Rezension
Investigativ-Journalisten blicken hinter die Kulissen der AfD
Die beiden Investigativ-Journalisten Sebastian Pittelkow und Katja Riedel erhielten regelmäßig von Informanten aus der AfD Berichte über interne Vorkommnisse, wozu auch der Chat-Verlauf von Bundestagsabgeordneten gehörte. In ihrem Buch „Rechts unten. Die AfD. Intrigen, heimliche Herrscher und die Macht der Geldgeber“ berichten sie über ihre Erkenntnisse, wobei es auch um die Frage der Geldgeber der Partei geht.

Was geschieht eigentlich in der AfD hinter den Kulissen? Dass das Bild einer demokratisch-konservativen Partei mit seriösen Repräsentanten nicht so stimmen kann, ist für eine breitere Öffentlichkeit angesichts diverser, nicht nur politischer Praktiken offenkundig geworden. Auch Aussteiger, also langjährige Mitglieder, welche mit der Partei brachen, berichten von erschreckenden Zuständen. Zuletzt bestätigten die Aussagen von Jörg Meuthen, dass viele Annahmen von Kritikern berechtigt waren. Als Co-Parteivorsitzender hatte er etwa extremistische Tendenzen noch verleugnet.
Aber auch investigative Journalisten blicken hinter die Kulissen. In einem Buch berichten zwei von ihnen, Sebastian Pittelkow und Katja Riedel, von ihren diesbezüglichen Wahrnehmungen. Es trägt mit „Rechts unten. Die AfD. Intrigen, heimliche Herrscher und die Macht der Geldgeber“ einen etwas dramatisierenden Titel. Darin geht es um Aussagen aus interner Chat-Kommunikation ebenso wie von Informanten aus der Partei. Ihr Buch ist die „Geschichte einer Recherche“.
AfD-Bundestagsfraktion mit Umsturzphantasien
Dabei blicken die Autoren nicht chronologisch auf die AfD-Geschichte, sondern konzentrieren sich jeweils auf besondere Themenkomplexe. Es geht etwa zunächst um die internen Auseinandersetzungen, die von Anfang an als Machtkämpfe die Partei durchzogen. An vielen Beispielen zeigt sich, wie giftig diese Konflikte geführt wurden. Dabei agierten auch die „Gemäßigten“ und nicht nur die „Radikalen“ in einer solchen Weise. Da den Autoren etwa 40.000 Chatnachrichten aus der Führungsspitze zur Verfügung gestellt wurden, ergibt sich so ein bemerkenswertes Bild vom Innenleben der Partei.
Gleiches gilt für die Bundestagsfraktion, wo wilde Umwälzungsphantasien zirkulierten. Deutlich wird dies an vielen Beispielen: „Unrechtsstaat, gnadenlose Kämpfe, Merkel-Regime, politische Verbrechen, Sieger-Tribunal, rumänische Lösung. Das ist Umsturzrheotrik, zum Teil gepaart mit einer unverhohlenen Gewaltbereitschaft“. Hier artikulierte sich wohl das wahre Gesicht mancher Mandatsträger im scheinbar geschützten Raum.
Die AfD und das Geld
Die Autoren beobachten schon seit ihrer Entstehung die Partei, was ihnen auch vergleichende Rückblicke erlaubt. Viele der Gründungsmitglieder brachen mit ihr und sprachen offen mit den beiden Journalisten. Dabei betonten sie immer wieder eine kontinuierliche Radikalisierung, die konservative Repräsentanten verschreckte. Die erwähnten Chats veranschaulichen: „Mitunter werden unverblümt Hass und Hetze ausgetauscht, werden Umsturzfantasien, Rassismus, Antisemitismus und neonazistisches Gedankengut geteilt, als wäre es das Normalste der Welt“.
Um eine besondere Frage geht es dann bei Pittelkow und Riedel in einem informellen zweiten Teil: die AfD und das Geld. Seit Beginn ihrer Existenz war klar, dass die AfD wohlhabende Finanzers haben musste. Denn ohne das nötige Geld wäre auch der im Internet aufwendig geführte Wahlkampf nicht vorstellbar gewesen. Die Autoren gehen hierbei nicht nur auf die bekannten Spendenskandale ein, sie fragen auch nach der Bedeutung etwa der Goal AG aus der Schweiz.
Erkenntnisse aus dem investigativen Journalismus
Und ganz am Ende der Monographie geht es noch um die der Partei eigene Russlandfreundlichkeit. Dass es innerhalb der AfD ein kremltreues Netzwerk gibt, ist schon länger den aufmerksamen Beobachtern bekannt. Hierzu wie auch zu anderen Fällen von Finanzierung finden sich interessante Informationen bei Pittelkow und Riedel. Sie liefern noch kein rundes Bild, was auch für andere Themen gilt. Gleichwohl hat man es mit einer beachtenswerten Momentaufnahme zu tun, welche eben auch den Blick hinter die Kulissen der Partei erlaubt.
Das Ganze wird im Reportagestil vorgetragen. Man kann etwa lesen: „Wir springen ins Auto, fahren zur Privatadresse von Philippe M., jedenfalls glauben wir das“. So etwas gehört wohl in ein solches Genre hinein. Ansonsten sind in dem Buch die Informationen nicht genauer belegt, was bezogen auf die Informanten aus der Partei nachvollziehbar ist. Indessen decken sich deren Aussagen eben auch mit anderen Erkenntnissen. Das Buch steht für guten investigativen Journalismus.
Sebastian Pittelkow/Katja Riedel, Rechts unten. Die AfD. Intrigen, Heimliche Herrscher und die Macht der Geldgeber, Reinbek 2022 (Rowohlt-Verlag), 351 S., 20 Euro