Gerichtsentscheidung
Keine Waffen für Rechtsradikale
Anhänger*innen des völkischen Flügels der AfD, der Identitären Bewegung oder des Dritten Weg sind nach Entscheidungen des Verwaltungsgerichts in Köln als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen. Legalwaffen seien ihnen damit zu entziehen.
Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis eines Mitglieds der AfD, das im März 2015 die sogenannte „Erfurter Resolution“ unterzeichnete, ist rechtmäßig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 8. September 2022 entschieden und damit eine Klage eines ehemaligen AfD-Stadtrats abgewiesen.
Voraussetzung dafür war eine Verschärfung des bis Februar 2020 geltenden Waffenrechts. Es wurde dahingehend geändert, dass nun auch die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung innerhalb der letzten fünf Jahre eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründen kann. Tatsächliche individuelle verfassungsfeindliche Betätigungen müssen Betroffenen nun nicht mehr nachgewiesen werden.
„Verfassungsmäßiger Anstrich“ für völkischen Flügel
Seit August 1983 verfügte der Ex-Stadtrat über eine Waffenbesitzkarte für eine Pioneer Bockdoppelflinte Kaliber 12/70 sowie einer Pistole Hege Kaliber 7,65 mm. Diese hatte die nordrhein-westfälische Waffenbehörde am 11. Mai 2021 widerrufen, nachdem bei einer turnusmäßigen Überprüfung des „Waffenscheins“ aufgefallen war, dass der Betroffene nicht nur für die AfD im Stadtrat saß, sondern sich zudem durch Unterzeichnen der „Erfurter Resolution“ und des „Stuttgarter Aufrufs“ zum inzwischen offiziell aufgelösten völkischen „Flügel“ der Partei bekannte. Noch vor Ablauf eines Monats hätte er daher die Schusswaffen zur Vernichtung bei der Kreispolizeibehörde abgeben müssen.
Stattdessen klagte der Flügel-Anhänger gegen die Entscheidung. Er habe formal mangels Organisationsstruktur gar nicht Mitglied des Flügels sein können. Unter dem Flügel, den er als „imaginär“ bezeichnete, seien lediglich politische Überzeugungen zusammengetragen worden, die öffentlich nicht mehr vertreten werden dürften. Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt. Es wies die Klage ab und stellte klar, dass der Kläger bereits durch seine Unterschriften für den Flügel eine Unzuverlässigkeit im Sinne das Waffengesetzes begründete. (20 K 3080/21) Bereits dadurch habe der Kläger dessen gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Aktivitäten Vorschub geleistet. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass er den Flügel in seiner Eigenschaft als gewähltes Ratsmitglied unterstützt habe, was den Bestrebungen des Flügels zusätzliches Gewicht und einen verfassungsmäßigen Anstrich verliehen habe.
Hang zur Gewalt bereits in rechtsradikaler Gesinnung angelegt
Tatsächlich sei eine „zentrale politische Vorstellung“ des Flügels der Ausschluss „ethnisch Fremder“ aus dem Volk. Ein solcher Volksbegriff sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, was sich insbesondere durch die Verwendung unter Rechtsradikalen gängiger Begriffe wie „Umvolkung“ und „(Großer) Austausch“ zeige. Von den Vertretern des Flügels werde auch der Terminus des „Volkstodes“ gebraucht. Dieser Vorwurf, wonach die Regierenden und „die Ausländer“ den „Tod des deutschen Volkes“ herbeiführen, beruhe auf der Vorstellung einer ethnisch homogenen „Volksgemeinschaft“ und „ist der Ideologie des Nationalsozialismus entnommen.“ Dahinter verberge sich eine rassistische Weltanschauung.
„Der Mord an Walter Lübcke zeigt“, begründet das Gericht sein Urteil, „dass Personen mit extremistischer Gesinnung nicht erst dann einer waffenrechtlichen Überprüfung unterzogen werden dürfen, wenn sie ihre Gesinnung umsetzen, sondern schon wegen dieser Gesinnung selbst. Das gilt in besonderem Maße für den Bereich des Rechtsextremismus. Menschenverachtung, ein hohes Aggressionspotential und die Ablehnung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten“ gehörten zum Kernbestand rechtsradikaler Vorstellungen. Daher sei dieses Gedankengut „bereits als solches gefährlich“ und müsse deswegen zu einer Infragestellung der Zuverlässigkeit eines Erlaubnisträgers führen.
Waffenentzug auch für Identitäre und Neonazis
Bereits am 11. August wies das Verwaltungsgericht Köln die Klagen eines Neonazis und einer Anhängerin der Identitären Bewegung gegen den Widerruf ihrer „Kleinen Waffenscheine“ ab. Im Falle des Neonazis stellten die Behörden fest, dass er 2019 an einer Geburtstagsfeier in einem bekannten Treff- und Veranstaltungsort der Szene teilnahm, der auch Rechtsrock-Bands als Proberaum zur Verfügung stehe. Die Feier wurde durch einen Großeinsatz der Polizei beendet. Zudem sei der Neonazi Mitglied der Partei Der Dritte Weg gewesen. Der Kläger will nicht gewusst haben, dass er sich damit in der rechtsradikalen Szene bewegte. Dessen ungeachtet bestätigte das Gericht, dass auch er seinen Waffenschein abgeben muss. (20 K 4549/21)
Die Anhängerin der Identitären Bewegung verfügte laut Waffenbesitzkarte über einen Revolver der Marke Smith & Wesson, Kaliber .357Mag, sowie eine halbautomatische Walther-Pistole mit dem Kaliber 9mm Luger. Die Waffenbehörde entzog ihr die Erlaubnis zum Besitz der Schusswaffen, weil sie als „Führungsaktivistin“ der Identitären Bewegung auffiel und ihr Konto für Spenden zur Verfügung stellte. Auch ihr Kontakt mit dem islamfeindlichen Agitator Michael Stürzenberger und verschwörungsideologische Äußerungen zu einer sogenannten „New World Order“ spielten eine Rolle. Außerdem habe sie Beziehungen zu einer Gruppe unterhalten, deren Mitglieder an Schießübungen teilnahmen und versucht hätten, Strukturen nach dem Vorbild militärischer Stäbe zu errichten. Auch hier geht es um Begriffe wie „Volkstod“ und „(Großer) Austausch“. Mittlerweile soll die Klägerin Vorsitzende des Citadelle e.V. sein. Sie selbst will darin nur einen „vereinzelten Kontakt“ mit der Identitären Bewegung erkennen. Auch ihre Klage wies das Verwaltungsgericht Köln ab. (20 K 2177/21)
Noch können Rechtsmittel gegen die Entscheidungen eingelegt werden.