„III. Weg“ will expandieren

Seit „Der III. Weg“ in Bayern als Nachfolger des verbotenen „Freien Netzes Süd“ seine Organisationsfertigkeiten unter Beweis gestellt hat, weitet die neue neonazistische Partei ihre Aktivitäten zusehends bundesweit aus. Im Fokus stehen dabei besonders Thüringen und Brandenburg.

Dienstag, 19. Mai 2015
Johannes Hartl

Als „Der III. Weg“ im September 2013 im baden-württembergischen Heidelberg aus der Taufe gehoben wurde (bnr.de berichtete), war er zunächst nicht mehr als eine weitere Splitterpartei, die sich in Konkurrenz zur NPD auf dem parteipolitischen Tableau präsentierten wollte. Versuche dieser Art hatte es in der rechtsextremen Szene in der Vergangenheit mehrfach gegeben. In den meisten Fällen versanken diese Gruppierungen in der Bedeutungslosigkeit oder sie zerstritten sich bis zur Handlungsunfähigkeit. Dass dem „III. Weg“ das erspart geblieben ist, verdanken die Neonazis rund um den früheren rheinland-pfälzischen NPD-Funktionär Klaus Armstroff vor allem der Situation in der parteifreien bayerischen Neonazi-Szene, die sich damals mit einem Verbotsermittlungsverfahren durch Bayerns Innenministerium konfrontiert sah.

Das Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS) war seit Juli 2013 auf der Suche nach einer potenziellen Nachfolgeorganisation, in der die militanten Aktivisten in denselben geographischen Regionen wie bislang ihre Aktivitäten unter neuem Dach ungestört fortführen konnten. Die junge neonazistische Formation mit Sitz im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim bildete hierfür gleich aus mehreren Gründen eine attraktive neue Plattform. Neben der klar nationalsozialistischen Ausrichtung, die sich offen an der Zielsetzung der NSDAP orientiert, waren für die Mitglieder des seinerzeit größten bayerischen Kameradschaftsdachverbands insbesondere die Konkurrenz zur NPD sowie die vor Verboten geschützten Strukturen einer Partei von besonderem Interesse.

Das Entstehen erster personeller wie struktureller Kooperationen zwischen den beiden Organisationen ab Ende 2013 war so eine beinahe logische Konsequenz. Spätestens ab Januar 2014 begann die Neonazi-Partei unter den Augen der bayerischen Sicherheitsbehörden offensiv mit der Übernahme von ehemaligen FNS-Strukturen. (bnr.de berichtete hier und hier). Bis zum Zeitpunkt des Vereinsverbots, das am 23. Juli 2014 nach mehr als einem Jahr Vorlaufzeit erlassen wurde (bnr.de berichtete), hatte die Partei sogar längst alle geographischen Aktionsräume des braunen Netzwerks und dessen Veranstaltungen organisatorisch und personell eins zu eins übernommen.

Erste Niederlassung im Freistaat

Doch der Aufbau von Strukturen in Bayern war für die Truppe um Armstroff offenbar bloß die erste Station, mit der sie ihre Organisationsfertigkeiten unter Beweis stellen wollte. Vermehrt konzentriert sich die Gruppierung nun auf ihre Ausweitung auf ostdeutsche Länder. Dabei profitiert „Der III. Weg“ maßgeblich von der Mitgliedschaft führender (ehemaliger) bayerischer Funktionäre wie Matthias Fischer oder Tony Gentsch, die beide über hervorragende Kontakte in die deutsche neonazistische Szene verfügen und dort hohes Ansehen genießen.

Vor allem der bis Mai 2013 inhaftierte Gentsch nutzte seine Connections in andere Bundesländer schon früh, um die Werbetrommel für die Splitterpartei zu rühren. Noch lange vor der Etablierung in Bayern sprach Gentsch im November 2013 bei einer rassistischen Veranstaltung im thüringischen Greiz als offizieller Repräsentant der Partei. Wenig später, als im Januar des folgenden Jahres mit dem „Stützpunkt Hof/Saale“ die erste Niederlassung des „III. Wegs“ im Freistaat gegründet wurde, bemühte sich der oberfränkische Ableger unter Gentschs Ägide parallel zum damals noch laufenden bayerischen Ausbau sogleich um eine kontinuierliche Ausweitung der Aktivitäten in das benachbarte sächsische und thüringische Vogtland.

Bereits drei Monate nach seiner Gründung wurde der „Stützpunkt“ zum 1. April 2014 daher namentlich und strukturell in den „Stützpunkt Hochfranken/Vogtland“ umgewandelt, um „mit diesem Namen jenen Mitglieder und Unterstützern gerecht“ zu werden, „die sich in diesen ineinandergreifenden Regionen für die Partei und unser nationales Anliegen mit Hand und Herz einzusetzen bereit sind“. Gemeinsam mit dem obligatorischen 1.-Mai-Aufmarsch, den die Partei 2014 im sächsischen Plauen organisierte (bnr.de berichtete), führte diese Erweiterung spätestens ab Ende Mai zu einem deutlichen Anstieg der Aktivitäten des „III. Wegs“ im sächsischen Vogtland, die speziell durch alte Kontakte zwischen Neonazis aus Bayern und Sachsen in entscheidendem Maße beflügelt worden sein dürften.

Zentrale Rolle von bayerischen Neonazis

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit nahmen Aktivisten aus dem Umfeld der Partei neben Sachsen mit Thüringen und Brandenburg außerdem zwei weitere ostdeutsche Bundesländer als Aktionsschwerpunkte ins Visier. Auch bei diesen Bemühungen spielten nach Recherchen von bnr.de offenbar ehemals bayerische Neonazis eine zentrale Rolle. So leben Matthias Fischer und Tony Gentsch mittlerweile beide nicht mehr im Freistaat, sondern haben im Laufe des letzten Jahres ihre Wohnorte nach Brandenburg beziehungsweise Plauen verlegt. Von dort aus, vermutete Bayerns Landesamt für Verfassungsschutz schon im Februar gegenüber dem „Störungsmelder“ (Zeit-Online), könnten sie „zum weiteren Aufbau von Strukturen der Partei […] beigetragen haben“. Tatsächlich kommt diese Mutmaßung der Verfassungsschützer nicht von ungefähr.

Sowohl Gentsch als auch Fischer fielen in der Vergangenheit im Umfeld neuer Aktionsräume des „III. Wegs“ auf, kurz bevor oder nachdem die Neonazis die fraglichen Regionen als Betätigungsfeld ausgewählt hatten. So trat Gentsch beispielsweise mehrfach in Thüringen als Vertreter der neuen Formation bei Szene-Events (Anti-Asyl-Demonstration in Greiz, 2013; „Rock für Deutschland“, 2014) auf, ehe der „III. Weg“ in Gentschs Anwesenheit ein „Neujahrstreffen“ in Greiz veranstaltete. Zum 1. Februar wurde der frühere „Stützpunkt Hochfranken/Vogtland“ in zwei separate Niederlassungen für „Oberfranken“ und „Vogtland“ aufgespaltet, um zusätzlich zu Oberfranken und Teilen Sachsens besonders das thüringische Vogtland in den Fokus zu nehmen.

Zudem unterhielt die Partei offenbar schon lange Kontakte zu Michel Fischer, einem ebenso aktionistischen wie umstrittenen Thüringer Neonazi aus dem Weimarer Land, der in der Vergangenheit bundesweit immer wieder im Umfeld der Partei auffiel, unter anderem am 1. Mai 2014 in Plauen und Ende desselben Monats bei einer Kundgebung im weit entfernten niederbayerischen Deggendorf. Ähnlich wie schon vor einem Jahr in Sachsen dürfte sich „Der III. Weg“ auch in Thüringen nach dem 1. Mai, der dieses Jahr in Saalfeld (bnr.de berichtete) die zeitgleich stattfindende Konkurrenzveranstaltung der NPD in Erfurt um 500 Teilnehmer übertraf, eine Zunahme der Aktivitäten erhoffen.

Aktivisten aus dem Umfeld des FNS

Ähnlich verhielten sich die Aktivisten auch bei der Ausweitung der lokalen Strukturen seit Ende vergangenen Jahres in Brandenburg, dem zweiten neuen Aktionsraum der militanten Neonazi-Truppe. Wie in Thüringen wurde „Der III. Weg“ zunächst in einem begrenzten Umfang auf internen Treffen präsentiert, etwa im Rahmen einer „Vorstellungsveranstaltung“ Mitte September vorigen Jahres an einem unbekannten Ort in Brandenburg. An dieses konspirative und klandestine Event schlossen sich danach erste kleinere Propagandaaktionen an, bei denen mehrfach gegen Flüchtlinge agitiert wurde. Die erste größere Aktion der Partei, die im Zuge der gezielten strukturellen Verwurzelung ausgerichtet wurde und die Verankerung nachhaltig vorantreiben sollte, wurde am 23. Februar dieses Jahres nach mehreren Flugblattverteilungen sowie einer Kundgebung unter dem Motto „Ausländer Stopp!“ in Eisenhüttenstadt durchgeführt.

Im Rahmen dieser und weiterer Aktionen in der darauf folgenden Zeit wird abermals die zentrale Stellung deutlich, die Neonazis aus Bayern in der Partei und speziell bei den Expansionsbestrebungen einnehmen. So war für die Kundgebung in Eisenhüttenstadt der verurteilte Münchner Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger zur Unterstützung von Maik Eminger und Pascal Stolle, den zwei zentralen Köpfen der Partei in Brandenburg, als Redner angereist. Auch bei einem späteren Aufmarsch am 28. März in Wittstock/Dosse waren wieder mehrere Aktivisten aus dem Umfeld des früheren FNS vertreten, darunter mit Matthias Fischer und Tony Gentsch zwei der diesbezüglich führenden Köpfe.

Auf diese Weise hat „Der III. Weg“ inzwischen in den jeweiligen Bundesländern ein zuverlässiges Netzwerk geknüpft. Das Anfang März auf einem „Gebietstreffen Mitte“ von Matthias Fischer angekündigte Ziel des fortgesetzten strukturellen Ausbaus soll in die Realität umgesetzt werden. Damit bekräftigen die Neonazis ihren Status als ernstzunehmende neue Kraft innerhalb der extremen Rechten, die über effiziente Strukturen verfügt und gleichzeitig der NPD ihre Stellung streitig macht. Gerade in Brandenburg und Thüringen könnte „Der III. Weg“ in den dortigen Szenen durchaus Zuspruch erfahren – zumal die braune Gruppierung mit ihrer offen zur Schau getragenen Militanz insbesondere von jungen Szene-Aktivisten im Gegensatz zu der NPD mit ihrem eher drögen Ruf als attraktive Plattform wahrgenommen werden dürfte.

Rund um den „Stützpunkt Berlin“, der Ende März in der Hauptstadt etabliert wurde, als auch für die Thüringer und Brandenburger Region ist wohl in den kommenden Monaten mit einem deutlich verstärkten Aktionismus sowie möglichen Stützpunkt-Gründungen zu rechnen.

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