Radiosender
„Kontrafunk“: Neues Online-Radio verbreitet Altbekanntes
Das Online-Radio „Kontrafunk“ von Burkhard Müller-Ullrich ist eine neue Hoffnung der Neuen Rechten, verbreitet aber Altbekanntes.
„Kontrafunk“ beansprucht, eine „Stimme für Vernunft“ zu sein und versteht sich als Gegenprogramm zum „linksgrünen Regierungsmedienkartell“. Zu Sommerbeginn am 21. Juni ging die Neugründung erstmals auf Sendung. Der Start erhielt von Rechtsaußen unverzüglich Beachtung.
Schon nach wenigen Stunden lobte der thüringische AfD-Funktionär Björn Höcke den Online-Sender. Dieser sei eine „journalistisch hochwertige Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Voller Freude schreibt Geschichtsrevisionist Höcke weiter: „Da es sich um ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz handelt, unterliegt es nicht dem seit 2020 geltenden deutschen Medienstaatsvertrag, durch den der bundesdeutsche Journalismus juristisch gegängelt wird.“ Das stramm rechte österreichische Alternativmedium „Report24.news“ bezeichnete den Sender als „einzigartig im deutschsprachigen Raum“. Er seine eine „immense Bereicherung für jeden Bürger, der eine kritische Berichterstattung bei gebührenfinanzierten Sendern vermisst“. Das islamfeindliche Blog „Politically Incorrect“ kommentierte in einem Wort: „Hoffnung!“.
Wenige Eigenleistungen
Tatsächlich ist „Kontrafunk“ inhaltlich ein Magerprodukt. Der Sender ist zwar 24 Stunden online, verbreitet aber täglich nur wenige journalistische Eigenleistungen. Ganztäglich wiederholte „Morgennachrichten“, dazu ein Interview, ein Podcast und eine Diskussionsendung. Initiiert wurde das Projekt von Burkhard Müller-Ullrich, aktuell in dem schweizerischen Städtchen Steckborn im Kanton Thurgau ansässig, inzwischen 66-jährig. In jüngeren Jahren arbeitete er für öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland und der Schweiz, wie auch für angesehene überregionale Tageszeitungen. Ihnen wirft er nun Verrat an journalistischen Standards vor, so wie viele andere Rechtsaußen.
In einschlägigen Kreisen ist Müller-Ullrich bereits bekannt – hatte er doch als direkte Reaktion auf die Corona-Maßnahmen 2020 den alternativen Polit-Talk „indubio“ im Internetportal „Achse des Guten“ ins Leben gerufen. In der Sendung vom 4. Juni 2000 interviewte Müller-Ullrich Dieter Stein, den Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, eine halbe Stunde zum Thema „Der Zustand der AfD“. Müller-Ullrich, Gelegenheitsautor bei „eigentümlich frei“, ist u.a. Unterzeichner einer „Gemeinsamen Erklärung“ vom März 2018. Darin wird postuliert: „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“
Kooperation mit Alternativmedien
„Kontrafunk“ versteht sich nicht als Konkurrenz zu Formaten wie „Achse des Guten“ oder „Tichys Einblick“. Ganz im Gegenteil, so Müller-Ullrich: „Wir kooperieren, was das Zeug hält. Wir sind das erste deutschsprachige Radio, das deren Werte vertritt.“
Höckes „Kontrafunk“-Lob hat einen nachvollziehbaren Grund. Müller-Ullrich attestiert der AfD, dass sie „immerhin eine ernstzunehmende Größe im bundesdeutschen Politbetrieb“ geworden sei. Und er beklagt, dass die Berichterstattung über den letzten AfD-Parteitag „von A bis Z von Antipathie gekennzeichnet“ gewesen sei. Versagt hätten die „Mainstream-Journalismus“ und die „öffentlich-rechtlichen Sender“. Verschweigen würden die „Leitmedien“ nämlich, „dass die meisten Migranten uns keineswegs bereichern, dass die Abschaltung von Kraftwerken zur Energiekrise führt, dass der Euro eine Fehlkonstruktion ist, dass die Erzählung von der drohenden Klimakatastrophe äußerst zweifelhaft und die geschlechtliche Aufladung der Sprache Humbug“ sei.
Im Klartext: Was „Kontrafunk“ kritisiert, gehört auch zum Programm der AfD. Beide sind für nationalistische Finanzpolitik und für Atomstrom und gegen Migration, europäischen Zusammenschluss, Frauenemanzipation und Maßnahmen zur Stabilisierung des Klimas. Sie bevorzugen einen illiberalen Staat, nahe den Vorstellungen von Viktor Orbàn oder Wladimir
Putin. Und damit sind sie nicht allein.
„Kontrafunk“ positioniert sich als Corona-Widerständler
Den Start begleitete auch die „Junge Freiheit“, publizistischer Senior von Deutschlands Neuen Rechten, mit mehreren Texten und einem Interview. Über die Beschäftigten sagt Müller-Ullrich nur soviel: Ein Drittel der „Kontrafunk“-Redaktionsmannschaft entstamme den Reihen des einstigen Putin-Propagandakanals „Russia Today“, ein anderes Drittel komme vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ein Drittel aus anderen Bereichen.
Ausführlich erzählt er über die finanziellen Hintergründe. Er habe ein Startkapital von 1,2 Euro Millionen gesammelt. Die Gesamtsumme verteile sich auf 36 Investoren, „alles private Mittelständler“. Erster Geldgeber mit 100.000 Euro sei ein „bekannter Journalist“ gewesen. Dessen Namen will er nicht nennen. Dann seien mehrere Großspender hinzugetreten, mit Beteiligungsoption von 25.000 bis maximal 100.000 Euro, damit sich niemand einen großen Einfluss „quasi einkaufen“ könne, so Müller-Ullrich im Gespräch mit der „Jungen Freiheit“. Offiziell sieht es bescheidener aus, wie aus dem Gründungsdossier hervorgeht, hinterlegt beim Handelsregisteramt Zug. Die Aktiengesellschaft, gegründet Anfang Mai 2022, mit Sitz in Cham ZG, stützt sich auf ein Kapital von 100.000 Franken, aufgeteilt in 10.000 Aktien à 10 Franken. 5.000 von Müller-Ullrich selbst und 5.000 von seiner Ehefrau Katja Rückert. Die Aktien sind nur beschränkt handelbar. Aktien kann nur kaufen, wer ins Aktienbuch eingetragen wird. Den Entscheid fällt der einzige Verwaltungsrat: Müller-Ullrich. Im Klartext: Er sitzt am langen Hebel, mindestens vorläufig.
Stimme für die Reaktion
„Kontrafunk“ sendet erst wenige Wochen, aber bereits jetzt lässt sich festmachen: Der Sender ist ein Sprachrohr für jene, die ihre Stellungnahmen gerne mit einer Klage über die gegängelten „Leitmedien“ beginnen. Sei es der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp, Unterzeichner des Appells „Rettet die deutsche Sprache vor dem Duden“ oder die Autorin Monika Maron, die wie Tellkamp bei der „edition buchhaus loschwitz“ publiziert hat. Aus der Schweiz darf der Autor Guiseppe Garcia ans Mikrofon. Er war Mediensprecher des Churer Bischofs Vitus Huonder, der sich zu den Sektenchristen der rechtsklerikalen „Piusbrüder“ zurückgezogen hat. Am 17. Oktober 2021 reiste Huonder aus der Schweiz nach Stuttgart, um in der Prioratskirche Mariä Himmelfahrt der Priesterbruderschaft St. Pius X. ein Pontifikalamt zu zelebrieren und anschließend eine Lichterprozession durch die Straßen von Feuerbach anzuführen.
Garcia, der lange Zeit in mehreren Tageszeitungen regelmäßig zu Wort kam, habe - so das katholische Portal kath.ch - wie der französische Starautor Michael Houellebecq gerne mit der „Political Correctness“ gezündelt, vorzugsweise wenn es um Islam- oder Genderfragen gehe.
Mehrere Unternehmen – ein Briefkasten
Noch näher mit dem neuen Sender verbandelt ist der Zuger Andreas Thiel, von dem einige behaupten, er sei Satiriker. Er Ist seit Jahren auch Weltwoche-Kolumnist und lief in der Pandemiezeit im Umzug der Corona-Skeptiker mit. Mehrere Sendungen „Yoyogaga“, „sprachphilosophische Betrachtungen aus der Schweiz“, hat er über „Kontrapunkt“ ausgestrahlt. Er bietet nicht nur Langeweile für die Ohren, sondern auch - wie der „Sonntagsblick“ berichtete - Müller-Ullrichs Aktiengesellschaft Unterkunft in einem Briefkasten auf dem Gebiet der ehemaligen Papierfabrik Cham/Kanton Zug. Den gleichen Briefkasten nutzen auch drei Aktiengesellschaften, bei denen Thiel involviert ist.
Immerhin einen nützlichen Hinweis bietet „Kontrafunk“, die neue Hoffnung der Neuen Rechten. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld ein Corona-Widerständler und „Querdenker-Philosoph“ (FAZ) an der Uni Lausanne arbeitet. Er behauptet, es gehe bei der Pandemie weniger um Bekämpfung, sondern vielmehr darum, eine „neue Normalität“ zu schaffen, die in einer umfassenden sozialen Kontrolle bestehen soll.
Abgrenzung von „Mainstream-Medien“
Esfeld macht damit deutlich, dass Schreiberinnen und Schreiber der Neuen Rechten viele Plattformen offen stehen: Von „Junger Freiheit“, „Achse des Guten“ und „Tichys Einblick“ über das Feuilleton der NZZ bis hin zur Weltwoche. Da verwundert es nicht, dass für die „Kontrafunk“-Morgensendung zur Lugano-Konferenz auf die Mutmaßungen des Weltwoche-Redakteurs Marcel Odermatt zurückgegriffen wurde. Die Neue Rechte greift ja gerne auf ihresgleichen zurück.
Fazit: „Kontrafunk“ ist für alle, die sich von „Mainstream-Medien“ abgrenzen wollen, da diese politisch nicht mehr konservativ oder rechts genug seien.