Konferenz des Compact-Magazins
Jürgen Elsässer im Bauerntheater
Mit einer größeren Veranstaltung beteiligte sich der extrem rechte Publizist Jürgen Elsässer am Wahlkampf der AfD in Bayern. Im Gegensatz zu früheren Events reichte es im Freistaat nur für einen Gaststättensaal in Garmisch-Partenkirchen, in dem sonst das örtliche Bauerntheater spielt. Für die Veranstaltung lud die rechte Szene den britischen Aktivisten Tommy Robinson ein.
Momentan buttert die rechte Szene alles, was sie hat, in den Wahlerfolg der AfD bei der kommenden Landtagswahl. Funktionäre der Partei absolvieren beinahe täglich öffentliche Auftritte im Freistaat. Und auch die befreundeten Vorfeldorganisationen mobilisieren. Der reaktionäre „Bus für Meinungsfreiheit“ machte mehrfach Station. Das rassistische Kandel-Bündnis hielt kaum kaschierte Wahlveranstaltungen mit AfD-Kandidaten ab. Am Samstag war es an Elsässer, der sich gerne als Koordinator der „Widerstands“ gibt. Bereits im Mai hatte er auf der Webseite seines Compact-Projekts eine „Grenzschutz-Konferenz“ in Bayern angekündigt.
Konferenz verdrängt Traditionstheater
Elsässer mutete seinen Besuchern einiges zu. Zunächst war die Veranstaltung im Videotrailer mit München angekündigt. Wenige Tage vor Beginn machte das Münchner aida-Archiv den geheim gehaltenen Tagungsort im Landkreis Freising öffentlich. Das Bekanntwerden führte nach einigen Diskussionen zur fristlosen Kündigung durch den Wirt. Elsässer fand einen Ersatzort in Garmisch-Partenkirchen, damit näher an einer Grenze, aber deutlich von München entfernt. Veranstaltungsort war der Gasthof „Zum Rassen“ in der Innenstadt. Der Saal beherbergte in Vergangenheit bereits Beatrix von Storch, Alexander Gauland und Alice Weidel und seit 120 Jahren das örtliche Bauerntheater. Der Vorsitzende des Theaters sagte laut Merkur von sich aus die abendliche Aufführung ab. Laut Bericht meiden einige lokale Organisationen den Wirt, der immer wieder radikal rechtes Klientel bedient.
Der Ortswechsel brachte auch einen deutlich kleineren Saal. Laut aida wurde zunächst mit 500 Teilnehmern geplant. Der Raum in Garmisch fasst bei ähnlich bestuhlten Theaterveranstaltungen nur 250 Teilnehmer. Kein Wunder, dass Elsässer verkünden konnte, das Event sei „restlos ausverkauft“. Auch vom Ambiente her war es nicht zu vergleichen mit früheren Konferenzen. Auf dem Livestream wirkte der Raum dicht gedrängt. Zum Saal gelangten die Teilnehmer über eine enge Seitengasse, in der zu erkennen war, dass das Gebäude auch schon bessere Tage gesehen hatte. In den Pausen wichen Teilnehmer für Kaffee und Snacks auf die örtlichen Bäckereien aus. Elsässer wollte am Ende tatsächlich 500 Personen in dem Saal untergebracht haben, die Polizei sprach von 350 Teilnehmern.
Extrem rechtes Potpourri
Die Konferenz vernetzte das übliche Klientel, ein Teil davon Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Zur Veranstaltung zog es auch Islamhasser wie Michael Stürzenberger. Mit Gernot Tegetmeyer, Birgit Weißmann und Simon Kaupert waren alle bestimmenden Akteure der ersten bayerischen Pegida-Ableger aus der Anfangszeit 2015 anwesend. Nur Tegetmeyer hält noch Veranstaltungen ab, Weißmann taucht häufiger im Umfeld der AfD auf, Kaupert hat es nach Halle gezogen, wo er für Ein Prozent tätig ist. Eine Pegida-Vergangenheit hat auch der Theologe Ernst Cran. Mit einer Rede über das „Koranertum“ auf dem Münchner Marienplatz begründete der Franke beinahe alleine die Beobachtung von Stürzenbergers „Neustart“ durch den Verfassungsschutz.
Cran und Pegida gehen momentan getrennte Wege, allerdings nicht wegen der Rede, sondern weil der auch als Trauerredner aktive Cran bei der berüchtigten Demonstration für inhaftierte Holocaust-Leugner in Nürnberg mitgelaufen war. Interessiert waren auch die beiden früheren NPD-Bezirksvorsitzenden der Oberpfalz und Niederbayern, Willi W. und Peter H. Teile der Münchner Junge Alternative erschienen gemeinsam mit einer Person, die schon an mindestens einer Aktion der Identitären Bewegung teilgenommen hatte. Wohl deshalb wenig überraschend führte eine Spur von Aufklebern beider Organisationen vom Bahnhof zum Tagungsort. Aus der AfD erschien der Bundestagsabgeordnete Jan Nolte, Landtagskandidat Tobias Teich, die führende Funktionärin der rassistischen Kandel-Initiative Linda Amon und Brigitte Fischbacher, die zusammen mit Elsässer Unterschriften für ein rechtlich wenig tragfähiges „Grenzschutz“-Volksbegehren sammelt.
Straftäter als Helden der Szene
Immer wieder versuchten Teilnehmer mit aus dem Internet zusammengelesenem juristischen Halbwissen, die Dokumentation der Veranstaltung zu behindern. Die eingesetzten Beamten ließen sich nicht beirren und sorgten für Pressefreiheit. Für die größte Aufregung sorgte der „Promi“ der Veranstaltung, der mehrfache Straftäter Stephan Yaxley-Lennon, bekannt als „Tommy Robinson“. Kurz bevor der auf Kaution freie Brite mit Vergangenheit in der English Defence League (EDL) vor Ort erschien, drängt ein Filmer der Konferenz den für das aida-Archiv tätigen Fachjournalisten ab.
Yaxley-Lennon ging kurz darauf einen anderen Fotografen an, drängte ihn ab und stellte ihm nach, immer das Smartphone in Anschlag. Zusammen mit Lutz Bachmann und Kevin Carroll, laut eigener Twitter-Beschreibung Gründer der EDL und Cousin von Robinson, umstellte sie den Journalisten. Der Brite versuchte offenbar eine Reaktion zu provozieren, in dem er immer wieder beinahe auf direkten Körperkontakt an seinen Gegenüber herantrat. Die Polizei klärte schließlich die Situation.
Der 35-Jährige war in Garmisch, um von Elsässer mit dem Compact-Preis als „Europäischer Patriot“ geehrt zu werden. Zu Hause hat er Ärger mit der Justiz, weil er mehrfach die für Gerichtsverfahren geltenden Rechtsvorschriften gebrochen haben soll, die Angeklagten ein faires Verfahren garantieren. Laut Compact-Bericht war auch der suspendierte Justizbeamte Daniel Zabel vor Ort. Er wird von der Szene als Held gefeiert. Laut seines Geständnisses will er den Haftbefehl nach der Gewalttat von Chemnitz abfotografiert und ungeschwärzt verbreitet haben. Das diente nicht der Wahrheitsfindung, was sich Zabel laut politischem Statement auf die Fahnen schrieb, sondern gefährdete die Unabhängigkeit des Verfahrens und die Beteiligten. Ein Verdächtiger wurde bekanntlich zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassen, weil kein dringender Tatverdacht mehr bestehe, so der Staatsanwalt.
Stichwortgeber für die extreme Rechte
Weitere Redner bei der Konferenz waren der Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski und der 2005 emeritierte Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider. Der frühere Ordinarius an der Universität Nürnberg-Erlangen traf schon mehrfach als Stichwortgeber der Neuen Rechten auf. Seine Verfassungsklage gegen die angebliche Grenzöffnung 2015 scheiterte krachend und wurde vom Bundesverfassungsgericht schon gar nicht zur Entscheidung angekommen. Gerne versucht er auch den Islam aus dem Schutz der Religionsfreiheit herauszudefinieren. Wisnewski gilt laut uebermedien.de als einer Initiatoren der "Gutjahr"-Verschwörung, deren Ergebnis zahllose Drohungen gegen den BR-Journalisten Richard Gutjahr und seine Familie waren und sind.
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