Leisnig
Kohlmanns völkische Truppe
Neonazis aus Leisnig kandidieren bei der sächsischen Kommunalwahl für die „Freien Sachsen“.
Kennenlernen bei Kaffee und Kuchen. Auf dem Marktplatz im sächsischen Leisnig sollen am kommenden Samstagnachmittag die Kandidaten der „Freien Sachsen“ für die Stadtratswahl vorgestellt werden. Wenig überraschend sind darunter bekannte neonazistische Neusiedler: Christian Fischer und Lutz Giesen. Am 9. Juni werden in Sachsen die Mitglieder von zehn Kreistagen, 418 Stadt- und Gemeinderäten sowie hunderten Ortschaftsräten in voraussichtlich 206 Gemeinden für die Amtsperiode bis 2029 gewählt.
Die „Freien Sachsen“ um die rechtsextremen Rädelsführer Martin Kohlmann, Stefan Hartung und Michael Brück haben sich 2021 als Partei formiert. Trotz der zum Teil militanten politischen Herkunft ihrer Kerntruppe und heterogener ideologischer Strukturen verankern die „Freien Sachsen“ sich im bürgerlichen Spektrum.
„Wahlen alleine werden uns nicht retten“
Zur Zeit wird massiv zur Unterstützung durch Unterschriften mobilisiert, um großflächig bei den Kommunalwahlen antreten zu können. „In den Kreisen Görlitz und Bautzen treten wir gemeinsam als Bündnis Oberlausitz / Freie Sachsen an, in Chemnitz als Pro Chemnitz / Freie Sachsen“, heißt es in deren Kanälen.
Martin Kohlmann kündigt an: „Vorab: Nein, Wahlen alleine werden uns nicht retten. Sie sind aber eine Möglichkeit, politischen Einfluss auszubauen und schrittweise in Machtpositionen vorzurücken, in denen das patriotische Lager politische Gestaltungskraft ausüben kann. (..) Bei den Kommunalwahlen in Sachsen werden die Freien Sachsen und die AfD flächendeckend auf Kreisebene, in den kreisfreien Städten und in vielen Kommunen antreten.“
Aktiv in der HDJ
Laut Behauptung des Chemnitzer Anwaltes gesellen sich lokale Wählergemeinschaften um sie wie z.b. die „Konservative Mitte“ oder die „Freien Wähler Dresden“ („nicht zu verwechseln mit der soft-gespülten Bundesvereinigung der Freien Wähler“). Er hat Hoffnung, dass sich in kreisangehörigen Kommunen „noch viel mehr unabhängige Bürgerbewegungen, die schon jetzt starke, zweistellige Ergebnisse erzielt haben“ anschließen.
Die fünfköpfige Leisniger „Mannschaft“ der rechtsextremen Protestbewegung und Partei um Martin Kohlmann präsentiert sich bereits auf Flyern. Der Auftritt soll volksnah erscheinen. Allen voran Christian Fischer, der 41-jährige Schlosser aus dem Ortsteil Zschockau will sich „um eine familienfreundliche Kommunalpolitik“ kümmern. Er ist einer der bekanntesten Neonazis Sachsens, gehört zur Initiative „Zusammenrücken“, die für eine gezielte völkisch-orientierte Ansiedlung in den ländlichen Regionen wirbt. Der aus dem niedersächsischen Vechta stammende Fischer war „Stützpunktleiter“ der NPD und bis zum Verbot 2009 in der verfassungsfeindlichen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) aktiv.
„Rasseschulung“
Im Juli 2006 startete eine 26-Mann-starke „Lagermannschaft“ junger Männer um Christian Fischer zu einem paramilitärischen Camp nach Wilsum an der holländischen Grenze. Das Lager unter Beteiligung von HDJ-Aktistist*innen und „Freie Nationalisten Vechta“ stand unter dem Motto „Leben ist Kampf“, man wolle den jungen Kameraden „vor allem neue Kraft geben, um sich dem maroden System der BRD weiterhin entgegen zu stellen“, hieß es auf der Webseite der Gruppierung.
Fotos, die später der Staatsanwaltschaft Osnabrück vorlagen und veröffentlicht wurden, zeigen Posen im Söldnerstil. Scheinhinrichtungen mit einem Schwert sind zu sehen, einem Jungen wird eine Waffe in den Mund gedrückt. „Die Bilder zeigen, dass es sich nicht um ein harmloses Pfadfinderlager handelte“, sagte ein Osnabrücker Staatsanwalt während der Pressekonferenz im April 2007. Wegen einer „Rasseschulung“ in einem NPD-Heim bei Osnabrück musste sich Fischer danach mit zwei weiteren HDJ-Angehörigen vor Gericht verantworten. Sie hatten Kindern den nationalsozialistischen Hetz-Film „Der ewige Jude“ vorgeführt. Vor dem Landgericht Berlin gaben sich die Angeklagten 2010 reuig. Fischer ließ über seinen Anwalt erklären, er könne über sein Verhalten „heute nur den Kopf schütteln“.
Anmelder des Neonazi-Aufmarsches in Dresden
Zu den „Freie Sachsen“-Kandidaten gehört auch der polizeibekannte Lutz Giesen aus dem Leisniger Ortsteil Naunhof. Auch er beteiligte sich an HDJ-Aktionen, führte paramilitärische Camps in Schweden durch. 2023 wird Giesen namentlich in der Verbotsverfügung der als verfassungsfeindlich eingestuften „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ aufgeführt. Bei ihm wurden lauten Behördeninformationen Schriften über Hitler-Stellvertreter Heß sichergestellt („Rudolf Heß spricht zu uns“). Ebenso ein Vortrag zum Thema: „Die Struktur der Volksgemeinschaft“.
Seit einigen Jahren organisiert Giesen den jährlichen rechtsextremen Marsch zur Bombardierung Dresdens mit und tritt als Anmelder auf. Zudem gibt er sich presserechtlich verantwortlich für das „unabhängige Infoblatt Leisnig.info“. Dort heißt es, man verspreche sich ein „außergewöhnliches Wahlergebnis“. Und wolle an „die Nichtwähler und die enttäuschten AfD-Wähler“ heran, „die von ihrer Partei mehr als nur Pöstchenschacherei erwartet haben. Schließlich sind die `Freien Sachsen´ die ersten, die sich von niemandem distanzieren, der es gut meint. Damit sind sie der AfD weit voraus.“
Weitere Kandidaten der „Freien Sachsen“ in der 8.000 Einwohner zählenden Stadt sind Mathias König, Maik Czapska sowie Dierk Zienicke.