Jede Menge Neonazis, aber kein zweites Hasskonzert in Scheinfeld

Montag, 26. Mai 2014
Thomas Witzgall
Demonstration in Scheinfeld
Demonstration in Scheinfeld

Am Ende stand die NPD doch als Verlierer da. Ihr Familienfest konnte sie abhalten, doch das wesentlich wichtigere Event, das im Anschluss geplante Rechtsrock-Konzert, für das auch die rechte Hooliganband Kategorie C angereist war, wurde abgesagt. Den Erfolg konnte sich buchstäblich jeder der etwa 2000 Gegendemonstranten auf die Fahne schreiben. Und auch der gehypte Neonazi Patrick Schröder hat seinen Teil dazu beigetragen. Die Gründe sind geradezu ein Plädoyer, solche Veranstaltungen nicht zu verschweigen.

Zuversichtlich war Claus Seifert, SPD-Bürgermeister der mittelfränkischen Stadt Scheinfeld eigentlich den ganzen Tag. Für die Kommune im Steigerwald ging es an dem Tag um das Bild, das den Ruf die nächsten Wochen und Monate bestimmen könnte. Für den 24. Mai, dem Tag vor den Europawahlen, hatte sich die NPD mit zwei Großveranstaltungen angekündigt. Stattfinden sollte zum einen der Bayerntag, ein Versuch, mit einem familiären Fest bürgerliche Wähler anzusprechen, zum anderen ein Rechtsrock-Konzert für die Anhänger, die es radikaler und brachialer wollen.

Ein solches Event, das Konzert "Live H8", hatte letztes Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Etwa Tausend Neonazis hatten damals gefeiert. Der Organisator ist wieder derselbe, Neonazi Patrick Schröder, Kopf hinter zahlreichen rechtsextremen Aktivitäten wie der Modemarke "Ansgar Aryan" oder des Internet-Projekts FSN-TV. Berichte in den Massenmedien machten ihn zum „Vorzeige-Nazi“. An dem Tag stellte er sich ganz in den Dienst seiner Partei, die in den vergangenen Jahren mit Besucherrückgängen beim Bayerntag zu kämpfen hatte und das Fest 2013 ganz absagen musste.

Am Ende waren es laut Polizei dann wieder zwischen 300 und 400 Gäste. Es waren aber kaum Familien, die man anreisen sah, sondern typisches Konzertpublikum. Der Bayerntag war an dem Tag für die meisten auf beiden Seiten wohl Nebensache. Eine erste Anmeldung eines Konzerts war zurückgezogen worden. Gegen „spontane Feiern“ erließ die Stadt Scheinfeld vorsorglich einen Verbotsbescheid, der am Morgen der NPD übergeben wurde.

Demokraten und nicht die NPD bestimmen das Stadtbild

Gegen Mittag hatte Bürgermeister Seifert Gewissheit, dass vor Gericht entschieden wird, ob das Musikevent stattfinden würde oder nicht. Man zeigte ihm Schröders kämpferischen Interneteintrag, gerichtlich gegen das Verbot der Stadt vorzugehen. Gerade eröffnete Birgit Mair, Rechtsextremismusexpertin aus Nürnberg, im Rathaus die Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung über Rechtsradikalismus in Bayern. Das gehörte alles zum umfangreichen Programm, das man sich an dem Tag in der Stadt vorgenommen hatte. Es reichte von einer Bodenzeitung für Europa bis zu einer Großdemo durch den Ort mit anschließenden Reden und einem Fest auf dem Sportgelände. Im Gespräch äußerten sich Bürger, wie sehr sie das Gerede über angebliche „Naziförderung“ getroffen hätte. „Niemand hat mit uns geredet, wie es uns damals ergangen ist, dabei wurden wir mit dem Konzert damals überfahren“, so ein Anwohner. Am Samstag sollte umso mehr gezeigt werden, dass man den Ort nicht den Neonazis überlässt.

Es gelang. Etwa 2.000 Menschen kamen dann auch zu den Protesten. Es war eine bunte Mischung aus Einheimischen aber auch angereisten Neonazi-Gegnern aus Nordbayern.

Während sich die NPD am Ortsausgang auf dem Gelände der ehemaligen Discothek „Nachtwelt“ hinter Bauzäunen einigelt hatte, waren viele Häuser bunt geschmückt oder mit Bannern versehen. In einer größeren Aktion stellten Einwohner 184 weiße Holzkreuze und mehrere Banner gegenüber dem rechten Veranstaltungsgelände auf. Sie erinnerten an die Todesopfer durch rechte Gewalt seit der Wiedervereinigung. Die Besucher der NPD-Veranstaltung mussten daran vorbei, darunter auch die der rechtsextremen Hooliganszene zugerechnete Band Kategorie C, die überraschend angereist war, aber ihr Equipment nicht ausladen durfte, da es keine Entscheidung zum Konzert gab.

Kommunen lernen und....

nGegen 16 Uhr verbreitete sich die Nachricht an den Absperrungen, dass das Verwaltungsgericht Ansbach den Einspruch der NPD angelehnt hatte und es an dem Samstag definitiv kein Konzert in der Discothek geben werde. Im abgesperrten Bereich erläuterte Bürgermeister Seifert später die Gründe, die das Gericht bewogen hätten, der Argumentation der Behörden zu folgen. Es scheint, dass man von Seiten der Kommunen nun endgültig gelernt hat, wo rechtsextreme Veranstalter ihre Hausaufgaben nicht machen.

Früher stützte man sich mit Verboten auf die Ideologie der Veranstalter. Aber darauf darf der Staat nicht abzielen. Das Grundgesetz hofft darauf, dass die Bürger die Werte der Verfassung teilen, erzwingt es aber nicht, wie es das Bundesverfassungsgericht immer wieder den Behörden ins Stammbuch schreibt. Auch die Sorge um mögliche Ausschreitungen mit Gegendemonstranten trägt vor Gericht nicht, da die Polizei Maßnahmen immer zuerst gegen Protestierer zu richten hätten. 2013 siegten dagegen die Kommunen vor Gericht, die Veranstaltungen etwa aus baurechtlicher oder straßenverkehrsrechtlicher Sicht für nicht sicher für die Teilnehmer hielten. Die Vorschriften sind meinungsneutral, von allen Veranstaltern einzuhalten und somit gerichtsfest. Abgesagt werden mussten so 2013 ein NPD-Bundesparteitag, sowie zwei Festveranstaltungen.

Und auch in Scheinfeld ging man einen ähnlichen Weg, wie Seifert sichtlich gelöst erläuterte, immer wieder unterbrochen, wenn die Rufe der Gegendemonstranten zu laut wurden, die an- und zunehmend abreisende Neonazis begleiteten. Aus baurechtlichen Gründen wurde die Teilnehmerzahl des Konzerts auf knapp über 400 abgesenkt. Ein weiteres Konzert mit Tausend feiernden Neonazis würde es so nicht mehr geben. Als man hörte, die Disco sei vermüllt, setzte man eine Brandschutzbegehung an, um die Gerüchte zu klären. Schröder und die NPD zogen die Konzertanmeldung überraschend zurück. Die Werbung dafür verschwand von den Seiten der Veranstalter. Eine Folge war auch, dass die Begehung nicht mehr zeitnah nötig war und in Absprache mit dem Veranstalter verschoben wurde.

..... Nazi-Hipster Schröder patzt

Den Sicherheitsbehörden gab es aber ein zusätzliches Argument in die Hand. Schließlich war so nun unklar, ob denn alle Brandschutzvorschriften eingehalten wurden.

Seifert nannte das einen kleinen Mosaikstein, den die Behörden dem Richter zusammen mit zahlreichen weiteren Bedenken vorlegen konnten. Die NPD setzte, so der Bürgermeister, vor allem auf das Argument, man habe dort schon mit Tausend Teilnehmern gefeiert, also könne eine kleinere Feier erst recht kein Problem darstellen. Im Vergleich zum Konzert 2013 ohne Proteste war aber einiges anders.

Die überraschende Absage brachte einen weiteren enormen Vorteil. Es gab genehmigte Demonstrationen, die einen nahen Parkplatz mit einer Kundgebung belegte und größere Menschenmassen auf einer der beiden Zufahrtsstraßen versammelte. Und sie galt nun als eher beantragt, so dass die NPD auch nicht mehr auf das „Windhundprinzip“ der früheren Anmeldung pochen konnte. Es war nicht mehr sichergestellt, wo denn die Teilnehmer des Konzerts parken sollten oder ob die Rettungswege freigehalten werden könnten. Alles weitere Mosaiksteine, die dann den Richter im Eilverfahren zugunsten der Gemeinde bzw. des Landkreises entscheiden ließen.

Jeder anwesende Gegendemonstrant konnte sich, so Seifert, auf die Fahne schreiben, das Konzert mit verhindert zu haben. Hätten nur wenige oder niemand protestiert, hätte man die Bedenken nicht einbringen können. Seiferts Worte sind geradezu ein Plädoyer, solche Veranstaltungen von Seiten der Behörden nicht zu verschweigen und still zu ertragen wie ein Unwetter, sondern
offensiv anzugehen. Er freute sich auch über Unterstützung durch die kommunale Familie. Zahlreiche Bürgermeister und Gemeinderäte aus den umliegenden Gemeinden nahmen an den Protesten teil und zeigten Solidarität mit Scheinfeld. Der Bürgermeister richtete seinen Blick nach vorn. Solange die Halle im Besitz eines Sympathisanten der rechten Szene sei, der sie auch an die NPD vermietet, kann es zu weiteren Konzerten kommen. Ihm wurde dann auch die angebliche Aussage Schröders zugetragen, es stehe nun 1:1, aber das Spiel ginge über drei Sätze. Seifert zeigte sich zuversichtlich, ähnlich mobilisieren zu können, auch wenn er die Leute lieber beim Scheinfelder Holztag begrüßen würde.

Nebensache Bayerntag und verletzte Polizisten

Die NPD brachte derweil ihren Bayerntag über die Bühne. Die Reden kamen laut Programm von den Funktionären Karl Richter, Sascha Roßmüller und Ralf Ollert. Landeschef Richter forderte zur Wahl der NPD auf, weil sie nichts mit dem bestehenden Geldsystem zu tun habe und somit glaubwürdig für Frieden eintrete könne. Ein Verweis auf die Verschwörungstheorien, die unter den „friedensbewegten Montagsdemonstranten“ die Runde machen. Für das weitere Rahmenprogramm sorgte Burghard B., alias „Burgos von Buchonia“ als Druide.

Die Stimmung wurde zunehmend gereizter. Einzelne Würfe mit Farbbeuteln Tütchen, die Lebensmittelfarbe enthielten, wurden von den NPDlern mit Wasser gefüllten Luftballons beantwortet. Als von ihnen am Bauzaun gerüttelt wurde, der als Sichtschutz aufgestellt worden war, interessierte sich auch die Polizei zunehmend für das Treiben dahinter. Eine Kamera der Polizei blickte nun über den Zaun zur NPD. Als sie mit einem NPD-Plakat blockiert werden sollte, griff ein Polizist kurzerhand über den Zaun und entriss es dem NPDler. Wenig später flog auch eine aufblasbare Gummipuppe über die Absperrung, die mit Konterfei der Kanzlerin beklebt war.

Zwischenzeitlich brachten sich die Neonazis mit Parolen in Stimmung. Auch „Sieg Heil“-Rufe waren zu hören. Gegendemonstranten monierten weitere verbotene Parolen und Zeichen, die von Polizei zurückhaltend bis gar nicht zur Kenntnis genommen wurden. Am Ende des Tages sprach die Polizei von rund 50 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht (z. B. Mitführen von Vermummungsgegenständen), Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Verstoß nach dem Betäubungsmittelgesetz, die beide Lager betrafen.

Beim Abmarsch der Neonazis kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Beamter wurde an Kopf und Hand, ein weiterer durch einen Fußtritt verletzt. Beide sind laut Pressemitteilung der Polizei dienstunfähig.

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