„HJ Wassenberg“ vor Gericht
Fünf junge Neonazis und der Vater eines Angeklagten müssen sich nach Attacken auf Flüchtlingen vor dem Amtsgericht Heinsberg verantworten.
Der Prozess gegen fünf Jugendliche und Heranwachsende aus Wassenberg und Hückelhoven sowie den Vater begann Mitte Februar. Den jungen Männer wird vorgeworfen, bei unterschiedlichen Gelegenheiten und mit variierender Beteiligung in der Gemeinde Wassenberg (Kreis Heinsberg) von Dezember 2014 bis Januar 2015 mehrfach Asylbewerber und Migranten provoziert und beleidigt sowie teils bewaffnet attackiert zu haben. Die schwerste Tat ereignete sich am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, wobei ein Asylbewerber schwer verletzt wurde.
Vorgeworfen wird den Angeklagten unter anderem gefährliche Körperverletzung, Volksverhetzung, Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen und Bedrohung. Eine Anklage wegen Beihilfe richtet sich gegen einen Vater, der seinen Sohn – obschon er laut Anklage von den Angriffsplänen gewusst habe – mit dem PKW zu einem späteren Tatort gefahren haben soll. Teils konnten Zeugen die Vorwürfe der Anklage stützen, zugleich widersprachen andere Zeugen diesen. Wegen des Vorwurfs, Zeugen zu beeinflussen respektive zu bedrohen, hatte kurz nach der Tat einer der Angeklagten in U-Haft gesessen.
Die Angeklagten verhielten sich bisher in dem Prozess unterschiedlich. Während Dominic T. und Aaron C. schwiegen, sich derweil zum Teil respektlos oder provokativ aufführten, gestand Max W. teilweise die ihm vorgeworfenen Tatbeteiligungen ein. David B. und Kevin A. machten ebenso Aussagen. A. will sich in einem Aussteigerprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen befinden, nahm indes noch Tage nach Prozessbeginn an einem rechtsextremen Aufmarsch im benachbarten Erkelenz teil. Auch W. will ein Aussteiger sein.
Als Beruf „Sturm-Führer bei der SS“
Die Angeklagten sollen zum Tatzeitpunkt einer Clique junger Neonazis angehört haben, die zum Teil Kontakte zu ehemaligen Mitgliedern der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) und der Parteien NPD und „Die Rechte“ unterhielten. Man tauschte sich auch über soziale Netzwerke und Chats aus. Einer der Chats soll den Namen „HJ-Wassenberg“ getragen haben. Der Angeklagte B. gab nach bnr.de-Recherchen noch im Oktober 2015 auf seinem Facebook-Profil als Beruf an, er sei „Sturm-Führer bei der SS bei Adolf Hitler“.
Max W. posierte bnr.de-Recherchen zufolge Ende 2014 auf seinem Facebook-Profil noch vor einem Hakenkreuz und gab im zeitlichen Umfeld der Übergriffe an, mit der rechtsterroristischen Vereinigung „Combat 18“ zu sympathisieren. T. soll laut Staatsanwaltschaft auf Facebook zu einem der Angriffe aufgerufen haben. Offenkundig fühlten sich die Angeklagten in der Gemeinde, die südwestlich von Mönchengladbach liegt und in der es seit Jahren zu rechtsextremen Vorfällen kommt, so sicher, dass sie offen neonazistisch auftraten, auch mit szenetypischen Tätowierungen.
„Von ehrlicher Reue nichts zu spüren“
Besonders das Verhalten einiger Angeklagter, aber auch das von einigen ihrer Sympathisanten, stelle eine Belastung für Opfer und Zeugen dar, teilte die Opferberatung Rheinland (OBR) mit. „Lachend und feixend präsentieren sie sich im Gerichtssaal und stellten teilweise ihre extrem rechte Gesinnung durch Kleidung offen zur Schau,“ hieß es dazu weiter. Die Lokalzeitung schrieb, bei den Angeklagten sei „von Ernsthaftigkeit, Respekt vor dem Gericht oder ehrlicher Reue […] nichts zu spüren.“ Selbst bei Aussagen traumatisierter Opfer sei dies so gewesen, teilte die Nebenklage mit.
Mehrere Angeklagte fielen durch obszöne Gesten auf, weswegen C. durch die Richterin sogar verwarnt wurde. Auffällig an C. ist sein Äußeres, da er optisch zeitweise mit seinem Irokesenhaarschnitt und Kleidungsstil eher einem Punk glich und sich positiv auf die neonazistische „Punks not red“-Bewegung bezogen hatte. C. und T. waren zudem dadurch aufgefallen, dass sie an unterschiedlichen Prozesstagen je einmal gar nicht oder unpünktlich am Amtsgericht Heinsberg vorstellig wurden. Die Richterin erließ in beiden Fällen Haftbefehle gegen die Neonazis, die deswegen kurzzeitig inhaftiert waren.
Auch deswegen kam es wiederholt zu Verzögerungen. Waren ursprünglich acht Verhandlungstage terminiert, wurde unterdessen bis Mitte Juni vier weitere Prozesstage angesetzt.