Konkurrenz am rechten Rand

Sachsen-Anhalt wählt im kommenden Frühjahr einen neuen Landtag. NPD und „Die Rechte“ treten im Bereich der neonazistisch geprägten Rechten um Wählerstimmen an. Größere Chancen, ins Magdeburger Parlament einzuziehen, trauen die Demoskopen der AfD zu, die in Sachsen-Anhalt mit ihren guten Kontakten zur „Neuen Rechten“ auffällt.

Donnerstag, 23. Juli 2015
Rainer Roeser

Auf sechs Prozent kam die rechtspopulistische Partei in einer Anfang Juli veröffentlichten Umfrage. Unklar ist freilich, wie sich der turbulente Essener Parteitag auf die Stimmung in der Wählerschaft auswirken wird. Ebenso unklar ist, ob Bernd Luckes AfD-Abspaltung „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (ALFA) noch so rasch den Aufbau eines eigenen Landesverbandes angehen kann, dass eine Teilnahme an der Wahl möglich wäre. So oder so: Für die AfD ist die Kandidatur ein Kraftakt. Unmittelbar vor ihrem Essener Parteitag zählte sie in dem 2,24 Millionen Einwohner zählenden Bundesland gerade einmal 308 Mitglieder: umgerechnet ein AfDler auf knapp 7300 Sachsen-Anhaltiner. Gut möglich, dass die Mitgliederzahl im zweitkleinsten AfD-Landesverband in den nächsten Wochen weiter sinkt. Zwar sprach Landeschef André Poggenburg eine Woche nach dem Parteitag nur von „vereinzelten Austritten“, betonte aber zugleich, er erwarte, dass auch in seinem Land bis zu 20 Prozent der Mitglieder die Partei verlassen könnten.

Über Wahlprogramm und Spitzenkandidaten will die AfD noch im dritten Quartal des Jahres entscheiden, wie bei einem Landesparteitag Mitte April in Ziegenhagen angekündigt wurde. Die vier Themenschwerpunkte ihrer Kampagne, die unter dem Motto „Die Stimme der Bürger – unser Programm!“ stehen soll, hat sie bereits genannt. Vorneweg das, was die AfD unter „Innerer Sicherheit“ versteht, dann „Asyl- und Zuwanderungspolitik“ sowie „Bildung und Familie", schließlich „Bürger- und Volksentscheide“. Die AfD wolle verdeutlichen, dass sie „als Bürgerpartei es als ihren direkten Auftrag ansieht, die Stimme der Bürger, also deren Meinung, deren Bedenken oder Gestaltungsabsichten, direkt, couragiert und auch gegen den Widerstand der etablierten Politik unverfälscht in den Landtag zu tragen!“

„Vertreter der patriotischen und nationalen Mitglieder“

Das verspricht rechtspopulistische Töne, ähnlich wie in den Landtagswahlkämpfen im vorigen Spätsommer in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Moderatere Aussagen sind nicht zu erwarten. Eher im Gegenteil: Wohl nicht ohne Grund lud sich die sachsen-anhaltinische AfD zu ihrem Parteitag in Ziegenhagen zwei Gastredner ein, die inner- und außerhalb der Partei für rechte Sprüche bekannt sind: Hans-Thomas Tillschneider, den Chef der „Patriotischen Plattform“ in der AfD, der Vorgaben zum Thema Integration beisteuerte, sowie „Sezessions“-Autorin Ellen Kositza, die über Familien und Familienpolitik sprach.

Beider Anwesenheit beim Landesparteitag war alles andere als ein Zufall. Gemeinsam mit Tillschneiders „Patrioten“ und Björn Höckes Thüringer Landesverband bildet Poggenburg den äußersten rechten Flügel in der Partei, der dafür sorgte, dass der 40-Jährige aus dem Burgenlandkreis inzwischen sogar dem AfD-Bundesvorstand angehört – als „Vertreter der patriotischen und nationalen Mitglieder“, wie er betonte. (bnr.de berichtete) Ellen Kositza wiederum hatte im Februar für Schlagzeilen gesorgt, weil sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem neu-rechten Vordenker und „Sezessions“-Herausgeber Götz Kubitschek, in Sachsen-Anhalt Mitglied der AfD werden wollte. Der Bundesvorstand verhinderte dies. Einen Fürsprecher fanden Kubitschek/Kositza freilich in Poggenburg. (bnr.de berichtete) Die Einladung Kositzas zum kurz darauf stattfindenden Parteitag konnte man als bewusste Provokation der damaligen AfD-Spitze verstehen – abgesehen davon, dass der kleine Landesverband und sein eher zu hohl-pathetischen Tönen neigender Vormann inhaltlichen Input von außerhalb durchaus benötigen dürften.

Auch nach Essen macht Poggenburg in Optimismus. Ein zweistelliges Ergebnis bei der Landtagswahl sei realistisch, wenn die „innerparteilichen Querelen in der gesamten AfD ausgeräumt“ würden, meinte er unlängst. Worauf sich sein Optimismus stützt, ist freilich nicht recht klar: Sowohl bei der Bundestagswahl 2013 als auch bei der Europawahl 2014 schnitt die AfD in Sachsen-Anhalt deutlich schlechter ab als in den anderen Ost-Landesverbänden – und auch schlechter als die AfD bundesweit.

Magida als Bühne

Deutlich weiter als die AfD ist Sachsen-Anhalts NPD in ihren Vorbereitungen auf die Wahl. Bei der Landtagswahl im März 2011 hatte sie mit 4,6 Prozent den Einzug in den Magdeburger Landtag nur knapp verpasst. Anfang Juli wurde sie nun in einer Umfrage auf drei Prozent taxiert. Erwartungsgemäß führt der Landesvorsitzende Peter Walde die Kandidatenliste an. Er setzte sich bei einem Parteitag am 11. April in Tangerhütte (Altmark) als Spitzenkandidat gegen Hans Püschel durch. Auf die folgenden Plätze der Liste wurden Thomas Grey, Andreas Karl, Heiko Krause, Steffen Thiel und Gustav Haenschke gewählt. Die erforderlichen 1000 Unterstützungsunterschriften hat die Partei nach eigenen Angaben bereits beisammen.

Ein Wählerpotenzial hat die NPD auch in Sachsen-Anhalt offenbar im Fußvolk von Pegida entdeckt. So wetterte etwa Peter Walde Ende Juni bei einer Magida-Aktion in Magdeburg gegen  die „Einwanderungsschwemme“ und „türkische Bürgermeister“, die bald das Sagen hätten. Seine Ehefrau Heidrun Walde, die ebenfalls dem Landesvorstand angehört, nutzte Anfang Juli Magida als Bühne, um gegen „Genderisierung“, „Frühsexualisierung“ und „linksgrün-versiffte Blockparteien“ zu Felde zu ziehen.

Unter Druck gerät die NPD von zwei Seiten: auf der einen Seite die AfD, rechtspopulistisch und durch die Neue Rechte beeinflusst, auf der anderen Seite Christian Worchs Neonazi-Partei „Die Rechte“, die erstmals bei einer Landtagswahl auf den Stimmzetteln stehen will. Dass manche in ihrer Partei geradezu die Nähe zur neuen Konkurrenz und Gemeinsamkeiten suchen, ärgert offenbar insbesondere Landesvorständlerin Heidrun Walde: „Gemeinsam???????? Besonders dann zu den Landtagswahlen2016, da wird aus der Gemeinsamkeit dann Konkurrenz, schön mal drüber nachgedacht? Wozu muss in Sachsen-Anhalt dann die Rechte und in Rheinland-Pfalz der 3. Weg gegen die NPD antreten? Versteht Ihr das unter Gemeinsamkeit? Wir nicht!“, empörte sie sich vor einigen Wochen.

Demonstration gegen „Asylforderer“ geplant

Für „Die Rechte“ (DR) tritt der Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Roman Gleißner als „Spitzenkandidat“ an. Er hat gewissermaßen Parlamentserfahrung. Ende der 90er Jahre arbeitete er für einen der Abgeordneten der DVU im Landtag von Sachsen-Anhalt, den es nach der Spaltung der skandalumwitterten Fraktion zur neu gegründeten „Freiheitlichen Deutschen Volkspartei“ (FDVP) zog. Auch Gleißner war zeitweise für jene FDVP aktiv. (bnr.de berichtete) Auf der Liste der „Rechten“ folgen Ingo Zimmermann, Vorsitzende des DR-Kreisverbands Magdeburg-Jerichower Land, sowie Ulf Ringleb auf den nächsten Plätzen. (bnr.de berichtete)

Seit Anfang Juli sammelt die Partei mit „Kundgebungen“ – besser: größeren Infoständen – die erforderlichen 1000 Unterstützungsunterschriften. Gezielt wendet sich die Partei auch an solche Neonazis, die ansonsten mit Parteien nicht viel am Hut haben: „Distanzierungen von Dissidenten, Kameraden und Aktivisten wird es bei uns nicht geben, nur weil man uns mit Verboten droht“, verspricht „Die Rechte“ ihnen. Man benötige „die Unterstützung aller, die es leid sind von den Parteien bevormundet, belogen und für dumm verkauft zu werden“. Helfen soll dabei ein Thema, das auch AfD und NPD in den Vordergrund ihrer Kampagnen rücken: die Asylpolitik. Für den 15. August ist etwa in Oschersleben in der Magdeburger Börde eine Demonstration gegen „Asylforderer“ geplant.

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