Landgericht Berlin
Kalbitz kämpft
Vor knapp zwei Jahren wurde der damalige Vorsitzende der AfD in Brandenburg, Andreas Kalbitz, aus der Partei geworfen. Über seine mögliche Rückkehr muss nun das Landgericht Berlin entscheiden.

Was haben Jörg Meuthen und Andreas Kalbitz gemeinsam? Beide sind ehemalige Mitglieder der Alternative für Deutschland. Doch während der ehemalige Bundesvorsitzende Meuthen aus eigenen Stücken die Partei verließ, erklärte der AfD-Bundesvorstand im Mai 2020 die Mitgliedschaft des ehemaligen Landes- und Fraktionsvorsitzenden der AfD in Brandenburg für nichtig.
Zwei Monate später bestätigte das Bundesschiedsgericht der AfD diese Entscheidung, so dass Kalbitz seitdem kein Parteimitglied mehr ist. Seitdem geht er juristisch gegen die Aberkennung seiner Mitgliedschaft vor und kämpft für seine Rückkehr in die Partei. Mit einem Eilantrag in zwei Verfahren vor Berliner Zivilgerichten unterlag er bislang, nun steht vor dem Landgericht Berlin die Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die Klage von Kalbitz an.
Ein Wortführer des „Flügel“
Doch es waren nicht seine vorherigen Mitgliedschaften bei der neonazistischen Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) und der Partei „Republikaner“ (REP), die zu diesem Schritt führten. Die Entscheidung fiel, weil Kalbitz diese Mitgliedschaften bei seinem Eintritt in die Partei im März 2013 nicht angegeben hatte. Der damals noch amtierende Bundesvorsitzende Meuthen bezeichnete den Entzug der Mitgliedschaft als juristische Entscheidung, die keine politische Beurteilung gewesen sei. Dem Deutschlandfunk sagte Meuthen anschließend: „Ich habe Andreas Kalbitz (…) in der Arbeit im Bundesvorstand stets als konstruktiv wahrgenommen und ich habe ihn in der Arbeit in der AfD auch nicht rechtsextrem agieren sehen oder hören.“
Dabei war der Oberfeldwebel neben Björn Höcke der Wortführer des extrem rechten „Flügel“, der später formal aufgelöst wurde. Und schon bei seinem ersten „Kyffhäusertreffen“ im Juni 2015 trat Kalbitz als Redner auf. Von ihm stammen Positionen wie: mehr als eine „sinnentleerte, hirnlose, selbstzerstörerische Willkommenskultur“ brauche es eine „konsequente Abschiebekultur“. Deutschland habe auch „kein Problem mit strukturellem Rassismus“, sondern „mit struktureller Inländerfeindlichkeit“.
Der „Flügel“ ist der ganze Vogel
Für Meuthen jedenfalls war der Rausschmiss von Kalbitz ein Punktsieg, um sich als vermeintlich Gemäßigter in der AfD öffentlichkeitswirksam von extrem rechten Strömungen wie dem „Flügel“ abzugrenzen. Gleichzeitig führte die Entscheidung zum Zerwürfnis mit den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Alexander Gauland und Alice Weidel, sowie mit dem Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla.
Doch das Kapitel Meuthen ist seit Ende Januar Geschichte, seine Widersacher aber blieben. Und auch ein Blick auf die AfD in Brandenburg zeigt, dass ohne Kalbitz die Partei dort mitnichten gemäßigter geworden ist. Immerhin ist er als Parteiloser nach wie vor Teil der Landtagsfraktion, die mit Christoph Berndt den Mitgründer des extrem rechten und rassistischen Vereins „Zukunft Heimat“ zu ihrem Vorsitzenden nach Kalbitz machte.
Ohnehin sei die Brandenburger AfD „geprägt vom Gedankengut des völkisch-nationalen Flügels“, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen im Juni 2020. In dem Landesverband sei „der Flügel längst der ganze Vogel“. Auf dem Landesparteitag am zweiten Aprilwochenende in Prenzlau wählten die Mitglieder passenderweise Birgit Bessin zur neuen Landesvorsitzenden. Nach fast zwei Jahren unter kommissarischer Führung soll nun die Kalbitz-Vertraute und Anhängerin des „Flügel“ die Geschäfte des Landesverbandes leiten. Und auch sonst setzte sich die Gruppe um Bessin fast vollständig im neuen Landesvorstand durch und machte ihre Verbundenheit mit Kalbitz deutlich. Wie es der Landtagsabgeordneter Volker Nothing dort ausdrückte: Die Partei und ihre Abgeordneten hätten Kalbitz viel zu verdanken.