Inszenierung eines „Kongresses“

Bei ihrer Berliner Anti-Islamisierungsveranstaltung am Wochenende muss sich Rechtspopulistentruppe „pro Deutschland“ mit Teilnehmern aus der zweiten bis vierten Reihe begnügen – das Programm für den Samstag ist nach wie vor nicht bekannt.

Dienstag, 23. August 2011
Tomas Sager

„Pro Deutschland“ übt sich in Geheimniskrämerei. Auch fünf Tage vor dem vollmundig angekündigten Berliner „Anti-Islamierungskongress“ ist nicht recht klar, wie das „Kongress“-Programm überhaupt im Detail aussehen soll – abgesehen von jener Demonstration, die am Sonntagmorgen ab 10.00 Uhr am Potsdamer Platz starten und durch das Brandenburger Tor führen soll.

Auf der Internetseite von „pro D“ ist die Rede von einer Pressekonferenz am Samstag sowie von „verschiedenen internen Aktivitäten der bundesweit nach Berlin anreisenden Mitglieder und Unterstützer der Bürgerbewegung pro Deutschland“. „Pro NRW“ kündigte an, es werde an jenem Tag ein Kongressprogramm mit internen und öffentlichen Teilen geben. Nachfragen zu Details der Veranstaltung mochte der „pro D“-Vorsitzende Manfred Rouhs nicht beantworten.

Scharfmacherin von der FPÖ

Viel Kongress ist freilich mit den internationalen Gäste, die „pro Deutschland“ auf einer eigens für die sonntägliche Demonstration eingerichteten Internetseite präsentiert, auch nicht zu machen. Von der österreichischen FPÖ wird mit der Nationalratsabgeordneten Susanne Winter eine Politikerin aus der vierten Reihe – dort hat sie jedenfalls im österreichischen Parlament ihren Platz – erwartet. Sie trat zuletzt als Rednerin Anfang Mai bei einer „Marsch für die Freiheit“ titulierten Demonstration der selbst ernannten „Bürgerbewegung“ in Köln auf.

Winter ist als Scharfmacherin bekannt und wird just deswegen in den Kreisen der Rechtspopulisten geschätzt. Vor dreieinhalb Jahren hatte sie mit antiislamischen Tiraden weit über ihre Heimat hinaus Schlagzeilen gemacht. Den Propheten Mohammed hatte sie als „Kinderschänder“ bezeichnet, der den Koran in „epileptischen Anfällen“ geschrieben habe. Winter sah Europa von einem „muslimischen Einwanderungs-Tsunami“ bedroht. Der Islam, eine „Feindreligion“, gehöre „dorthin zurückgeworfen, wo er hergekommen ist, nämlich jenseits des Mittelmeeres“.

„Starke pro NRW-Abordnung“ am Brandenburger Tor

Aus Belgien werden Hilde De Lobel und Barbara Bonte angekündigt. „Pro Deutschland“ bezeichnet De Lobel als „Abgeordnete des Vlaams Belang im Flämischen Parlament“. Tatsächlich gehört sie seit 2009 dem Regionalparlament aber nicht mehr an. Bonte schließlich wird als „Vorsitzende der Vlaams Belang Jongeren“ (VBJ) präsentiert. Auch in diesem Fall: mehr Schein als Sein. Die flämischen Rechtspopulisten führt nicht Barbara Bonte als Vorsitzende ihrer Jugendorganisation, sondern Barbara Pas, eine Abgeordnete im Brüsseler Parlament. Bonte ist lediglich VBJ-Chefin in Antwerpen. Komplettiert wird das Feld der bisher genannten internationalen Teilnehmer durch den US-Amerikaner Taylor Rose von der rechten Studentengruppe „Youth for Western Civilization“, der sich selbst als „Aktivist der Tea Party“ vorstellt.

Doch nicht nur bei den Teilnehmern aus dem Ausland muss sich „pro D“ mit Personen aus der zweiten bis vierten Reihe begnügen. Den ersten Tag des „Kongresses“ schwänzt offenbar auch der „pro NRW“-Vorsitzende Markus Beisicht. Wie die Rechtspopulisten vom Rhein mitteilten, würden sich lediglich samstags „zahlreiche kommunale Mandatsträger von pro Köln und pro NRW, unter ihnen der stellvertretende Pro-Köln-Fraktionsvorsitzende und langjährige Bezirksbürgermeister Jörg Uckermann, am internen und öffentlichen Kongressprogramm beteiligen“. Beisicht selbst, in der Mitteilung als „Vorsitzender der Pro-Bewegung“ bezeichnet, wird demnach erst zur „großen Demonstration“ am Sonntag durchs Brandenburger Tor erwartet. Mit ihm werde dann dort „eine starke pro-NRW-Abordnung“ vertreten sein, verkündete die selbst ernannte „Bürgerbewegung“ jedoch gewohnt großspurig. Mit „mehreren Bussen“ wolle man „allein aus Nordrhein-Westfalen“ in die Hauptstadt reisen.

„Handgeld“ für „pro D“-Wahlkampfhelfer

Rouhs sähe es am liebsten, wenn der eine oder andere Mitreisende am Sonntag nicht wieder direkt zurück nach NRW fahren würde. Händeringend sucht er Leute, die die Berliner „pro D“-Filiale in den letzten drei Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl unterstützen und das Werbematerial unters Volk und in die Briefkästen bringen. „Wir benötigen dringend Wahlkampfhelfer, die für uns Faltblätter an die Berliner Haushalte verteilen“, schrieb Rouhs am Wochenende an potenzielle Unterstützer aus dem Rheinland. Die Hilfe will sich seine „Bürgerbewegung“ auch etwas kosten lassen. 200 Euro „Handgeld“ gibt es in der Woche. Und in der Parteizentrale an der Allee der Kosmonauten oder auf Feldbetten müssen die Helfer auch nicht nächtigen: „In Berlin werden Sie auf unsere Kosten im Hotel untergebracht.“ Der Verteilung der Faltblätter komme jetzt „hohe Aufmerksamkeit zu“, schreibt Rouhs, der unlängst auch noch um Spenden und Kleinkredite geworben hatte: „Damit steht und fällt unser Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde“.

Von diesen angepeilten fünf Prozent ist „pro D“ freilich allen bisher veröffentlichten Meinungsumfragen zufolge weit entfernt. Sogar, dass es zu einem Ein-Prozent-Ergebnis reicht, was wichtig wäre, um in den Genuss der Wahlkampfkostenerstattung zu gelangen, erscheint derzeit zweifelhaft. Zum Grundkonzept der „pro“-Gruppierungen gehört es, dass mediale Inszenierungen die angebliche „Bürgerbewegung“ bekannt machen sollen. Zum Beispiel die Inszenierung eines „Kongresses“, der diesen Namen nicht verdient, durch den Rouhs & Co. aber wegen der sonntäglichen Demonstration am Brandenburger Tor oder wegen der zu erwartenden Proteste gegen den Aufzug in die Schlagzeilen kommen wollen. Ob diese Rechnung im demonstrationsgesättigten Berlin aufgeht, dürfte eher fraglich sein.

 

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