„Identitäre“ und ihre Fußtruppen
Der Aufzug der „Identitären Bewegung“ am Samstag in Berlin wird kurz nach Beginn von Gegendemonstranten gestoppt und zum Abbruch gezwungen. Auf ihrem Rückweg liefert sich die Mischung aus Alt- und Neurechten Scharmützel mit der Polizei.
Nur rund 700 Anhänger der neurechten „Identitären Bewegung“ (IB) versammelten sich am Samstag in Berlin unter dem Motto „Zukunft Europa – Bewegen und Verändern!“ im Ortsteil Wedding. Erwartet hatten die Organisatoren tausend Teilnehmer. Es sollte nicht der einzige Rückschlag bleiben: Vom Bahnhof Gesundbrunnen war ursprünglich eine Route zum Berliner Hauptbahnhof geplant. Bereits nach wenigen hundert Metern kam der Aufzug allerdings wegen Blockaden von Gegendemonstranten zum Stehen. Nach stundenlangen Verhandlungen mit der Polizei mussten die frustrierten Rechten schließlich unverrichteter Dinge wieder zum Auftaktort umkehren. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, als die „Identitären“-Anhänger versuchten, Absperrungen zu durchbrechen.
Neben Mitgliedern und Sympathisanten aus diversen Bundesländern erschienen auch Anhänger der völkischen Gruppierung aus Österreich um Martin Sellner und Philip Huemer sowie kleine Delegationen aus anderen europäischen Ländern, wie mit Lorenzo Fiato, dem Chef der „Generazione Identitaria“ unter anderem aus Italien.
Lautsprecherwagen von Pegida
Anfänglich übernahmen die IB-Strukturen aus Berlin und Mecklenburg-Vorpommern nahezu alleine die Organisation des Aufzuges. Anmelder war der Berliner IB-Regionalleiter Robert Timm, er wurde beim Aufbau und Fahnenverteilen unter anderem von Kadern aus Mecklenburg-Vorpommern wie Daniel Fiß und Hannes Krühnägel unterstützt. Den Lautsprecherwagen hatte Pegida gestellt, ihr Frontmann Lutz Bachmann übernahm die Technik während Mitorganisator Siegfried Däbritz als Fahrer fungierte.
Nachdem der Aufmarsch allerdings blockiert wurde und sich abzeichnete, dass ein Weiterkommen immer unwahrscheinlicher wurde, kam es zu mehreren Krisentreffen der Führungsriege, bei der nunmehr der Österreicher Sellner und Aktivisten der „Kontrakultur Halle“ tonangebend waren und über den weiteren Verlauf diskutierten.
Protagonisten aus Neonazi-Strukturen
Letzt genannte Gruppierung übernahm dann auch den Ausbruchsversuch, bei dem es zur Eskalation mit der Polizei kam. Als nach stundenlangem Warten Anmelder Timm den Aufzug abbrechen musste, entrissen die „Kontrakultur“-Aktivisten den gezielt in der ersten Reihe platzierten Frauen der IB das Fronttransparent und stürmten damit zurück in Richtung Auftaktort. Zu diesem Zeitpunkt waren dort kaum Polizisten positioniert. Als die Teilnehmer schließlich gestoppt werden, kommt es zu Angriffen auf die Beamten, die sich mit Schlagstock und Pfefferspray zur Wehr setzten. In dieser Situation zeigte sich einmal mehr, dass die von den „Identitären“ propagierte Gewaltfreiheit nicht mehr als ein Teil ihrer PR-Strategie ist und mit der Realität wenig zu tun hat.
An dem Aufzug der neurechten Gruppierung beteiligten sich auch diverse Protagonisten aus klassischen Neonazi-Strukturen, obwohl im Vorfeld von den „Identitären“ angekündigt wurde, solche Personen nicht dulden zu wollen. Mehrere aktive und ehemaligen NPD und JN-Funktionäre wurden gesichtet, darunter der Brandenburger NPD-Stadverordnete in Velten, Robert Wolinski oder der ehemalige JN-Landesvorsitzende aus Mecklenburg-Vorpommern Alf Börm. Auch Personen, die den „Autonomen Nationalisten Berlin“, dem „III. Weg“ oder Potsdamer Neonazi-Gruppen zuzurechnen sind, waren zu sehen.
IB-Anhänger mit „Blut und Ehre“-Tattoo
Allerdings sollte dieser Umstand nicht zu sehr überraschen, da ein Großteil der „Identitären“ Führungsaktivisten aus genau solchen Neonazi-Strukturen stammt. IB-Bundesvorsitzender Nils Altmieks, der am Samstag ebenfalls in Berlin sprach, war bei der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) zugange, andere Funktionäre wie Daniel Fiß aus Rostock, Tony Gerber von der IB Sachsen oder Mario Müller von „Kontrakultur Halle“ bei rechtsextremen Kameradschaften und der NPD-Jugend aktiv. Der IB-Anhänger aus dem Harz Mathias P. hat sogar bis heute sein Tattoo „Blut und Ehre“ im Nacken. Mit dieser verbotenen Losung der Hitlerjugend, die als „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ strafbar ist, konnte er ungestört von der Polizei am Samstag teilnehmen.
Wie auch in der Vergangenheit beteiligten sich erneut auch mehrere Aktive der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ an der „Identitären“-Aktion am Samstag, obwohl es einen Unvereinbarkeitsbeschluss auf Bundesebene dazu gibt. Das Landesvorstandsmitglied der JA Niedersachsen, Philippe Navarre thematisierte die Debatte auf dem Berliner Aufmarsch sogar mit einem Schild, auf dem „JA + IB“ mit kleinen Herzen und dem durchgestrichenen Satz „Wir distanzieren uns“ stand.