Kommentar: Auf dem falschen Weg

Ein Jahr hatten der Chef der Frankfurter Buchmesse Juergen Boos und sein Team Zeit, einen angemessenen Umgang mit rechtsorientierten Verlagen auf der Messe zu finden. Bei einer Veranstaltung des Manuscriptum-Verlags mit dem völkischen AfD-Politiker Björn Höcke entpuppt die eingeschlagene Strategie als fatal.

Montag, 15. Oktober 2018
Fabian Jellonek

Die Rolltreppen sind abgesperrt. Die Aufzüge abgestellt. Irgendeinen Weg ins tiefer gelegene Stockwerk müsste man als akkreditierter Pressevertreter nehmen können, um vernünftig über eine dort stattfindende Veranstaltung mit Björn Höcke zu berichten. Im Veranstaltungskatalog der Buchmesse ist diese Veranstaltung als „öffentlich“ gelistet. Die Verweise auf die Pressekarten beim Ordnungsdienst bleiben ergebnislos. Das geht nicht nur dem bnr.de-Vertreter und verkleideten Satirikern so, sondern auch einem Journalisten der „Welt“ wird der Zutritt auf das Stockwerk verwehrt.

Nächster Versuch Brandschutztreppe: Runter kommt man, aber der Zugang zur Ebene 4C ist auch hier von Security-Mitarbeitern versperrt.

Über den Evakuierungsweg eines gerade schließenden Restaurants klappt es endlich. Die nächste Hürde ist ein ganzer Pulk aus verschiedenen Sicherheitsdiensten. Die kassieren alle Kameras ein und sind damit für ein halbes Dutzend Kamerateams, darunter Vertreter des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein Videojournalist aus Chile, Endstation.

„Wir können nur noch eine Person reinlassen, sonst wird es zu voll“, wird mir gegenüber durch Security-Mitarbeiter geäußert. Im Saal angekommen entpuppt sich diese Ansage als Lachnummer. Die Veranstaltung, die längst schon begonnen hat, findet vor überwiegend halbleeren Stuhlreihen statt.

Fernsehjournalisten im Flur abgewiesen

Viele der Anwesenden sprechen leise mit ihren Krawatten oder ihrem Hemdkragen und sind damit ebenfalls als Sicherheitsdienste erkennbar. Drei bis vier verschiedene Sicherheitsdienste scheinen hier im Einsatz zu sein, genau ist dies nicht auszumachen. Noch weniger, welcher Dienst hier eigentlich in wessen Auftrag agiert und zu welchen Ansagen befugt ist.

Während Fernsehjournalisten im Flur abgewiesen wurden, filmt ein AfD-naher YouTuber freudig die gesamte Veranstaltung ab. Im Publikum sind einige Kader der „Jungen Alternative“ auszumachen – dabei ist die Messe an dem Freitag eigentlich nur für Presse und Fachpublikum geöffnet.

Die Veranstaltung selbst ist so trostlos wie der fensterlose Raum. Björn Höcke wirkt lustlos, erst gegen Ende, als es um das Thema Verfassungsschutz geht gerät er in Rage, spricht plötzlich mit hochrotem Kopf und schneller werdender Stimme. Den Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes bezeichnet Höcke wörtlich als „Demokratiefeind“. Hintergrund: Stephan Kramer hatte angedeutet, dass das Landesamt für Verfassungsschutz die Thüringer AfD künftig überwachen könnte, sollte diese (wie am Samstag geschehen) Höcke zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl küren. Über Höckes Buch war auf Veranstaltung allerdings wenig zu erfahren.

Neben Höcke sitzen auf dem Podium noch der Herausgeber des rechten Magazins „Tumult“, Frank Böckelmann und der Co-Autor des Höcke-Buchs, Sebastian Hennig. Beide Teilnehmer werden in das Gespräch und die Veranstaltung kaum eingebunden. Böckelmann darf kurz eine Lobrede auf Höcke halten. Als er am Ende der Veranstaltung, nach Höckes Tirade gegen den Thüringer Verfassungsschutz „einen versöhnlicheres Ende“ finden will, unterbindet Moderatorin Bettina Gruber dies.

Behinderung der freien Berichterstattung

Ebenso wird mein Versuch unterbunden, nach der Veranstaltung im Bereich der Rolltreppen, also außerhalb des Veranstaltungsortes Fotos zu machen. Eine Frau, die sich als Mitarbeiterin der Messe zu erkennen gibt, spricht das Verbot aus. „Die Veranstalter wünschen dies so“, sagt die Frau.

Klar war, nach den Tumulten im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung des Antaios-Verlag, mussten die Veranstalter der Buchmesse ein Konzept finden, wie sie mit den extrem rechten Verlagen umgehen wollen. Die eingeschlagene Strategie entpuppte sich bereits am ersten Tag der Buchmesse als Lachnummer: Antaios-Verleger Götz Kubitschek hatte einen Strohmann seinen Wunschstandort anmieten lassen und war nun prominent auf der Messe vertreten. Die Anmeldung durch einen vollkommen neuen Verlag, ohne Programm, ohne Eintrag im Handelsregister war den Messemachern wohl nicht aufgefallen?

Alle Anstrengung investierten Juergen Boos und sein Team dagegen darin, möglichst allen Kritikern der rechten Verlage den Zutritt zu deren Veranstaltungen zu verwehren. Das Ergebnis: Ein abgesperrtes Stockwerk, massive Polizeipräsenz, eine entwürdigende Schnitzeljagd für Journalisten beim Versuch eine öffentliche Veranstaltung zu besuchen und schließlich die Behinderung der freien Berichterstattung auf Wunsch der rechten Verlage.

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