Nach IZH-Verbot

Keine Freude rechtsaußen über Islamisten-Verbot

Diese Woche verbot Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Vereinigung Islamisches Zentrum Hamburg (IZH) und angeschlossene Strukturen. Die Organisation galt als verlängerter Arm des iranischen Mullah-Regimes und propagierte Antisemitismus und Islamismus. Wer nun Zustimmung von Seiten selbsternannter Kämpfer gegen „die Islamisierung“ erwartet hatte, wurde enttäuscht. Dafür gab es lautstarke Kritik.

Sonntag, 28. Juli 2024
Thomas Witzgall
Kayvan Soufi-Siavash - Martin Sellner - Hans-Thomas Tillschneider
Kayvan Soufi-Siavash - Martin Sellner - Hans-Thomas Tillschneider

Nicht geäußert hat sich die Organisation, die den angeblichen Kampf gegen Islamisierung im Namen trägt: Pegida. Die rassistische Straßenbewegung um Lutz Bachmann hatte andere Themen und teilte etwa ein Video des „freundlichen Gesicht des NS“, Matthias Helferich, wie man linken Vereinen das Leben schwer machen könne und stieg in die Kampagne gegen Kamala Harris ein.

Der noch immer rekonvaleszente Michael Stürzenberger von der islamfeindlichen „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) brachte dazu auf Telegram eine auffallend sachlich formulierte Meldung, die aber viel Zustimmung erfuhr und seine Fans in einen wahren Verbotsrausch brachte: Von den Jusos, über die Ampelregierung bis hin zu jeder Moschee sollte alles bald verboten werden.
 

Lange gefordertes Verbot jetzt "Ablenkung"

Deutliche Zurückhaltung, wenn nicht gar Kritik, kommt von Akteuren aus dem Kosmos der Neuen Rechten. Für Martin Sellner, Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, sei das Ganze „natürlich Ablenkung“, was er mit dem Hashtag „compact“ untermauert. Das Verbot, immerhin gegen fünf Gruppen in ganz Deutschland, sei nur aus angeblich geopolitischen Interessen erfolgt und richte sich deshalb nur gegen Schiiten. Den radikalen Islam treffe es kaum. Sellner Kampf gilt ohnehin islamischen nicht islamistischen Parallelgesellschaften. Menschenunwürdig abwertend spricht er davon, einzelne Gruppen seien nur ein Pilz, Eingriffe könnten rasch über „Ersetzungsmigration / Geburten“ ausgeglichen werden.
 

Auch der AfD-Europaabgeordnete Tomasz Froelich kommentiert das Verbot ähnlich. Es gehe nur gegen Muslime, die geopolitisch gegen den westlichen Strom schwämmen. Auch er betont, es solle nur vom Verbot des Compact-Magazins ablenken. Für den AfD-Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, noch immer Akademischer Rat auf Zeit an der Universität Bayreuth am Lehrstuhl für Islamwissenschaften, stand die Blaue Moschee in Hamburg, in der sich die Zentrale der IZH befand, für einen „Islam in Deutschland vor der Masseneinwanderung“. Die Altparteien hätten mit dem Verbot die „traditionell guten deutsch-iranischen Beziehungen“ zerstört. Das in Österreich ansässige extrem rechte Medium „Info-Direkt“ kritisierte, Bundesinnenministerin Nancy Faser gehe überbordend gegen alle ihr nicht passenden Haltungen vor.

Verschwörungsideologen, Neonazis, Identitäre auf einer Linie

Für den Verschwörungsideologen Kayvan Soufi Siavash (Ken Jebsen) war das Verbot des IZH nur ein „Bauernopfer“, mit dem das „Regime“ davon ablenken wolle, dass „die Opposition“ im Land gerade ausgeschaltet würde. Auch er spielt damit auf das Verbot der Verlagsgesellschaft um Jürgen Elsässer an. Das Verbot einer Moscheegemeinde solle laut Siavash die Rechtfertigung liefern, dass man dann auch die Pressefreiheit einschränken dürfte. Tatsächlich war und ist für das Verbot von Medien herausgebenden Organisationen das Vereinsrecht einschlägig. Er kritisiert Innenministerin Faeser, die ein Klarstellung veröffentlicht hatte, wonach sich das Verbot nicht gegen Muslime richte. Das Statement wurde unter anderem vom bayerischen Landesverband des NPD-Nachfolgers „Die Heimat“ geteilt. 
 

Michael Brück, früher einer der bekannteren Neonazis aus Dortmund und seit einiger Zeit für die Freien Sachsen aktiv, schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Sellner. Das Verbot sei aus den USA befohlen worden und solle deren Eskalationskurs gegen den Iran vorantreiben. Islamische Vereine, die ein Kalifat fordern würden, blieben unbehelligt. Er spielt damit wohl auf die ebenfalls in Hamburg aktive Organisation „Muslim Interaktiv“ an. Der Historiker und Experte für die Neue Rechte in der Weimarer Republik, Volker Weiß, nennt die Gruppe Allahs Identitäre, weil sie deren Aktionsformen und Branding übernommen hätten. Brück bilanziert, für „Patrioten“ gebe es keinen Grund, sich über die Maßnahme zu freuen, eher im Gegenteil.

Neurechte Anerkennung des Islamismus

Weiß war es auch, der auf explizite Verbindungslinien zwischen dem neurechten Spektrum und Islamisten hinwies. Im Kampf gegen den unsichtbaren Gegner, dem Liberalismus, wird der politische Islam durchaus als Verbündeter betrachtet, auch wenn die Anwesenheit von Muslimen im europäischen Raum bekämpft wird und die Identitären antisemitische Vorfälle von Migranten gerne als Begründung der eigenen ethnopluralistischen Vorstellungen heranziehen, nach denen Israel im Gegenzug als raumfremde – westliche – Macht im dem Islam zugestanden Kulturraum anzusehen sei. 
 

Eine besondere Solidarität mit Israel kennt die Szene um Sellner deshalb nicht, aber auch nicht die dezidierte Anfeuerung und Anerkennung der Hamas und eines palästinensischen Staates, wie sie von Die Heimat, dem Dritten Weg oder der neonazistischen Partei Die Rechte bekannt sind. Einen Schutz vor Antisemitismus böten auch die Kreise um Sellner und Kubitschek nicht. Der von der Neuen Rechten sehr stark rezipierte Endzeit-Mystiker Alexander Dugin hatte nach den Angriffen vom 7. Oktober auf einen Dritten Weltkrieg von Russland, China und dem „Weltislam“ gegen „die Globalisten“ gehofft. Auf Muslime als Bündnispartner gegen Briten und Franzosen hatten schon deutsches Kaiserreich und Nationalsozialismus gesetzt. Nur gab und gibt es diesen „Weltislam“ nicht, worauf David Motadel in „Für Prophet und Führer – Die islamische Welt und das Dritte Reich“ hinwies. 

Neue Rechte kein Bollwerk gegen Antisemitismus

Weitere Gemeinsamkeiten sind die Ablehnung der Verantwortung aus der Shoah, die eine besondere Beziehung zu Israel begründet. Jürgen Elsässer hatte bereits 2014, also lange vor den aktuellen Auseinandersetzungen Israel einen Genozid in Gaza vorgeworfen, wohl um aus Opfern Täter zu machen. Weiß thematisierte auch den Autor Baal Müller, der in der Kaplaken-Reihe von Kubitscheks Antaois-Verlag, die Erinnerung an die Schoah als „Stiftung einer neuen säkularen Religion“ durch „amerikanisch-jüdische“ Sieger diskreditierte. Müller, der laut Weiß damit einen angeblichen Identitätsraub an den besiegten Deutschen konstruieren wollte, arbeitet heute für die bayerischen AfD-Landtagsfraktion.

Teilweise gilt laut Weiß in neurechten Kreisen sogar die konservativ gekleidete muslimische Frau der modernen Frau als überlegen, weil sie sich westlichen Einflüssen verwehrt und gebiert, statt sich an Karriere und Genderideologie festzuklammern. Weiß´ Fazit: Der politische Islam, der Islamismus, finden in den Kreisen der Neuen Rechten Bewunderung als Widerstandsbewegung gegen die westliche Moderne und Bewunderung, wenn die Akteure nicht in Europa sind. Mit dem zeitnah zum Vorgehen gegen Compact erfolgten Verbot kam nur ein weiterer Argumentationsstrang hinzu.  
 

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