Keiner liebt sie: Über den „Fahnenträger“ und rechte Extremisten von links
Nur kurze Zeit später frohlockten die „Nationalrevolutionäre“ aus dem Umfeld des Magazins „Der Fahnenträger“ über den offenbar gelungen Coup und begründeten ihre Teilnahme an der DGB-Demo wie folgt: „Da auch wir den Klassenkampf- wie den revolutionären Gewerkschaftsgedanken rückhaltlos bejahen und uns für die Überführung der Produktionsmittel in die Hände der Werktätigen einsetzen, war uns die Teilnahme an dieser Demonstration eine Herzensangelegenheit und eine Selbstverständlichkeit.“ Die Beteiligten rühmten sich, streckenweise „zusammen mit anderen GenossInnen sogar die Spitze des Demonstrationszuges“ gebildet zu haben. Das Motto ihrer Teilnahme an der Demonstration sei dabei die Parole „Eigentum in fremder Hand? Unsere Antwort: Klassenkampf! Deutschland enteignen!“ gewesen.
Auf nunmehr 17 Ausgaben hat es das Querfront-Magazin „Der Fahnenträger“ bisher gebracht. Von den Machern selbst als „Hochglanzmagazin“ bezeichnet, dominierten in den letzten Ausgaben theoretische Debatten um den Syndikalismus und den südamerikanischen Links- und Befreiungsnationalismus die Heftseiten. In jeder der Ausgaben ist dabei insbesondere in den redaktionellen Beiträgen spürbar, wie sehr die Redaktion um Selbstrechtfertigung und Begründung des eigenen Vorgehens bemüht ist. Ganz offenkundig unterliegen die Akteure, die ihre Position selbst „quer“ zur linken und rechten Front definieren, einer breiten Ablehnung in allen Lagern.
Denn nicht nur bei der Beteiligung an linken Demonstrationen begegnen den „Nationalrevolutionären“ immer wieder Probleme. Ganz ähnlich erging es ihnen auch auf einer offenbar von der NPD verantworteten Demonstration zur Schaffung eines nationalen Jugendzentrums in Berlin, bei der es seitens der Veranstalter zu „Repressionsversuchen gegen teilnehmende NR-Aktivisten“ gekommen sei. Sichtlich empört führt der Autor in der Frühjahrsausgabe des Jahres 2008 weiter aus: „Unter Meinungsfreiheit verstehen große Teile des selbsternannten 'Nationalen Widerstandes' scheinbar nur die Freiheit, Antikommunismus, Mordhetze gegen politisch Andersdenkende und Geschichtsrevisionismus propagieren zu dürfen.“
Als rechtlich verantwortlich für das als „interner Rundbrief an Freunde und Aktivisten der volkssozialistischen Bewegung“ gekennzeichnete Blatt wird in der aktuellen Ausgabe ein gewisser Wojciech Trojanowski aus Opole angegeben, die Redaktionsanschrift ist allerdings ein Postfach aus Heringsdorf auf der vorpommerschen Insel Usedom. Unsere Versuche, mit den Machern Kontakt aufzunehmen, um Näheres über die Männer und möglicherweise Frauen hinter dem Projekt zu erfahren, blieben erfolglos.
Der „Fahnenträger“ sei weder der „verlängerte 'Linke Flügel' des 'Nationalen Widerstandes'“ noch ein „faschistisches U-Boot unter syndikalistischer Flagge“, stellt die Redaktion klar. Vielmehr würde eine linksnationale Selbstverortung vorgenommen: „Jenseits des 'rechten Mainstreams', orientiert an Bestandteilen des Rätekommunismus, des Syndikalismus und der 'Dritten Welle' des Weimarer Nationalbolschewismus, mit dem Endziel des nationalen Volksrätestaates.“ Und tatsächlich beschäftigen sich die Autoren Heft um Heft mit aktuellen und geschichtlichen Fragen der politischen Linken: Es geht um den Anarchismus, die Rätedemokratie, Rudi Dutschke, die Weltarmut, Evo Morales und Hugo Chavez. Aber in mindestens demselben Umfang werden diese Themen immer wieder national von rechts gebrochen. Und so ist es auch keine Überraschung, dass sich in den Heften regelmäßig Werbung für Publikationen und Organisationen finden lässt, die sich im rechtsextremistischen Spektrum tummeln. Hierzu zählt nicht nur das grün-braune Ökomagazin „Umwelt&Aktiv“, sondern auch das Mitgliedermagazin „Der Aktivist“ der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) oder der „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS).
Am ehesten könnte die politische Linie des Blattes mit einer rätedemokratischen Aufhübschung des linken Strasser-Flügels des Nationalsozialismus verglichen werden. Jedenfalls distanzieren sich die „Nationalrevolutionäre“ von der Insel Usedom ein ums andere Mal von der „alten“, hitleristischen Rechten und beziehen sich positiv auf Strasser. Trotz aller Gegnerschaft gegenüber der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie wird so zum Beispiel im Vorwort zur aktuellen Ausgabe des „Fahnenträger“ darauf hingewiesen, dass „wir mit Antisemitismus, Antifaschismus und chauvinistischen Avancen sowie sozialdarwinistischen Neigungen keinen gemeinsamen politischen Weg finden werden.“ Auch ein umfangreicher Aufsatz über die „Doppelgründung der NSDAP“ und die „NS-Linke“ um Strasser und Röhm spricht für die unterstellten Sympathien gegenüber dem linken Flügel des historischen Nationalsozialismus.
Im Jahr 2006 fand schließlich ein Koordinierungstreffen der „Gruppe Sozialrevolutionärer Nationalisten“ (GSRN) statt, deren Grundsatzerklärung in der „Fahnenträger“-Ausgabe des Winters 2006/07 veröffentlicht wurde. Begründet wurde in dieser Erklärung dabei nicht nur der Grund für die Ersetzung der Selbstbezeichnung „nationalrevolutionär“ durch „sozialrevolutionär“ - erstere sei nämlich „absolut inflationär“ gebraucht worden -, sondern auch der Kern der eigenen Weltanschauung beschrieben: „Wir bekennen uns zum Ethnopluralismus und stellen klar, dass wir jede Form von biologistischem Rassismus ablehnen. Das deutsche Volk steht in einer Reihe mit den Völkern der Erde. Kein Volk wird von uns als rassisch höher- oder tieferstehend gewertet.“ Demgemäß lehne man imperialistische Herrschaftsansprüche gegenüber Dritten auch radikal ab.
Ähnliches könnte man nun allerdings auch in Schriften der rechtsextremen Partei NPD nachlesen, auch wenn sie tumbe Hitleranhänger nach wie vor in Horden zu ihren Anhängern zählt. Einig sind sich die Macher des „Fahnenträger“ und die NPD außerdem in ihrer Gegnerschaft gegenüber der parlamentarischen Demokratie. Die „Nationalrevolutionäre“ träumen – darin linken Eschatologen ähnlich – von der „Revolution“ und der rätedemokratisch vermittelten Herrschaft des Volkes in unmittelbarer Form, während sich die NPD bis heute im Wesentlichen darüber ausschweigt, was sie denn an die Stelle „des Systems“ setzen will. Die nationalrevolutionäre Form der Demokratie wird unter Anwendung des imperativem Mandats allerdings nicht als offener Prozess des Wettbewerbs von Meinungen und Interessen, sondern romantisch-totalitär als immer schon homogener Willensbildungsprozess unterstellt.
Im Unterschied zum ethnopluralistischen Flügel der NPD halten die „Nationalrevolutionäre“ vom „Fahnenträger“ allerdings nicht am Prinzip des Privateigentums an den Produktionsmitteln fest. Dies machten die Demonstranten vom 1. Mai 2009 nachträglich auf der Internetseite des „Fahnenträger“ auch den radikalen und extremistischen GenossInnen von der linken Front deutlich: „Wenn wir schreiben, dass die Produktionsmittel sich in 'fremder' Hand befinden, so ist damit die Tatsache gemeint, dass eine schmale Kapitalistenklasse das Eigentum an Produktionsmitteln kontrolliert, sich am von den Massen erwirtschafteten Mehrwert fortlaufend bereichert und den Menschen zwingt, sich als abhängiger und entrechteter Lohnsklave oder Sozialleistungsempfänger zu prostituieren.“ Und so wird die dritte oder „Querfront“ wohl auch weiterhin ein ungeliebtes, extremistisches Geschwisterkind der Linken und der Rechten bleiben.
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