Kleinverlag für die Neue Rechte
Der Jungeuropa-Verlag aus Dresden veröffentlicht Schriften bekannter rechtsextremer Intellektueller aus Frankreich.
Der Aufstieg der AfD als gesellschaftspolitischer Rechtsruck hat auch für die Neue Rechte zu einer Renaissance geführt. Dafür steht die mediale Aufmerksamkeit für das Institut für Staatspolitik und seine Publikationen, aber auch die Gründung von einschlägigen Kleinverlagen. Als Beispiel dafür kann der Jungeuropa-Verlag in Dresden gelten: Nach den Aussagen auf seiner Internetseite sei er „die publizistische Folge einer festen Überzeugung, dass Europa als historische und kulturelle Einheit zwingend zusammengehört“. Man wolle „längst vergessene Schätze … unseres gemeinsamen europäischen Erbes“ bergen.
Die ersten beiden Bücher, die in dem im September 2016 entstandenen Unternehmen erschienen, stehen indessen in einer rechtsextremen Europa-Tradition. Denn sie stammen von dem französischen Euro-Faschisten und Schriftsteller Pierre Drieu la Rochelle und von dem zeitweilig militanten Aktivisten und Vordenker der französischen Neuen Rechten Dominique Venner.
Eine derartige Auswahl kann nicht verwundern, wirft man einen Blick auf den Verlagsgründer und den Verlagslektor: Der Erstgenannte ist Philip Stein. Er studiert Geschichtswissenschaft sowie Germanistik und Philosophie an der Universität Marburg. Bekannt wurde Stein zuvor mit dem Buch „Junges Europa. Szenarien des Umbruchs“, das er 2013 mit Felix Menzel veröffentlichte. Beide publizierten in der „Blauen Narzisse“, einem Blatt aus dem politischen Umfeld des Instituts für Staatspolitik.
Anhänger eines besonderen französischen Rechtsextremismus
Dort ist auch Benedikt Kaiser als Autor der „Sezession“ und als Lektor im Verlag Antaios beschäftigt. Ähnliche Aufgaben nimmt der studierte Politikwissenschaftler auch für den Jungeuropa-Verlag wahr. In den genannten Büchern von Drieu la Rochelle und Venner sind ausführliche Einleitungen von Kaiser enthalten. Dieser will so die offenkundig von ihm bewunderten Autoren der deutschsprachigen Leserschaft näher bringen. Bei ihnen handelt es sich zwar nicht um Anhänger der Ideologie des deutschen Nationalsozialismus, aber um die eines besonderen französischen Rechtsextremismus.
Pierre Drieu la Rochelle (1893-1945) gehörte in den 1930er Jahren zu den bekannteren französischen Schriftstellern und näherte sich gerade in dieser Phase dem französischen Faschismus an. 1936 trat er aus Bekenntnis dazu der „Parti populaire francais“ bei, verließ sie aber 1938 schon wieder. Während der deutschen Besatzung kollaborierte Drieu ganz offen mit den Nationalsozialisten. Aus Furcht vor Konsequenzen beging er zum Kriegsende 1945 Selbstmord. 1939 erschien sein stark autobiographisch geprägter Roman „Gilles“, der 1966 als „Die Unzulänglichen“ in deutscher Übersetzung erstmals und dann 2016 als Nachdruck erschien. Drieu schildert darin anhand der Figur des „Gilles Gambier“ sein eigenes Leben, wobei er als haltloser und moralarmer Suchender vorgestellt wird. Die bürgerliche Gesellschaft erscheint als eine von Niedergang und Verfall. In den einzelnen Kapiteln finden sich gelegentlich antisemitische Auffassungen. Am Ende nimmt die Hauptfigur am Spanischen Bürgerkrieg teil – auf der Seite Francos.
Einfluss der Schrift Venners auf die „Identitäre Bewegung“
Dominique Venner (1935-2013) war ein zeitweiliger Aktivist der rechtsterroristischen „Organisation de l’armée secréte“ (OAS), die Algeriens Entkolonisierung von Frankreich verhindern wollte. Nach einem Gefängnisaufenthalt erschien 1962 sein Buch „Für eine positive Kritik“, das sich als eine Art Manifest für einen „Leninismus von rechts“ gab. Der Autor entwickelte darin Grundauffassungen zu ideologischen, organisatorischen und strategischen Fragen. Demnach etablieren die Demokratien „die Herrschaft der Korruption und des Geldes“ (S. 44), und als Gegengewichte bedürfe es der Gründung von „wenigen Stützpunkten des Nationalismus“ (S. 67). Bei der Entstehung der französischen Neuen Rechten in den 1960er Jahren spielte diese Schrift Venners eine gewisse Rolle. In der deutschen Erstausgabe findet sich ein Geleitwort von Jean-David Cattin und Philippe Vardon-Raybaud, zwei Aktivisten der „Identitären Bewegung“. Sie schreiben über den Einfluss des Venner-Textes auch auf die Entstehung ihrer politischen Organisation.
Dass der Jungeuropa-Verlag hier einen Neudruck und eine Übersetzung von zwei französischen Rechtsextremisten mit intellektuellem Vermögen veröffentlicht, ist für die Entwicklung der Neuen Rechten auch hierzulande von Relevanz. Es wird deutlich, dass deren Anknüpfungspunkt eben nicht der historische Nationalsozialismus ist. Denn Drieu kollaborierte zwar mit ihm, vertrat aber durchaus andere politische Positionen: Dazu gehörte eine stärkere Ausrichtung auf ein eigenständiges Europa ebenso wie die Negierung des biologistischen Rassismus als alleiniger Weltanschauung. Gleichwohl handelte es sich um Differenzen innerhalb einer Grundrichtung, die eben von einer gemeinsamen Ablehnung der Demokratie im Namen eines identitären Nationalismus geprägt war. Eine derartige Ausrichtung prägt auch die heutige Neue Rechte. Insofern kann es nicht verwundern, wenn sie sich an den genannten historischen Vorbildern orientieren will. Das noch kleine Angebot des neu gegründeten Jungeuropa-Verlags steht dafür.