Energiekrise

Instrumentalisierung als Machtkalkül. AfD und Neue Rechte setzen auf die Krise

Jüngste Aussagen aus AfD-Kreisen machen deutlich, dass sich einige Funktionäre durchaus folgenreiche Energiekrise wünschen. Die Empörung und das Leiden soll genutzt werden. So könnten damit für die AfD jeweils Wählerstimmen generiert werden. Aus der Neuen Rechten kam schon früh ein solcher Ratschlag. Gerade Linien dazwischen sollte man nicht ziehen, gleichwohl werden Volksverachtung und Zynismus deutlich. 

Montag, 12. September 2022
Armin Pfahl-Traughber
 "Weg mit dem kranken System" - auf Demonstrationen werden immer radikalere Töne angeschlagen.
"Weg mit dem kranken System" - auf Demonstrationen werden immer radikalere Töne angeschlagen.

Die AfD und die Neue Rechte behaupten, ihr Engagement gelte dem deutschen Volk. Doch wie steht es bei solchen Aussagen um die Glaubwürdigkeit? Sind diese Bekundungen nur ein Instrument, um eigene Machtinteressen zu fördern? Oder geht es bei den Gemeinten tatsächlich darum, den Betroffenen von  Krisen zu helfen? Eine deutliche Antwort auf diese Frage legte Harald Weyel nahe.

Das AfD-Bundesvorstandmitglied unterhielt sich bei einem auch auf Tiktok übertragenen Livestream mit seinem Parteikollegen Helmut Waniczek. Dabei ging der Erstgenannte offenbar davon aus, dass das Mikrophon abgeschaltet war und seine Statements nicht mehr öffentlich zu hören waren. Beide sprachen über die Energiekrise und Waniczek bemerkte dazu, dass es zu einer dramatischen Entwicklung kommen könne: „Man muss sagen: hoffentlich. Wenn’s nicht dramatisch genug wird, dann geht’s so weiter wie immer“ Waniczek kommentierte dazu: „Wenn’s nicht dramatisch wird, ist eh okay. Dann braucht’s die AfD nicht.“ Kurzum, nur wenn es den Menschen schlecht geht, wählen sie die Partei.

„Wünschen wir uns die Krise“ – ein strategischer Zynismus

Zeitweilig war Erik Lehnert, der Geschäftsführer des „Instituts für Staatspolitik“, auch Parlamentsmitarbeiter von Waniczek. Dieser kooperiert eng mit Götz Kubitschek, der als eigentlicher Leiter auch von deren Publikationsorgan „Sezession“ gelten kann. Er hatte bereits in einem kurzen Band „Provokation“ von 2007 dazu geschrieben, wie eine in der Gesellschaft eskalierende Krise politisch von der Neuen Rechten genutzt werden könne: „Wünschen wir uns die Krise! Sie bedrängt, sie bedroht unser krankes Vaterland zwar, aber gerade dies weckt vielleicht seinen Mut, ins Unvorhersehbare abzuspringen und das zu wagen, was den Namen ‚Politik‘ verdient.“

Und weiter: „Lob der Krise, dem Zustand des Möglichen! Lob der Epidemie des Mutes, die um sich greifen soll! Lob jedem Fluchtversuch aus dem Kerker der Verzagtheit!“ Mehrfach beschwor Kubitschek: „Wünschen wir uns die Krise!“ Dadurch werde, so die artikulierte Hoffnung, die Loyalität gegenüber dem System erodieren. So sei eben eine solche Krise vom strategischen Nutzen für die politische Rechte.

Gemeinsame Denkungsarten, keine geraden Linien

Die vorstehenden Aussagen unterstellen nicht, dass die Krisenauffassung von Kubitschek dann direkt Weyel beeinflusst hätte. Auch der Hinweis auf Lehnert und einen möglichen Umweg trägt hier sicherlich nicht. Gerade Linien der Wirkung simplifizieren Zusammenhänge. Gleichwohl machen beide Aussagen deutlich: Es geht eben AfD und Neuer Rechter nicht um das angebliche Volkswohl. Ganz im Gegenteil soll es durch die Krise den Menschen schlechter gehen, damit das für das eigene politische Lager entsprechende Vorteile bringt.

Die Auffassungen von Kubitschek sind darüber hinaus nicht originell, selbsterklärte Revolutionäre aus unterschiedlichsten Richtungen setzten immer wieder auf solche Vorgehensweisen. Es macht jeweils eine Einstellung deutlich, die auch das Aufgreifen nachvollziehbarer Kritik nur als ein instrumentelles Mittel versteht. Damit wird deutlich, dass es der AfD & Co. nicht um die Lösung realer Probleme geht. Sie nutzen diese um der eigenen Erlangung von Macht willen und hoffen dabei auf den Schaden für das Volk.

Krise und Spaltung als politischer Wille

So erklären sich auch frühere Aussagen, etwa die Deutung der Fluchtkrise als „Geschenk“ für die Partei. Gauland sah darin seinerzeit die Rettung angesichts des Rückgangs von Wählerstimmen. Und der Abgeordnete Steffen Kotré, der durch seine Pro-Putin-Positionen breiter öffentlich bekannt wurde, hatte erklärt: „Je schneller es schlimmer wird, desto schneller kann es auch wieder besser werden.“ Man will demnach für die Gesellschaft die Krise und die Spaltung.

Ängste in der Bevölkerung sollen der Partei die Wählerstimmen zutreiben. Man mag hier mit Berechtigung von einem Zynismus sprechen. Gleichwohl geht es dabei nicht nur um eine Einstellung mit unmoralischen Inhalten, offenbart sich hier doch die Grundposition eines ganzen politischen Lagers. Als bemerkenswert kann dazu gelten, dass dieser Gesichtspunkt öffentlich nur selten breiter ein Thema ist. Dabei könnte dadurch den diffusen Anhängern wie gelegentlichen Protestwählern vermittelt werden, dass sie hier nur instrumentelle Bestandteile eines machtfixierten Kalküls sind.

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