Hohe Geldstrafe für Holocaustleugner

Nach einer neunstündigen Verhandlung wurde der rechtsextreme Aktivist Nikolai Nerling am Montag wegen Holocaustleugnung und Hausfriedensbruchs in der KZ-Gedenkstätte Dachau zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.

Dienstag, 10. Dezember 2019
Anne Wild
Laut Gericht habe Nerling den Holocaust nicht nur verharmlost oder relativiert, sondern geleugnet.
Laut Gericht habe Nerling den Holocaust nicht nur verharmlost oder relativiert, sondern geleugnet.
Nerling, der sich selbst als „Volkslehrer“ bezeichnet, gute Kontakte zu Holocaustleugner*innen wie Ursula Haverbeck pflegt und nach eigenen Angaben von Spenden lebt, die er für Produktion und Verbreitung von rechtsextremen Videos erhält, hatte im Februar 2019 zusammen mit seinem Kameramann Stefan Z. das ehemalige Konzentrationslager in Dachau aufgesucht, um dort einen Film für seinen Youtube-Kanal zu drehen. Vor dem Eingangshaus zur Gedenkstätte traf der 39-Jährige auf eine Gruppe von Schüler*innen einer neunten Klasse. Eine Referentin der Gedenkstätte, die die Schulklasse begleitete, erkannte ihn, verwies auf die Hausordnung, die am Zugang zum Gelände auf einer großen Tafel aushängt, und forderte ihn auf, das Filmen einzustellen, da er keine Drehgenehmigung habe und an diesem Ort unerwünscht sei. Sie brachte die Schüler*innen auf das Gelände und eilte zum Verwaltungsgebäude, um dort über den ungebetenen Besucher zu informieren und Unterstützung zu holen.

Jugendliche belästigt

Nachdem die Referentin sich kurzzeitig entfernt hatte, folgten Nerling und sein Kameramann der Gruppe. Nerling schlug hinter ihr das Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ zu und rief den Schüler*innen lachend zu, dass sie nun eingesperrt seien. Anschließend ging er zu ihnen und begann ein Gespräch. Die jugendlichen Zeug*innen konnten sich vor Gericht zum Teil nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, sagten aber übereinstimmend aus, dass Sätze wie „Ihr sollt hier manipuliert werden“, „Glaubt nicht alles, was euch hier erzählt wird“ und „Das war alles nicht so schlimm, wie es hier dargestellt wird“ gefallen seien. Das ehemalige Konzentrationslager sei ein „Fake“ und was ihnen dort erzählt würde, sei „Quatsch“. Sich selbst bezeichnete er als „rechtsradikal“ und das sei „auch gut so“, denn „rechts“ komme von „Recht haben“. Der mitangeklagte Kameramann Stefan Z. soll zudem im Verlauf des Gesprächs eine Schülerin sexistisch beleidigt haben. Die Jugendlichen beschrieben die Situation teils als schockierend, teils als sehr unangenehm und belastend. Als die Referentin zurückkam, geriet sie erneut mit Nerling aneinander. Als er von ihr erfuhr, dass ihr Großvater in Dachau inhaftiert gewesen war, befand er, es könne dort ja nicht so schlimm gewesen sein, weil er überlebt habe. Die inzwischen herbeigeeilten Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte forderten Nerling und seinen Begleiter auf, die Gedenkstätte sofort zu verlassen und alarmierten, als er keine Anstalten machte, Folge zu leisten, die Polizei. Erst danach und nach einer weiteren Aufforderung zu gehen, zogen die beiden ab. Ein Mitarbeiter der Gedenkstätte erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.

Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafen

Nerling trug am Montag im Gerichtsaal einen Anhänger aus Holz in Form eines Thorshammers an einer Kette um den Hals. Darin eingeschnitzt war eine Hagal-Rune, die auch von der 6. SS-Gebirgs-Division „Nord“ als Kennzeichen verwendet wurde. Im Publikum hatte sich eine Handvoll Unterstützer*innen der Angeklagten eingefunden, darunter der ehemalige Identitären-Aktivist David Sch., der in einer Verhandlungspause von dem ehemaligen Lehrer begrüßt wurde. Weder Nerling noch Stefan Z. wollten sich zu den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfen äußern. In seinem Schlusswort bezeichnete Nerling das Zuschlagen des Eingangstors der Gedenkstätte als einen Scherz, der ihm im Nachhinein leid tue. Die Staatsanwältin forderte für die Angeklagten Freiheitsstrafen. Sie fände „keine Worte“ angesichts der Pietät- und Respektlosigkeit, mit der sich die beiden an dem Ort, an dem mehr als 41.500 Menschen umgebracht und zahlreiche weitere Opfer unter den nationalsozialistischen Verbrechen gelitten hätten, gegenüber Jugendlichen und der familiär betroffenen Referentin verhalten hätten. Die Anwälte von Nerling und Stefan Z. Hingegen plädierten auf Freispruch in allen Anklagepunkten. Das Gericht sah es bei Verkündung des Urteils als erwiesen an, dass sich Nerling der Volksverhetzung durch Leugnung des Holocausts und des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht habe, der Rechtsextreme wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro verurteilt. Sein Kameramann wurde wegen Beihilfe zur Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs zur Zahlung einer Strafe von 3.000 Euro verurteilt. In der Urteilsbegründung führte der Richter aus, es spiele keine Rolle, ob die Begriffe „Holocaust“, „Völkermord“ oder „Leugnen“ von Nerling verwendet würden, in der Gesamtschau sei deutlich geworden, was er meine. Er habe den Holocaust nicht nur verharmlost oder relativiert, sondern geleugnet. Sein Kameramann habe ihn nicht zurückgehalten, sondern ihn als „braver Gefolgsmann“ unterstützt. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.
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