„Instituts für Staatspolitik“: Strategischer Selbstmord eines neurechten Think Tanks?

Björn Höcke sagte vor Jahren, er beziehe „geistiges Manna“ aus der neurechten Denkfabrik in Schnellroda. Offenbar löst sich der Trägerverein des „Instituts für Staatspolitik“ derzeit auf – aus Angst vor einem Verbot oder der Überwachung seiner Finanzen.

Mittwoch, 08. Mai 2024
Michael Klarmann
Götz Kubitschek: Auch nach 20 Jahren eng verwoben mit dem „Institut für Staatspolitik“ und der „Sezession“
Götz Kubitschek: Auch nach 20 Jahren eng verwoben mit dem „Institut für Staatspolitik“ und der „Sezession“

2020 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Längst hat der Trägerverein seine Gemeinnützigkeit verloren. Mitte 2023 teilten die Behörden mit, die „Verdachtsfallbearbeitung“ habe ergeben, dass sich der Verdacht bestätigt habe. Das IfS wird seitdem als sichere rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Die Positionen des IfS seien „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang damals.

Nun berichtet das Magazin „Cicero“ in seiner Online-Ausgabe, dass sich der Trägerverein des „Institut für Staatspolitik“ seit Anfang des Jahres in Auflösung befindet. Grund sei auch die Einstufung und Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das IfS respektive die Druckwerke und Publikationen aus dem Umfeld sollten damit quasi gerettet werden. Würde der Staat beispielsweise das IfS verbieten, könnte dies gleichzeitig dessen Umfeld betreffen. Das Vereinsvermögen könnte eventuell sogar beschlagnahmt werden.

Taktischer Vorstoß

Um dem strategisch zu entgehen, löst Götz Kubitschek, Kopf hinter den neurechten Strukturen in Schnellroda, laut „Cicero“ formal alles auf oder lenkt es in andere Bahnen. Die Zeitschrift „Sezession“ wurde demnach vom ehemaligen Institutsleiter Erik Lehnert gekauft. Anderes werde Kubitschek künftig unter dem Dach des Unternehmens „Menschenpark“ überführen. „Hinter der Auflösung [des Vereins] steckt [also] keine politische Kapitulation, sondern ein taktischer Vorstoß“, berichtet „Cicero“. Diese Taktik ist nicht neu, Neonazigruppen und „Kameradschaften“ haben sie schon genutzt, ebenso Rocker- und Hooligangruppen.

Über die Arbeit des Privatinstituts hatte der AfD-Politiker Björn Höcke vor Jahren einmal gesagt, er beziehe dort sein „geistiges Manna“. Zwischen ihm – Höcke – und IfS-Kopf Kubitschek bestehe ein „enger Kontakt“. Kubitschek betreibt in Schnellroda auch den Verlag „Antaios“, in dem etwa Bücher des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, und des Rechtsextremisten Martin Sellner erschienen sind. In Schnellroda erscheint auch das neurechte Strategieorgan „Sezession“. All dies gehört zugleich zum „Vorfeld“ der AfD, wirkt also auch strategisch in Teile der Partei hinein.

Konservative Revolutionäre 2.0

Das IfS agiert(e) als privater Verein, der Ideologie- und Bildungsarbeit im Sinne der „Neuen Rechten“ leistet(e). Der Begriff „Neue Rechte“ steht für eine Art intellektuellen respektive akademischen Rechtsextremismus. Das im Jahr 2000 gegründete IfS sieht sich auch in der Tradition der „Konservativen Revolution“. Das bezieht sich auf eine geistig-politische Sammlungsbewegung jungkonservativer Kräfte in der Weimarer Republik, die sich für einen autoritären Staat einsetzten.

Die Vertreter der „Konservativen Revolution“ waren antiparlamentarisch und antidemokratisch und gelten als geistige Wegbereiter des Nationalsozialismus. Neben den Publikationen und dem Verlag dien(t)en Kubitschek und dem IfS auch Veranstaltungen zur Vermittlung von Ideologie und Strategien. So finden jährlich „Akademien“ statt, also Treffen mit Vorträgen und Debatten. In einem solchen Kontext schwärmte Höcke einst vom „geistigen Manna“.

Taliban und Pride Month

AfD-Mann Maximilian Krah sorgte Mitte 2023 im Podcast von Kubitschek und dem IfS für Aufsehen. Krah fabulierte über den Pride Month: „Das Lustigste, was ich beim Pride Month erlebt habe, war 2021. Da hatte die US-Botschaft in Kabul ganz stolz den Pride Month ausgerufen. Es dauerte keine drei Wochen, bis die Taliban in Kabul eingerückt sind. Ich glaube, dass das die einzig richtige Antwort auf den Pride Month gewesen ist.“ Die Aussage verschlug selbst Kubitschek kurz die Sprache.

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