Rezension
Identitäre Bewegung: Bewegungsförmiger Rechtsextremismus im Vergleich
Der Politikwissenschaftler Moritz Kinskofer legt mit „Bewegungsförmiger Rechtsextremismus. Militia of Montana und Identitäre Bewegung im Vergleich“ eine komparative Studie vor. Sie macht auf die jeweiligen Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufmerksam, um bei den Gruppen die jeweiligen Konturen besser zu veranschaulichen.

Immer noch kursiert die Auffassung, wonach feste Organisationen den Rechtsextremismus prägen würden. Von Bewegungsformen wird ungern gesprochen, offenbar weil der Terminus positiv besetzt ist. Indessen organisierten sich nicht nur die Nationalsozialisten bereits in diesem Sinne, sondern auch die Jahrzehnte vor ihnen aktiven Völkischen. Allein von daher ist das Bewegungsverständnis nützlich, um auch den gegenwärtigen Rechtsextremismus zu untersuchen.
Genau dies beabsichtigt Moritz Kinskofer mit einem systematischen Vergleich, der die Grundlage für seine Studie zum Thema bildet. „Bewegungsförmiger Rechtsextremismus. Militia of Montana und Identitäre Bewegung im Vergleich“. Die erstgenannte Gruppierung ist im deutschsprachigen Raum eher unbekannt. Daher sei als kurze Erläuterung angefügt: Es handelt sich um eine der freien Milizen in den USA, welche frühere Akteure der „Aryan Nation“ 1994 als paramilitärische Organisation gründeten. Heute ist sie nur noch von geringer Bedeutung und hauptsächlich im Internet aktiv.
Analyse von Identitären und Miliz im Vergleich
So einsichtig das Anliegen des Autors ist, eben hier Bewegungstypen miteinander zu vergleichen, so gilt dies weniger für die ausgewählte „Militia of Montana“ (MOM). Denn deren Aktivitäten und Handlungsstil bildeten sich doch vor einem anderen Kontext heraus, was eben die Frage nach Gemeinsamkeiten mit der „Identitären Bewegung“ (IB) erschwert. Für eine solche Analyse nutzt dann Kinskofer die Konzeption des „collective behavior“, also des kollektiven Handelns, womit dann IB und MOM mit einander miteinander verglichen werden sollen.
Der Autor erläutert das dazu genutzte methodische Instrument auch in einem gesonderten Kapitel. Dem folgen jeweils zwei weitere Kapitel, welche die beiden Gruppen genauer untersuchen. Hierbei geht es bei der MOM zunächst darum, ihre Entwicklung innerhalb der US-amerikanischen Milizbewegung zu verdeutlichen. Da über diese Besonderheiten des dortigen Rechtsextremismus wenig deutschsprachiges Wissen besteht, erhält man so eine anschauliche Darstellung zu diesem besonderen Phänomen.
Konspirationsvorstellungen und Paramilitarismus
In den Blick geraten dabei insbesondere Ideologie und Struktur, wobei insbesondere die paramilitärische Erscheinungsform und die ausgeprägten Konspirationsvorstellungen im Zentrum stehen. Danach geht es um die IB im mehr bekannten Sinne. Ihre Einbettung in den Kontext der Neuen Rechten ist zunächst ein gesondertes Thema. Dann findet aber auch deren allgemeiner Glaube eine genauere Wahrnehmung, etwa wenn liberale Eliten und Globalisten als böse Verschwörer gelten sollen. Auch Aspekte wie die Finanzierung, Rekrutierung und Struktur sind jeweils ein Thema.
Dabei stützt sich der Autor hauptsächlich auf die bisherige Forschungsliteratur, welche mit genauen Belegen ausführlicher eine gesonderte Darstellung erfährt. Aber auch hier wird wie zuvor ein nicht so bedeutsamer politischer Akteur im Niedergangsprozess thematisiert, was bereits in der Anlage für die beabsichtigten Erkenntnisse schon Grenzen birgt. Gleichwohl ist eine damit einhergehende Fragestellung wichtig, wäre aber besser auf andere Objekte anwendbar gewesen.
Analyse des Rechtsextremismus durch Bewegungsforschung
Und schließlich liefert der Autor noch einen abschließenden Vergleich, wobei die beiden Gruppen bezogen auf Ideologie, Organisation und Wirkung, sowie dann noch gesondert hinsichtlich der Extremismusintensität untersucht werden. Kinskofer nimmt hier für das ursprüngliche Untersuchungsschema auch eine gut begründete Veränderung vor. Seine Darstellung und Erörterung ist im sozialwissenschaftlichen Sinne gehalten. Daher hat man es gelegentlich mit methodischen Ausführungen zu tun, die eben vor diesem Hintergrund gelesen werden sollten.
Auch durchziehen immer wieder Literaturverweise die Seiten, wird doch einmal auf den einen, einmal auf den anderen Autor verwiesen. Dies erleichtert nicht immer die jeweilige Lektüre, gehört aber eben zum wissenschaftlichen Standard. Deutlich wird anhand der Arbeit, dass die Bewegungsförmigkeit viel stärker bezogen auf den Rechtsextremismus ein Thema sein sollte. Die alten Debatten darüber noch aus den 1990er Jahren könnten in einem innovativen Sinne neu aufgegriffen werden.
Moritz Kinskofer, Bewegungsförmiger Rechtsextremismus. Militia of Montana und Identitäre Bewegung im Vergleich, Baden-Baden 2023 (Tectum-Verlag), 156 Seiten