Kommunalwahlen
Kommunalwahl Sachsen – Rechte bleiben deutlich hinter selbstgesteckten Zielen
Die gestrigen sächsischen Kommunalwahlen hatten das Potential, erstmals die AfD in Regierungsverantwortung zu bringen. Auch die rechtsextremen „Freien Sachsen“ stellten in mehreren Gemeinden Kandidat:innen auf. Die erhofften Erfolge blieben allerdings aus.

Gestern wurde in Sachsen in neun von zehn Landkreisen über die zukünftige Besetzung der Landratsposten und in 195 Gemeinden über das Bürgermeisteramt abgestimmt. Die AfD, die in Sachsen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird, malte sich dabei große Chancen aus. Nicht zu Unrecht – schließlich gelang es der Partei bei der letzten Bundestagswahl, fast alle Direktmandate im Freistaat für sich zu gewinnen. Das erhoffte Ziel, erstmals auf Ebene der Landrät:innen ein Amt mit Regierungsverantwortung und entsprechender Macht zu erlangen, wurde jedoch – zumindest im ersten Wahlgang – verfehlt: Keiner der acht Kandidaten konnte sich hier gegen die CDU behaupten.
Dabei hatte die AfD mit ihren Landratsamt-Kandidaten eine denkbar günstige Ausgangslage. Nur drei der bisherigen, in den sächsischen Regionen stark etablierten CDU-Landräte stellten sich zur Wiederwahl. Die AfD hingegen platzierte gleich sechs ihrer Landtagsabgeordneten auf den Wahllisten – und das obwohl diese im Falle einer Wahl ihre Landtagsmandate verlieren würden. Umso ernüchternder dürfte das Ergebnis für die Partei sein: Zwar gelang es der AfD in fünf Landkreisen den zweiten Platz hinter der CDU zu belegen, jedoch konnte letztere bereits zwei dieser Kreise (Leipzig, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) im ersten Wahlgang für sich entscheiden. Das beste Ergebnis für die AfD konnte Polizeikommissar und Landtagsabgeordneter Sebastian Wippel bei der Landratswahl im Landkreis Görlitz einfahren. Mit 35,5 Prozent lag dieser jedoch auch knapp elf Prozentpunkte hinter seinem Konkurrenten von der CDU.
Landratswahl Nordsachsen – 20 Prozent für rechtsextreme Uta Hesse
In Nordsachsen dürfte sich für die Landratsamt-Kandidatin der „Freien Sachsen“, Uta Hesse, bezahlt gemacht haben, dass die AfD hier ausnahmsweise keine:n eigene:n Kandidat:in aufgestellt hat. So wird ihr Ergebnis von 20 Prozent - der mit Abstand höchste Wert der rechtsextremen Kleinstpartei - zu großen Teilen dieser Wählerschaft zu verdanken sein. Dennoch wird es in Nordsachsen zu keinem zweiten Wahlgang kommen: CDU-Kandidat Kai Emanuel konnte sich 62,9 Prozent der Stimmen sichern.
In den Landkreisen Erzgebirge und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mussten sich die Landratsamt-Kandidaten der „Freien Sachsen“ hingegen gegen die AfD behaupten - was sich auch in den erzielten Ergebnissen ausdrückt. Der langjährige Radiomoderator Andreas Hofmann, der auf Wahlveranstaltungen durch antisemitische Verschwörungserzählungen auffällig wurde, belegte in letzterem Landkreis mit 10,5 Prozent lediglich den letzten Platz. Stefan Hartung, seines Zeichens NPD-Kreisvorsitzender und Kreisrat im Erzgebirgskreis, kam auf 10 Prozent, womit er die Kandidaten von FDP und Linke überholte.
Bürgermeisterwahl Strehla – Knapp 10 Prozent für NPD-Landesvorsitzenden
Hartung war jedoch nicht das einzige NPD-Mitglied, das unter dem Banner der „Freien Sachsen“ zur gestrigen Kommunalwahl angetreten ist. In Strehla wurde der sächsische NPD-Landesvorsitzende und Chefredakteur der Parteizeitung „Deutsche Stimme“, Peter Schreiber, für die Bürgermeisterwahl ins Rennen geschickt. Schreiber, selbsternannter „Rebell“ mit der Absicht das Rathaus zu „erobern“, geriet wenige Tage zuvor offen in Konflikt mit seiner AfD-Mitbewerberin Uta Heine. Beide hatten für vergangenen Freitag eine Wahlkampfveranstaltung auf dem Strehlaer Markt angemeldet. Nachdem es Heine „unmöglich“ schien, „beide Veranstaltungen zu trennen“, sagte sie ihre Veranstaltung ab und drohte Schreiber im Nachgang damit, seine zukünftige Wohnungssuche in Strehla zu erschweren. Durchsetzen konnte sich jedoch mit 87,1 Prozent der amtierende Bürgermeister, Jörg Jeromin. Heine erreichte lediglich 3,3 Prozent, Schreiber immerhin 9,7 Prozent.
Im nahe Heidenau liegenden Dohna hatten die knapp 6.200 Menschen lediglich die Wahl zwischen zwei Kandidat:innen: Dem seit 2008 amtierenden Bürgermeister und Kreistagsmitglied Ralf Müller, sowie Ulrike Böhlke von den „Freien Sachsen“. Auch wenn Müller mit 69,9 Prozent deutlich gewann, haben die „Freien Sachsen“ hier mit 30,1 Prozent ihr landesweit höchstes Ergebnis einfahren können. Anders verhält es sich für den politisch unerfahrenen Bürgermeisteranwärter und Gastwirt, Rainer Umlauft, in der Stadt Grimma. Dieser unterlag mit 6,3 Prozent der Stimmen auch dem Kandidat der Linken, Tobias Burdukat (7,8 Prozent), dessen Kandidatur die „Freien Sachsen“ im Vorfeld der Wahl durch vermeintliche Formfehler zu verhindern gesuchten. Auch hier konnte sich stattdessen der seit 2008 regierende CDU-Oberbürgermeister Matthias Berger durchsetzen – und das mit klaren 85,9 Prozent.
Im westsächsischen Dorf Niederfrohna wollten die „Freien Sachsen“ mit dem rechten Gewerkschaftler und Karosseriebauer Frank Neufert die „Regierung abstrafen“. Neufert, der in der Vergangenheit für die AfD im Zwickauer Kreistag saß, gelang dieses Ziel jedoch nicht: Mit 8,1 Prozentpunkten konnte er lediglich den letzten von drei Plätzen belegen. Mit deutlicher Mehrheit (83 Prozent) behauptete sich auch hier ein Christdemokrat.
„Freie Sachsen“ unterstützten AfD im Wahlkampf
Nicht nur in Dohna zweifelten die „Freien Sachsen“ die Legitimität von Mitbewerbern an. Auch in Dresden wurde der Wiederantritt des amtierenden Oberbürgermeisters Dirk Hilbert, der für die Wählervereinigung „Unabhängige Bürger für Dresden“ kandidierte, aufgrund von Unstimmigkeiten bezüglich der Form stark angegriffen. Laut eigener Aussage erstatte man Mitte April sogar Strafanzeige wegen des Verdachts auf Wahlfälschung gegen den verantwortlichen Wahlleiter. Wahrscheinlich sollte dies auch dem Zweck dienen, den Querdenker Marcus Fuchs sowie den AfD-Kandidaten und Europaparlamentsabgeordneten Maximilian Krah zu stärken. Erfolgreich war man mit diesem Vorhaben jedoch nicht: Hilbert konnte zwar nicht die absolute Mehrheit erringen, geht aber mit 32,5 Prozentpunkten vorerst als Wahlsieger hervor. Krah, der über gute Kontakte zum neu-rechten „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda verfügt, konnte mit lediglich 14,2 Prozent ein denkbar schlechtes Ergebnis in der „Pegida-Hauptstadt“ erreichen.
Während man ideologisch verbundene Kandidaten in Dresden nur indirekt unterstützt hat, gab man für Freital von Seiten der „Freien Sachsen“ eine klare Wahlempfehlung: Der Kandidat der „Konservativen Wählervereinigung“ und amtierende Oberbürgermeister, Uwe Rumberg, ein „Bürgermeister mit Rückgrat“ sei zu wählen. Veranlasst wurde diese Parteinahme durch Rumbergs Solidarisierung mit den „Montagsprotesten“ gegen die Corona-Maßnahmen - so trat er schon im Juni 2020 aus Protest gegen die staatliche Corona-Politik aus der CDU aus. Pikant ist außerdem, dass Rumberg nachweislich über Kontakte zum bekannten Reichsbürger und selbsternannten „König Deutschlands“, Peter Fitzek, verfügt. Inwieweit die Wahlempfehlung der „Freien Sachsen“ für den Sieg Rumbergs mit 60,8 Prozent verantwortlich ist, bleibt derweil offen.
CDU als vorläufiger Wahlgewinner – AfD noch nicht aus dem Rennen
In der nordsächsischen Stadt Delitzsch fand die Oberbürgermeisterwahl bereits am 29. Mai statt. Dort kandidierte unter anderem der rechte Szene-Aktivist Hagen Grell. Da sich im ersten Wahlgang keiner der vier Kandidaten mit der absoluten Mehrheit durchsetzen konnte, wurde hier gestern erneut gewählt. Dabei gelang es dem Amtsinhaber Manfred Wilde sich mit 54,5 Prozent der Stimmen zu bewähren. Grell, der in seinem Telegram-Kanal bereits Ende Mai akzeptierte, dass er den vermeintlich „schlimmen Jahren, die uns bevorstehen werden, im Großen nichts mehr entgegensetzen kann“, konnte sein Ergebnis aus dem ersten Wahlgang um nochmals knapp zwei Prozentpunkte auf 5,6 verschlechtern.
Auch wenn die erhofften großen Erfolge der rechten Parteien bei den aktuellen sächsischen Kommunalwahlen ausblieben und die CDU sich vorerst als Wahlgewinner abzeichnen konnte, kann noch nicht von einer „Entwarnung“ gesprochen werden. In sechs Landkreisen und in Dutzenden Gemeinden in Sachsen steht am 3. Juli ein zweiter Wahltermin bevor. Insbesondere in den Landkreisen Bautzen und Görlitz, in denen die AfD nur mit jeweils knapp zehn Prozentpunkten hinter den jeweiligen CDU-Kandidaten steht, könnte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden. Die Verhinderung eines zukünftigen AfD-Landratsposten könnte jetzt also auch von der strategischen Bündnisarbeit der demokratischen Parteien abhängen.