brüdern“ der „Schwarzen Schar“ statt.

Bei Facebook reagierte Philip Schlaffer auf die zahlreichen Solidaritätsbekundungen aus der Szene sofort. Er schrieb: „Lieb von euch“ und in pathetischer Manier weiter: „Mein Rechner macht Urlaub beim LKA! Paar Bilder müssen bearbeitet werden, nun denn ... Danke an alle für den öffentlichen Zuspruch oder die sich privat gemeldet haben. Paar Schilder abhängen, Tattoos abkleben und Fernseher stehlen ... wir sehen uns am Tresen oder auf 2 Rädern und oder in der Hölle...“

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