Inszenierung rechter Gewalt
Kampfsportaktivitäten sind in braunen Kreisen anhaltend beliebt. Am 14. Oktober soll das in fünfter Auflage das mittlerweile bedeutendste Kampfsport-Event in der deutschen Neonazi-Szene „Kampf der Nibelungen“ mit internationaler Beteiligung stattfinden.
Körperliche Ertüchtigung wird in der Neonazi-Szene gerade bei jüngeren Semestern groß geschrieben. Nur ein Baustein daraus sind diverse Kampfsportaktivitäten. Das Trainieren und Praktizieren körperlicher Gewalt wird als „in“ propagiert. Dazu gibt es seit Jahren eine Konzentration von Kampfinteressierten mit regionaler Reichweite, andere hingegen pflegen sogar strukturierte internationale Kontakte. Dort geht es dann meistens um den Dreiklang: Kampfsport, gleiche Gesinnung und geschäftliche Interessen. Insbesondere wegen ihrer Brutalität von Sportverbänden geächtet, hat sich unter den Anhängern von Vale Tudo („Alles erlaubt“) und Free Fight mit den Jahren eine immer größer werdende eigenständige Mixed Martial Arts (MMA)-Kampfszene entwickelt, die unter anderem Zuspruch von ganz speziellen Milieus erfährt, seien es Hooligans, Personen aus dem Türsteherumfeld, aus Rocker-Kreisen oder eben auch von Neonazis.
Die mittlerweile bedeutendste Kampfsportveranstaltung der Neonazi-Szene auf deutschem Boden trägt den Namen „Kampf der Nibelungen“. Sie ist in diesem Jahr für 14. Oktober terminiert und wird seit März beworben. Der genaue Ort wird nicht publik gemacht, es ist lediglich von Westdeutschland die Rede. Zu den Organisatoren gehören deutsche „Hammerskins“, aber auch Aktivisten aus dem Raum Dortmund und Köln. Ein Name, der in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, ist der Neonazi Paul Breuer, zuletzt unter dem Gruppennamen „Köln für deutschen Sozialismus“ unterwegs und ein Berichterstatter zum „Nibelungen“-Treffen 2015. Eine Merchandising-Homepage zum „Nibelungen“-Ereignis läuft über Alexander Deptolla, einst führende Figur in der 2012 verbotenen Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ und nun für die Partei „Die Rechte“ aktiv.
„Fabriziert von Weißen für Weiße“
Anfangs wurde das „Nibelungen“-Meeting noch belächelt, ein schäbiges und kleines Ambiente wirkte nicht sehr einladend. Mit Neid blickte man nach Russland, Italien oder Frankreich, dort wurde wesentlich professioneller agiert. Um die eigene Wertschätzung zu erhöhen, ist den „Machern“ insbesondere die Teilnahme internationaler Kämpfer wichtig. Dementsprechend positiv wird inzwischen kommentiert, dass erstmals Starter aus Bulgarien ihre Zusage gemacht hätten, eingeworben bei einem „NS Fight Club“-Besuch in Sofia. Freundschaftliche Verbindungen gibt es zwischen „Nibelungen“-Aktivisten und dem französischen Kampfsportler Tomasz „Gamin“ Szkatulski, der für die 2013 von ihm initiierte neonazistische Kampfsportmarke „Pride France“ steht. Neben Bekleidung bietet „Pride“ auch Sportequipment an, angepriesen mit dem rassistischen Hinweis „Fabriziert von Weißen für Weiße“.
Skatulski, der seine NS-Bewunderung durch eine Tätowierung von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zum Ausdruck bringt, zählt zum Umfeld der französischen „Blood&Honour“-Sektion „Hexagone“. Am 10. Juni war „Pride“ mit Unterstützung von Schweizer „Hammerskins“ in der 1200-Einwohner-Gemeinde Sainte-Hélène-sur-Isère Ausrichter für das internationale Kampfevent „Force & Honneur“, bei dem auch bereits für den „Kampf der Nibelungen“ geworben wurde. „Pride“ ist einer der Sponsoren und Standbetreiber bei dem Event. Das Beispiel Frankreich gleicht dem Auftritt des Labels „White Rex“ aus Russland: Die Marke steht für Szenebekleidung, zudem engagiert man sich rund um das Thema MMA, inklusive eigener Veranstaltungen und eigener Kämpfer. Verbunden ist „White Rex“ seit Gründung 2008 mit dem Namen ihres Initiators Denis Nikitin, und der verfügt seit Jahren über beste Kontakte nach Deutschland. Nach eigenen Angaben hat er sich seine verletzte Schulter 2015 in Deutschland behandeln lassen.
Dortmunder und Kölner Hooligans mit „White Rex“-T-Shirts
Zuletzt stand Nikitin am 15. Juli beim „Rock gegen Überfremdung“-Konzert im thüringischen Themar auf der Rednerliste. (bnr.de berichtete) Zu seinen Zuhörern gehörte dabei auch Szkatulski. Am 13. Mai unterrichtete Nikitin rund 40 Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern. Er war am 10. Juni auch bei „Force & Honneur“ dabei. Ein von russischen Aktivisten dazu ins Internet gestellter Videoclip wird unter anderem von dem Hamburger Neonazi Thorsten de Vries wohlwollend kommentiert. Bei den Krawallen russischer Hooligans mit gewaltbereiten Fans aus England während der Fußball-Europameisterschaft im Juni vergangenen Jahres in Marseille soll Nikitin eine treibende Kraft gewesen sein.
Wie sehr die Marke „White Rex“ hierzulande bereits Fuß gefasst hat, stellte die Polizei am 29. April fest, als Dortmunder und Kölner Hooligans Anhänger von Borussia Mönchengladbach angreifen wollten. Bei der Attacke trugen die Hooligans rund 50 „White Rex“-T-Shirts. Im Oktober dürften wohl wieder russische Kämpfer des Labels ins „Nibelungen“-Seilgeviert steigen.
„Greifvogel Wear“ und „Black Legion“ als Unterstützer
Im Vorjahr gab es die vierte „Nibelungen“-Auflage mit rund 200 Teilnehmern. Sie fand im hessischen Gemünden statt. 2014 traf man sich ähnlich konspirativ in Vettelschoß (Rheinland-Pfalz). Logos auf Flyern geben Auskunft, wer den „Nibelungen“-Termin unterstützt. Dazu gehören neben „Pride“ „Sport Frei“ von Henrik Ostendorf aus Bremen sowie „Greifvogel Wear“ und „Black Legion“ (beide Brandenburg).
Eine Anfrage der Grünen Bundestagsabgeordneten Monika Lazar und anderer Vertreter ihrer Fraktion zur Verknüpfung von Kampfsport und rechtsextremen Kreisen hat die Bundesregierung unterdessen damit beantwortet, dass es dafür nur punktuelle Beispiele gebe. Namentlich genannt wird in diesem Zusammenhang das „Imperial Fight Team“ aus Leipzig. Kampfsportaktivitäten aus dem rechten Lager gab es auch durch die Gruppierung „Spreelichter“ unter dem Dach des 2012 verbotenen Netzwerkes „Widerstand Südbrandenburg“ im Raum Lübben. Aktuell nennt sich ein Kickbox-Verein dort „Northsidecrew“ und ist laut Brandenburger Verfassungsschutz dem rechtsextremen Lager zuzurechnen. Bezüglich Monika Lazars Anfrage nach der Einflussnahme russischer Rechtsextremisten auf den MMA-Bereich in Deutschland nennt die Bundesregierung die „Deutsch Russische Bruderschaft“ (DRB), die gemäß ihrer Internetbeiträge als Kampfsport-affin anzusehen sei. Als Beispiel für eine scheinbare Mittlerrolle der DRB wird ein Beispiel aus dem Jahr 2015 genannt. Erkenntnisse neueren Datums: Fehlanzeige.