AfD-Jugend

Junge Alternative Bayern wählt IB-Aktivisten in den Landesvorstand

Bei der Nachwuchsorganisation der AfD Bayern wird die Abgrenzung zur rassistischen Identitären Bewegung nicht mal mehr zum Schein aufrechterhalten. Bei der Neuwahl des Landesvorstandes wurde ein Aktivist der IB Schwaben zum Schatzmeister gewählt, der zuletzt Anfang Dezember an einer Aktion der Gruppe in Illerkirchberg teilnahm. Die Wahl des Kaders passt zum Kurswechsel, nunmehr offen die Verbundenheit zum rechtsextremen „Vorfeld“ zu betonen. Und es gibt weitere Beispiele.

Montag, 23. Januar 2023
Thomas Witzgall
Schaltuch der Identitären Bewegung. Mit dem Kleidungsstück haben wir den IB-Aktivsten häufiger angetroffen
Schaltuch der Identitären Bewegung. Mit dem Kleidungsstück haben wir den IB-Aktivsten häufiger angetroffen

Im Zuge der turnusmäßigen Neuwahl des Landesvorstands kam es bei der Jungen Alternative Bayern (JA) zu einigen Änderungen. Nach mehreren Jahren an der Spitze gab der Bayreuther Sven Kachelmann das Amt des Vorsitzenden an Michael Stauch, Ratsmitglied im Dachauer Kreistag, ab. Kachelmann bleibt der JA allerdings weiter als stellvertretender Bundesvorsitzender erhalten. Dem Vorstand sollen laut einer Nachricht im Telegram-Kanal des Jugendverbandes noch Franz Schmid als stellvertretender Vorsitzender, Nicolas Brickenstein als Schatzmeister, Philipp Compte als sein Stellvertreter und Florian Simon als Beisitzer angehören.

Als AfD und Identitäre Bewegung in Illerkirchberg

Interessant ist vor allem die Personalie Brickenstein. Mit ihm wählte die JA einen aktiven Identitären in den Landesvorstand. Als sich im Dezember extrem rechte Gruppen nach dem Mord an der 14-jährigen Ece in Illerkirchberg bei Ulm die Klinke in die Hand gaben, war Brickenstein zwei Mal vor Ort: Am 10. Dezember mit der AfD auf der Kundgebung des Landesverbandes und bereits am Mittwoch davor, dem 7. Dezember, mit der Identitären Bewegung bzw. deren Untergruppe, die sich in den sozialen Netzwerken „Wackre Schwaben“ nennt. Auf dem Banner mit dem IB-typischen Lambda wurde die Forderung nach Schließung der Geflüchtetenunterkunft im Ort gefordert. Brickenstein ist auf den Fotos, die die Gruppe an dem Tag vor Ort gemacht hat und die auch vom Kanal der Identitären Bewegung Deutschland geteilt wurden, mit Megafon vor dem Rathaus von Illerkirchberg zu sehen.

Brickenstein mit Schal der IB bei der Querdenker-Demo in Ulm
Brickenstein mit Schal der IB bei der Querdenker-Demo in Ulm

Die Beteiligung war auch keine einmalige Aktion des frisch gewählten JA-Funktionärs, er zählt zu den zentralen IB-Aktivisten in der Region um Ulm. Als etwa im März 2021 Querdenker durch Ulm zogen, schmuggelten sich Brickenstein und ein weiterer Aktivist mit ihrem Banner nach einer Blockade an die Spitze der Demonstration und führten den Umzug an, als dieser am Ulmer Münster zur Abschlusskundgebung eintraf. Beide waren an ihren Schlauchschals mit dem Lambda-Logo gut als IBler zu erkennen.

Banneraktion der IB in Stuttgart - rechts mit IB-Schal wieder Nicolas Brickenstein
Banneraktion der IB in Stuttgart - rechts mit IB-Schal wieder Nicolas Brickenstein

Als sich die Identitäre Bewegung am Rand der Querdenker-Großdemonstration am 3. April in Stuttgart in Szene setzte, war Brickenstein ebenfalls am Banner mit der Botschaft „Heimatschutz statt Mundschutz“ zu sehen. Auch beim Höcke-Auftritt in der Stadthalle von Memmingen im Juli 2021 trat er erneut mit dem IB-Schlauchtuch „Heimatschützer“ aus dem Phalanx Europa-Shop auf. In einem kurzen Werbevideo der IB Schwaben ist er im „MAGA-Shirt“ beim Streifzug durch Stuttgart zu sehen. Laut der Dokumentations- und Rechercheseite "Rechte Umtriebe Ulm" soll er etwa seit 2018 in extrem rechten Kreisen aktiv sein.

Kontrolle auf dem Weg zu einer AfD-Veranstaltung mit Björn Höcke in Memmingen - Brickenstein wieder mit IB-Schal
Kontrolle auf dem Weg zu einer AfD-Veranstaltung mit Björn Höcke in Memmingen - Brickenstein wieder mit IB-Schal

Partei trifft rechtsextremes Vorfeld

Dass die AfD und ihre Jugendorganisation schon eine ganze Weile wieder auf rassistische und rechtsextreme Gruppen zugehen und das auch nach außen zeigen, ist schon eine Weile zu beobachten. Als Höhepunkt kann hier der letzte Bundeskongress der Jungen Alternative in Apolda gelten. Rund um die Veranstaltung konnten sich viele extrem rechte Initiativen präsentieren, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werden oder zumindest auf dem Weg dorthin sind. Ausstellen durften etwa das Compact-Magazin, der Verlag Antaois samt Institut für Staatspolitik, EinProzent mit „Hydra-Comics“, Phalanx-Europa, das IB-Hausprojekt „Castell Aurora“ sowie diverse Medienprojekte.

Mit Hannes Gnauck wurde mit breiter Mehrheit ein Kandidat gewählt, der vom Militärischen Abschirmdienst als Extremist eingestuft wird. Sein 2021 gewählter Vorgänger Marvin Neumann kam einem Parteiausschluss aus der AfD durch Austritt zuvor, weil rassistische Nachrichten aufgetaucht waren. Bereits 2014 trat Benjamin Nolte laut taz als Vize-Vorsitzender zurück, weil er Alter Herr der Münchner Burschenschaft Danubia ist, deren Aktivitas im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde.

Überschneidungen

Höcke soll in Apolda dem Jugendverband geraten haben, mehr „Identitäre Bewegung als Junge Union“ zu sein. Viel Aufforderung brauchte es dafür wohl nicht. Auf einem Foto, das wie ein Foto der bayerischen Delegation wirkt, ist auch Sven K. aus Ostbayern zu sehen. Er hatte in der Vergangenheit an einigen Aktionen der Identitären Bewegung Bayern mitgewirkt und war etwa auch in Wien zur Demonstration gegen das Verbot des IB-Logos. Auch zu sehen sind zwei Personen aus der Aktivitas der Münchner Danubia, die in der Vergangenheit gelegentlich personelle Schnittmengen mit der Identitären Bewegung hatte. Einer der beiden, Tobias L., war wegen Mitgliedschaft in der IB aus der Bundeswehr entlassen worden. Ein Aufnahmeantrag in die AfD, gestellt in Würzburg, scheiterte laut Informationen der Main-Post erst am Bundesvorstand, bayerische Untergliederungen hätten nichts dagegen einzuwenden gehabt. Dem Bundesverband sollen vor allem Zeitungsberichte über Ermittlungen wegen Waffendelikten Sorge bereitet haben, auch wenn sie eingestellt worden waren.

JA-Funktionär Franz Schmid teilt Beitrag einer IB-Aktivistin auf seinem Instagram-Account
JA-Funktionär Franz Schmid teilt Beitrag einer IB-Aktivistin auf seinem Instagram-Account

Am geschichtsträchtigen 9. November nahmen mindestens zwei zentrale Aktivistinnen der IB, darunter das Werbegesicht Annie Hunecke, an einer Veranstaltung der AfD-Abgeordneten Böhm und Hahn im Landtag teil. Franz Schmid, Bundesschatzmeister und stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Alternative, posierte mit beiden für eine Instagram-Story. Auch hier war wieder das Motto „Partei trifft Vorfeld“. Bei der Veranstaltung, für die namentliche Anmeldung obligatorisch war, war auch der frühere NPD-Landesvorsitzende Karl Richter zugegen.

Autarkie - Souveränität - Remigration - Junge Alternative Schwaben und IB im Gleichklang
Autarkie - Souveränität - Remigration - Junge Alternative Schwaben und IB im Gleichklang

Wenig Interpretationsspielraum ließ auch eine weitere Szene zu. Im Zuge der Diskussion um Nord-Stream-2 startete die Identitäre Bewegung ihre Kampagne „Aktion Solidarität“ mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion am Betriebsgelände. Die Junge Alternative Schwaben baute das Design des IB-Banners mit den zentralen Aussagen eins zu eins nach. AfD-Landeschef Stephan Protschka posierte beim Landesparteitag in Greding bereitwillig mit der JA Schwaben. Auch damals mit am Banner: Nicolas Brickenstein.

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