Flüchtlingsunterkunft

Identitäre in Dresden: Internationale Vernetzung und eine Kletteraktion

In Dresden sind Identitäre aus Sachsen und Bayern auf das Dach einer Flüchtlingsunterkunft geklettert. Die Aktion lässt einige Rückschlüsse auf die internationale Vernetzung der extrem rechten Gruppierung zu.

Montag, 30. Oktober 2023
Andreas Landauer
Die beiden IB-Aktivisten, die auf dem Dach der Unterkunft waren, lassen sich von einem weiteren Aktivisten interviewen. Foto: Screenshot
Die beiden IB-Aktivisten, die auf dem Dach der Unterkunft waren, lassen sich von einem weiteren Aktivisten interviewen. Foto: Screenshot

Während am Samstag in Dresdens Innenstadt etwa 2.000 Anhänger*innen von Reichsbürgerideologien und Querdenken demonstrierten, stieg im Stadtteil Alttorna eine Gruppe extrem rechter Aktivist*innen auf das Dach einer geplanten Flüchtlingsunterkunft. Sie entrollten ein Banner im Stil und mit Schlagwörtern der Identitären Bewegung und begleiteten ihre Aktion wie üblich auf ihren Social-Media-Präsenzen. Auf einem Gruppenfoto sind acht Personen zu sehen. Erst nach Stunden wurden die letzten beiden Beteiligten von der Polizei vom Dach geholt. Ihr vorgebliches Ziel, das Dach der geplanten Unterkunft, die bald bezogen werden soll, besetzt zu halten, ist damit noch am selben Abend gescheitert.

Auf Posts ihrer Aktion in den sozialen Medien verlinkten die Identitären nicht nur eigene Gruppen aus Sachsen und Bayern. Auch die „Junge Tat“ aus der Schweiz und die belgische „Schild & Vrienden“ werden auf einem Foto erwähnt. In einem Video kurz vor der Tat sagt ein Mitglied der belgischen Gruppe, dass „Schild & Vrienden“ in Dresden sei und am Wochenende eine Aktion durchführen würden.

Annäherung an IB

Die belgische Gruppe „Schild & Vrienden“ hat ihre Anfänge in Online-Chatforen, in denen rechte Memes erstellt wurden. Sie verstand sich als Teil der internationalen „Alt-Right-Bewegung“. Später folgten politische Aktionen. Auf die Gruppe werden Hasskampagnen, auch mit Morddrohungen und Doxing, zurückgeführt. 2018 zeigte ein Bericht der belgischen TV-Sendung „Pano“ Einblicke in die interne Kommunikation von „Schild & Vrienden“. Dort teilten Mitglieder Memes mit Adolf Hitler, posierten mit Waffen und bezogen sich auf den historischen Faschisten Oswald Mosley.

Auch die „Junge Tat“ aus der Schweiz hat den Stil der Identitären übernommen. Hervorgegangen ist die Gruppe jedoch aus Neonazi-Organisationen wie der „Eisenjugend“ und der „Nationalistischen Jugend Schweiz“. Anfangs pflegte sie noch Kontakte in die deutsche Neonazi-Szene, zuletzt wandte sie sich jedoch zunehmend der Identitären Bewegung zu.

Hausdurchsuchungen im August

Die gemeinsame Aktion der Identitären mit den beiden Gruppen erinnert an ein Treffen vor wenigen Tagen in Brüssel. In einem Video ist zu sehen, wie führende Mitglieder von Identitären, „Schild & Vrienden“, „Junger Tat“ und weiteren Gruppen aus Dänemark und Frankreich gemeinsam mit einem Banner vor dem EU-Parlament posieren. Die Aktion in Dresden dürfte also nicht nur der Generierung medialer Aufmerksamkeit gedient haben, sondern auch die Zusammenarbeit vertiefen.

Neonazi Max Schreiber organisierte vor der Unterkunft eine Spontanversammlung, Foto: Screenshot
Neonazi Max Schreiber organisierte vor der Unterkunft eine Spontanversammlung, Foto: Screenshot

In Brüssel noch als Aktivist dabei, bespielte der Chemnitzer Identitäre Vincenzo R. in Dresden den Liveticker des rechten „Heimatkurier“ und interviewte nicht nur beteiligte Aktivisten, sondern auch den Neonazi Max Schreiber, der eine spärlich besuchte Kundgebung vor dem Gelände organisierte. Neben Vincenzo R. produzierte auch Annie H. kurze Videoclips für den „Heimatkurier“. Als Polizeibeamte im August die Wohnungen von Mitgliedern der „Jungen Tat“ und der Identitären Bewegung durchsuchten, war laut rechten Medien auch die Münchner Identitäre Annie H. betroffen. Grund für die Razzien war eine gemeinsame Aktion gegen eine Flüchtlingsunterkunft im bayerischen Peutenhausen.

Unterkunft „besetzt“ – aber vor Polizei geflohen

Dass sich deutsche Identitäre international vernetzen, ist nicht neu. Beispielsweise wurden früh Kontakte zur faschistischen „Casa Pound“ aus Italien geknüpft. Trotzdem scheinen die aktuellen Vernetzungsbemühungen genau wie der neue Look mit einheitlicher Vermummung ein Versuch zu sein, die eigene Schwäche zu überspielen und die Identitäre Bewegung aus dem Tief der letzten Jahre herauszuholen.

Von den acht an der Dresdner Aktion Beteiligten konnte der Großteil vor den eintreffenden Polizeibeamten fliehen. Nur zwei Identitäre blieben auf dem Dach und wurden Stunden später geräumt. Bei ihnen handelt es sich um Maximilian T. aus Sachsen und Adrian S. aus Bayern, der auch Burschenschafter ist. Eine dritte Person wurde von der Polizei auf dem Gelände angetroffen. Welche juristischen Konsequenzen folgen und ob weitere Beteiligte ermittelt werden, bleibt abzuwarten.

Juristische Folgen?

Es fällt auf, dass sich laut den Identitären keine lokale Gruppe beteiligt haben soll. Dabei hätte es mit „Werra Elbflorenz“ durchaus Aktivisten aus der Region gegeben. Die Dresdner Kameradschaft ist zumindest zum Teil aus Dresdner Strukturen der Identitären hervorgegangen, wie das Antifa Recherche Team Dresden schreibt. Nicht einmal auf ihren Social-Media-Kanälen bewirbt sie die Aktion – zumindest bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels. Es kann daher vermutet werden, dass die Identitäre Bewegung zurzeit auf keine festen Strukturen in Dresden zurückgreifen kann.

Es ist davon auszugehen, dass sich die aktivistische extreme Rechte weiter vernetzt und mit weiteren Aktionen die aktuelle Stimmung gegen Geflüchtete für ihre Zwecke ausnutzt und zusätzlich anheizt. Rasche juristische Folgen könnten die Aktionsbereitschaft allerdings dämpfen.

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